«Mini», «Midi» oder «Maxi»?

«Mehrwerte für alle Beteiligten»

Die Laborgruppe «Digitaler Wettbewerb» versucht mit standardisierten Daten und Verfahren für alle Beteiligten Vorteile herauszuholen.

Wie zeigt sich die Digitalisierung in eurer Berufspraxis?
Patric Barben: Seit rund zehn Jahren wickeln wir in unserem Büro alle grösseren Ausführungsprojekte mit BIM ab. Im Wettbewerbswesen sind entsprechende Anforderungen erst in den letzten Jahren aufgekommen. Was ein BIM-Modell genau beinhalten soll, führt häufig zu Diskussionen. Die Gipsmodelle verschwinden zunehmend in den Verfahren, was wir bemängeln.
Lars Kundert: Der digitale Zwilling unserer Umwelt ist faszinierend, und mit digitalen Modellen lassen sich Varianten schnell in ein Situationsmodell einsetzen und im Kontext prüfen. Das bringt Vorteile. Immer mehr Bauherrschaften wünschen sich ein digitales Wettbewerbsverfahren. Es gilt genau zu klären, was damit gemeint ist.
Susanne Frohn: Digitale Verfahren bieten Chancen und Herausforderungen gleichermassen. Zu Beginn der Corona-Pandemie hatten wir unsere digitale Feuertaufe. Das Verfahren war überraschend gut zu bewältigen, und die Qualität der Resultate war vergleichbar mit herkömmlichen Verfahren, wenn auch die virtuelle Jurierung und die Handhabung der digitalen Modelle herausfordernd waren.
Simon Dilhas: Der digitale Wandel ist auch ein emotionales Thema. Am Wettbewerbslabor sagte ein aufgebrachter Teilnehmer zu mir, dass niemand BIM im Wettbewerb benötige. Der digitale Wandel stellt Prozesse infrage und kann Rollen verändern, das kann verunsichern.
Katja Köder: Gute digitale Planungsgrundlagen sind essenziell. Die am Wettbewerb teilnehmenden Architekturbüros sollen sich auf ihre Kernaufgabe, den Entwurf, konzentrieren können. Durch die Abgabe stufengerechter digitaler Modelle durch die Auslober*innen können wir Planungssicherheit schaffen und den Aufwand begrenzen.

«Eine physische Abgabe ergänzt durch ein digitales Volumen- und Nutzungsmodell ist die sinnvollste Variante.»
Patric Barben

Für den digitalen Wettbewerb umreisst ihr die Varianten «Mini», «Midi» und «Maxi». «Mini» ist euer Favorit. Warum?
Patric Barben: Oft werden auf Stufe Wettbewerb zu detailreiche Informationen gefordert. Die Projektdaten sollen phasengerecht in einer dienlichen Abstraktion erhoben werden, die eine Fokussierung auf das Wesentliche erlaubt. Die eigentliche Planung findet nach dem Wettbewerb im Dialog mit Bauherrschaft, Bevölkerung und Behörden statt. Darum halten wir «Mini» mit einer physischen Abgabe ergänzt durch ein digitales Volumen- und Nutzungsmodell in den allermeisten Fällen für die sinnvollste Variante.
Simon Dilhas: Mit «Mini» werden weniger Daten erfasst, dafür die wesentlichen so sauber, dass sie ohne Mehraufwand weitergenutzt werden können. Für ein BIM auf Stufe Wettbewerb genügt ein konzeptionelles Raummodell. Mit den richtigen Daten lassen sich Varianten einfach und schnell prüfen, was für Bauherrschaften wegen der Kostensicherheit interessant ist. Ich bin auch für weniger Fleissarbeit.

«Der Begriff BIM lässt zu vieles offen.»
Lars Kundert

Ausserdem fordert ihr Standards. Was meint ihr damit?
Lars Kundert: Der Begriff BIM ist zu allgemein und lässt zu vieles offen. Das führt zu Diskussionen zwischen Bauherrschaften und Architekt*innen. Der Wortlaut «informierte Modelle» macht klar, dass wir ausgewählte Informationen in ein Modell einspeisen müssen. So wie die SIA-Norm 416 Parameter definiert, gilt es nun, Flächen und Volumen für ein BIM-Modell exakt zu umschreiben, damit alle die Daten auf die gleiche Weise erheben.

«Analoge und digitale Werkzeuge sind kein Widerspruch.»
Susanne Frohn

Was ist mit den digitalen Architekturmodellen?
Lars Kundert: Unsere Laborgruppe hat digitale Architekturmodelle auf Stufe Wettbewerb infrage gestellt.
Patric Barben: Solche Modelle sind für die Beurteilung eines Wettbewerbsprojekts nicht sinnvoll, und sie steigern den Aufwand unnötig. Es ist unklar, was die Jury betrachten wird. Werden digitale Modelle trotzdem gefordert, muss das in der Honorierung abgegolten werden.
Susanne Frohn: Für das Studium eines digitalen Architekturmodells während einer Jurierung braucht es einen technischen Support, der durch das Modell führt. Eine freie Wahl der Blickwinkel durch die Jury ist nur bedingt möglich.

