Gut möglich, dass das Thema «Zusammenarbeit» an Selbstverständlichkeiten des heutigen Wettbewerbswesens kratzen wird. Fotos: Karin Hauser (Illustration)

Zusammenarbeit im Wettbewerb

Das Wettbewerbslabor 2025 setzt auf das Thema «Zusammenarbeit». Eine Absichtserklärung.

Das erste Wettbewerbslabor lässt keine einheitliche Synthese zu. Dafür waren die Vorschläge der Laborgruppen zu unterschiedlich – und sie stiessen auf teils heftigen Widerstand. Fest steht aber: Es besteht weiterhin Diskussionsbedarf. «Der Wettbewerb» ist keine abgeschlossene Sache, sondern er braucht stetige Veränderung und Anpassung. Während die Laborgruppen nun weiterarbeiten und nach Möglichkeiten suchen, ihre Vorschläge in der Praxis zu erproben, bereiten Hochparterre und die Stiftung Forschung Planungswettbewerbe das Wettbewerbslabor 2025 vor.

Wie soll sich das Format weiterentwickeln? Welcher Themen soll sich das nächste Labor annehmen? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, lohnt sich ein Blick über die Fachpresse hinaus. Im Februar sind im «Tages-Anzeiger» zwei Artikel in Serie erschienen, die den Wettbewerb als Teil der Architekturproduktion kritisch beleuchten. Im ersten Artikel stand die Dynamik in Jurys im Vordergrund: Wer bestimmt die Diskussion? Wer beansprucht wie viel Redezeit? Wer nimmt welche Rolle ein? Kurz: Wer entscheidet darüber, wer gewinnt und wer verliert? Im zweiten Artikel kamen junge Architekt*innen zu Wort. Sie kritisierten die vielen Arbeitsstunden, die bei Wettbewerbsteilnahmen unbezahlt verpuffen. Nachdenklich stimmten Aussagen der (Non-)Swiss Architects, eines Kollektivs von Architekturschaffenden mit Migrationshintergrund und Schweizer Verbündeten. Ihre Wortwahl fiel drastisch aus – von «ökonomischem Suizid» war gar die Rede. Sie zeichneten ein ausbeuterisches Bild des Systems Wettbewerb. Und trotzdem: In der Schweiz hätten dank des Wettbewerbs auch junge Architekt*innen eine Chance.

Zeit für eine Absichtserklärung
Diese Erfahrungsberichte und Wahrnehmungen erzeugen ein Hintergrundrauschen, vor dem das nächste Wettbewerbslabor bestehen muss. In der Auseinandersetzung mit dem Architekturwettbewerb wollen wir keine blosse Fachdiskussion führen, sondern diese konstant auf ihre gesellschaftliche Relevanz und Notwendigkeit hin prüfen.
Ziel des ersten Wettbewerbslabors war es, die verschiedensten Akteur*innen anzusprechen und in einem Raum zu versammeln, um die dringenden Themen aus mehreren Richtungen gleichzeitig anzugehen. Dieses Ziel haben wir erreicht. Es waren Architekt*innen, Wettbewerbsorganisator*innen, öffentliche Bauherrschaften sowie Beteiligte aus unterschiedlichen Disziplinen anwesend. Im Speziellen sei die Präsenz von Landschaftsarchitekt*innen erwähnt. Eine Exponentin forderte am Labortag die stärkere Einbindung der Landschaftsarchitektur in die Konzeption und Aufgabenstellung von Wettbewerben, gerade in Zeiten der Klimakatastrophe.

Akteur*innen vernetzen
Die Anwesenheit von verschiedenen Akteur*innen erlaubte einen zeitweiligen Rollentausch in den Workshops: Wie würde ich als Bauherrschaft agieren? Welchen Arbeitsaufwand lösen meine Anforderungen bei den teilnehmenden Büros aus? Und, spekulativ: Wie würde sich meine Arbeit beispielsweise verändern, wenn ich statt eines Raumprogramms ein CO2-Budget und ein Anforderungsprofil vorgeben respektive bearbeiten müsste? Dieser Rollentausch und die Vernetzung der unterschiedlichen Perspektiven sind Mehrwerte des Wettbewerbslabors, denen wir Sorge tragen möchten. Der Austausch untereinander, das Zuhören und Gehörtwerden sollen weiterhin im Zentrum des Labors stehen.
Wenn wir darüber sprechen, wer anwesend war, müssen wir auch darüber sprechen, wer abwesend war. Es kamen weniger junge Architekturschaffende als erhofft. Von (selbst-)ausbeuterischen Arbeitsbedingungen, die es im Wettbewerbswesen zweifellos gibt, haben wir wenig gehört. Untervertreten war auch die Perspektive von privaten Bauherrschaften. Wir beabsichtigen, diese Sichtweisen im nächsten Wettbewerbslabor zu integrieren. Es soll sich nicht ein Grossteil der Anwesenden einig sein, dass der Wettbewerb ein fast schon heiliges Gut sei, das keiner Veränderung bedürfe. Das Format des Labors setzt die Bereitschaft zum Experiment voraus. Wir möchten deshalb in den Arbeitsgruppen gezielt mehr junge Menschen und mehr Disziplinen einbinden und auch private Bauherrschaften mit an Bord holen.

