«Basel Süd», Begleitgruppe Städtebau ‹Basel 20250› Fotos: Stephan Liechti

Das Wunder von Basel
oder die Krise als Chance

Astrid Staufer war 2018-22 in der Begleitgruppe Städtebau ‹Basel 2050›. Nun singt sie eine Hymne auf unerschrockene Akteure, gewagte Wettbewerbe und Verwaltungen, die ermöglichen statt zu verhindern.

Von aussen betrachtet scheint sich in Basel gerade ein kleines Wunder zu ereignen. Während sich europaweit die Klagen über die Unbewältigbarkeit der Klimakrise mehren, werden hier unter den gegebenen Umständen ungeahnte Kräfte freigesetzt. Erstaunlicherweise wirken diese Kräfte aus den unterschiedlichsten Richtungen auf eine sich immer stärker zentrierende Dynamik ein. In ihrem Sog werden die Hürden unvereinbarer Widersprüche und erstarrter Grenzen scheinbar elegant überwunden.

Bereits 2019 hat sich in Basel mit der Gruppe ‹Countdown 2030› eine der Zeit vorauseilende Basis «von unten» formiert, welche die Fragen zu einem klimagerechteren Bauen in den Diskurs der Architekturschaffenden eingebracht hat. Parallel dazu befeuern seit einiger Zeit imposante Büros wie H&dM durch feldforschungsbasierte Vorbildwirkung die Innovationsprozesse der Planenden. Mit seitlicher Schubkraft wirken Erfahrungen und Initiativen aus Basel seit Längerem schweizweit auf Pionierprojekte zu Arealtransformationen und Bauteilwiederverwendung ein. Und auf Verfahrensebene sind es unkonventionelle Wettbewerbe mit Resultaten, in denen das bislang Undenkbare plötzlich möglich wird, die die Seiten der Fachzeitschriften (und meine Vorlesungen) füllen.

Die Kräfte «von oben» werden durch Figuren wie den 2015 ins Amt berufenen Kantonsbaumeister Beat Aeberhard neu gestaltet und diversifiziert. Ein in die Breite wie in die Tiefe offen suchender Dialog ersetzt die pyramidale Verwaltungsstruktur, in der – wie in vielen Städten Europas – eine Amtsstelle die andere blockiert. In Basel sitzen alle an einem Tisch. Kantonale Koordinatoren helfen den überforderten Projektverfassenden durch den institutionellen Dschungel und ebnen zukunftsorientierten Projekten den Weg. In Basel wird nicht nur die Qualität des Einzelobjektes durch die übliche Stadtbildkommission beurteilt. Die Begleitgruppe Städtebau ‹Basel 2050› fragt auch danach, wie es um seine Einbettung in das Gefüge der Stadt und um seine Vernetzung bestellt ist – mit einem ihr zur Seite gestellten Zeichner notabene, der die diskutierten Zukunftsprozesse festhält. Statt der sonst üblichen trockenen Stellungnahmen entstehen so lustvolle Visionen, an denen wir uns in diesen schweren Zeiten alle erfreuen können (selbst wenn sie nicht immer ganz realistisch sind). Sie geben eine Zielrichtung an, denn die Zukunft braucht optimistische Bilder, an denen wir gemeinsam teilhaben und weiterwirken können.

Wir müssen es wollen.

Dass die Zukunft der Stadt letztlich ein gemeinsamer Weg ist, ein gemeinsames Werk, das wir nicht mehr den spezialisierten Fachstellen und -disziplinen überlassen dürfen, manifestiert sich auch im ambitionierten Versuch, die Bevölkerung in den verschiedenartigsten Formaten – mit Dialogtagen, Museumsausstellungen, öffentlichen Diskussionen, Spezialpublikationen und vielem mehr – nicht nur zum Diskurs einzuladen, sondern durch mutiges Hinterfragen scheinbar unverrückbarer Hierarchien und Dominanten wachzurütteln und zum Handeln aufzufordern.

«In Basel, da läuft etwas», sagen meine Kolleginnen und Kollegen in Wien, mit denen ich in Forschung und Lehre seit einigen Jahren an ähnlichen Themen arbeite, «das ist kein Greenwashing, richtig?» Ich nicke (als Zürcherin noch dazu) und antworte: «Ja, in Basel wird einem der Ernst der Sache leicht gemacht» – anders als in Österreich, wo er noch kaum zu spüren ist, und anders als in Deutschland. In Basel wird der Ernst nicht von oben diktiert, sondern in bewältigbare Entitäten zerlegt und – fast wie durch Feenhand – zu lustvollen Prozessen gebündelt, gemixt und gekühlt serviert: die Krise als Chance.

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