Wann sind analoge, wann digitale Werkzeuge und Vorgehen sinnvoller?
Susanne Frohn: Analoge und digitale Werkzeuge sind kein Widerspruch. Wir sollten die Mittel je nach Aufgabe wählen. Jurierungen im selben physischen Raum erleichtern den Austausch nach wie vor, die simultane Betrachtung ist bei komplexeren Beurteilungsthemen gewinnbringend. Das funktioniert mit klassischen Plänen und Modellen gut.
Patric Barben: Wir nutzen die digitalen Möglichkeiten als Erweiterung und Ergänzung zu den analogen Werkzeugen. Zu Beginn eines jeden Entwurfs steht die gemeinsame Auseinandersetzung am Gipsmodell im Zentrum. Das anfänglich Ungenaue und die Abstraktion sind wichtig, um sich an Lösungen heranzutasten.

«Die frühen Phasen der Planung werden wichtiger.»
Simon Dilhas

Wie verändert die Digitalisierung die Arbeit der Planer*innen?
Lars Kundert: Durch die neuen Fragestellungen in den Verfahren sind Spezialist*innen in der Planung vermehrt gefragt. Gerade wenn es um Nachhaltigkeit geht, sind die Fragestellungen komplex, und man muss genau hinschauen, was wirklich etwas bringt, um zum Beispiel CO2 zu reduzieren.
Katja Köder: Es gibt laufend neue Tools, eben etwa zum Nachweis der Nachhaltigkeit. Welche dieser Werkzeuge sich bewähren, muss sich erst noch zeigen.
Simon Dilhas: Bevor Büros neue Programme kaufen, sollten sie die vorhandenen besser nutzen. Mit den gängigen CAD- und BIM-Programmen lassen sich die nötigen Daten für ein BIM-Modell generieren. Für die Architekturbüros wird es essenziell, ihre konzeptionellen Leistungen gut zu verkaufen. Die frühen Phasen der Planung werden wichtiger.
Patric Barben: Der Architekturwettbewerb ist ein gutes Instrument, keine Frage. Es sind die Hilfsmittel, die sich verändern und die noch verbessert werden können. Mir ist es wichtig, mögliche Tools einschätzen zu können und zu wissen, wie und wo sie sinnvoll eingesetzt werden können. Grosse Chancen der digitalen Möglichkeiten sehe ich in Bezug auf die Beurteilung der Nachhaltigkeit und für die Kreislaufwirtschaft. Wenn wir Bauteile digital erfassen, werden die Projekte zu potenziellen Bauteillagern. Die Frage ist, wo und wie wir diese Daten zugänglich machen.

«Die Digitalisierung gehört zu den grossen Themen der kommenden Jahre.»
Katja Köder

Was nehmt ihr aus der Laborgruppe mit?
Patric Barben: Wir engagieren uns für klare Begrifflichkeiten und phasengerechte Standards für alle Beteiligten. Zudem gibt es Überschneidungen zu den Themen der anderen beiden Laborgruppen. Der steigende Aufwand ist keine direkte Folge der Digitalisierung, sondern resultiert aus unklar formulierten Anforderungen und zu detailreichen Abgaben, um vermeintlich mehr Planungssicherheit zu erlangen.
Susanne Frohn: Wenn wir die Mittel der Digitalisierung bewusst einsetzen und gestalten, bieten sie grosse Vorteile und Chancen. Es war ein interessanter Lernprozess, in dieser Laborsituation darüber nachzudenken. Der Kern unserer Arbeit bleibt derselbe, unabhängig von den Mitteln: die verantwortungsvolle Rolle der Verfahrensbegleitung.
Lars Kundert: Es geht uns nicht darum, die Digitalisierung im Wettbewerb infrage zu stellen. Um unsere Bauherrschaften gut beraten zu können, wollen wir die Prozesse mitsamt ihren Herausforderungen, mit denen wir konfrontiert sind, verstehen. In Zukunft wird jeder Wettbewerb sowohl digital als auch analog sein.
Katja Köder: Die Digitalisierung gehört neben den Klimazielen zu den grossen Themen der kommenden Jahre. Wenn wir uns besser erklären und Standards setzen wie unseren Vorschlag «Mini», dann nehmen wir BIM im Wettbewerb die abschreckende Wirkung und schaffen Mehrwerte für alle Beteiligten.
Simon Dilhas: Der Austausch in der Gruppe ist wichtig, und darum war das Wettbewerbslabor wertvoll. Ich beobachte ein Perfektionsstreben im Umgang mit digitalen Mitteln. Es ist aber viel wichtiger, ins Tun zu kommen und auch Fehler zu machen, damit wir weiterkommen.

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