Auf Zusammenarbeit setzen
Das Wettbewerbslabor ist nicht der einzige Ort, an dem Überlegungen zur Zukunft des Wettbewerbs angestellt werden. In einer online veröffentlichten, kollektiv verfassten Positionierung regen die Büros Denkstatt und In Situ Eigentümer*innen und Politik dazu an, «eine neue kooperative Wettbewerbskultur zu fördern, die weniger auf Konkurrenz der Teams als auf Kooperation, Wissensaustausch, Dialog und Varianz setzt». Die Verschwendung intellektueller Ressourcen und die Frustration durch Konkurrenzverfahren könnten wir uns «schlicht nicht mehr leisten». Tatsächlich stellt sich angesichts der Klimakrise und der von Kriegen und Konflikten geprägten globalen Schieflage die Frage, inwiefern das Konkurrenzdenken sogar für diese verantwortlich ist.
Die Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten, wie wir zu Erkenntnissen und Ideen kommen, wie wir diese besprechen, einen Konsens finden oder sie verwerfen, ist für das Ergebnis entscheidend. Das wissen alle, die je einen Wettbewerb ausgeschrieben, an einem teilgenommen oder einen juriert haben. Es geht darum, gesellschaftliche Kompetenz zu trainieren: «Unsere Kolleg*innen der Planungs- und Gestaltungsdisziplinen wollen wir ermutigen, interdisziplinäre Teamkulturen für transdisziplinäre Aufgaben zu trainieren, die über die üblichen Wettbewerbsteams hinaus eine agile Zusammenarbeit praktizieren», heisst es in der Kollektivschrift.
Was kann beispielsweise eine Jury von den Teilnehmer*innen lernen? Wie lernt sie dazu? Wie fliesst das Wissen aus verschiedenen Disziplinen in einen Wettbewerb ein? Und wie gestaltet sich ihre Zusammenarbeit? Könnten die Teams, die an einem Wettbewerb teilnehmen, die Grundlagenarbeit im Kollektiv erbringen? Könnten sie ein gemeinsames Wissen über den Ort anlegen, das nicht erst bei der Wettbewerbsausstellung sichtbar wird? Wie müssten solche Verfahren angelegt sein? «Kooperation statt Konkurrenz» ist nicht nur einer der Impulse, die Denkstatt und In Situ für eine dringend notwendige Umbaukultur zur Diskussion stellen, sondern auch unser Anspruch. Wir haben entschieden, in die gleiche Richtung zu arbeiten und das nächste Wettbewerbslabor unter das Thema ‹Zusammenarbeit› zu stellen. Wir beabsichtigen ausserdem, den Workshops mehr Zeit einzuräumen, um das kollektiv versammelte Wissen maximal zu nutzen.

Experimente in der Praxis wagen
Der Wettbewerb ist das Feld der angewandten Forschung der Architektur und nicht nur Beschaffungswerkzeug. Wo, wenn nicht hier, sind Experimente möglich? Erklärtes Ziel des Wettbewerbslabors ist es, die Vorschläge der drei Arbeitsgruppen in realen Verfahren zu testen. Wir brauchen also experimentierfreudige Bauherrschaften, die dazu bereit sind. Die Vorschläge lassen sich innerhalb der geltenden Wettbewerbsordnung durchführen. Auf den ersten Blick scheint etwa die Gruppe ‹Klimakrise und Wettbewerb› eine radikale Veränderung vorzuschlagen. Doch das Verfahren bleibt prozessual gleich – nur die Ausgangslage ist radikal anders. Bauwillige, meldet euch – bei allen Gruppen!
Die Nähe zur geltenden Praxis ist für eine schnelle Umsetzung wichtig, eine zwingende Voraussetzung für zukünftige Arbeitsgruppen ist sie aber nicht. Gut möglich, dass das Thema «Zusammenarbeit» an Selbstverständlichkeiten des heutigen Wettbewerbswesens kratzen wird. Wem gehört eine Idee? Dem Gewinnerteam allein oder all jenen, die ihren Teil dazu beigetragen haben, im Kollektiv? Welche Rolle spielen die Nicht-Rangierten und die leer ausgegangenen Projekte, die einer Jury als Vergleich gedient haben? Was ist deren Arbeit wert?
Wir sind überzeugt: Auch das nächste Wettbewerbslabor am 5. September 2025 wird Vorschläge hervorbringen, die es sich auszuprobieren lohnt. Dabei möchten wir unsere Rolle als Plattform wahrnehmen und Arbeitsgruppen und Bauherrschaften zusammenbringen. Aus Wissen soll Handeln werden. Bis zum nächsten Wettbewerbslabor!

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