Struppig, braun und wertvoll

Vom Menschen oft unbeachtet, bilden begrünte Dächer Refugien der Biodiversität. Inzwischen ist erforscht, wie sie von selbst entstehen und angelegt werden können.

Fotos: Andi Hofstetter

Vom Menschen oft unbeachtet, bilden begrünte Dächer Refugien der Biodiversität. Inzwischen ist erforscht, wie sie von selbst entstehen und angelegt werden können.

Ohne viel zu erwarten, stieg der Botaniker Elias Landolt um die Jahrtausendwende auf die alten Hallen des Seewasserwerks Moos in Zürich-Wollishofen. Er suchte nach seltenen Pflanzen für seinen Verbreitungsatlas ‹Flora der Stadt Zürich›. Was er auf den Hallendächern vorfand, überraschte ihn und prägte die Fachwelt: Ein purpurnes Meer aus etwa 6000 seltenen Orchideen der Art Kleines Knabenkraut blühte ihm entgegen. Auch acht weitere Orchideenarten konnte er unter den 175 Pflanzenarten auf den Dächern nachweisen. Die grossen, mit Bitumen abgedichteten Dächer hatte man 1914 mit Bauaushub und Oberboden aus der Umgebung bedeckt, um die Hallen zu dämmen. Kaum jemand beachtete die Vegetation, die die Dächer nach und nach begrünte. Heute sind viele dieser Pflanzenarten in der Region infolge Überbauung, Überdüngung und Landumnutzung verschwunden oder selten geworden – Dächer sind ihre letzten Refugien. Bei neueren Untersuchungen der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) auf Flachdächern haben Forschende zudem eine hohe Artenvielfalt an Heuschrecken, Spinnen, Tagfaltern, Käfern und Schnecken entdeckt. ###Media_4### Besonders viele begrünte Dächer in Basel Die seltenen Pflanzen- und Tierarten haben das Seewasserwerk Moos von selbst besiedelt. Manche sind wohl mit dem Oberboden auf das Dach gelangt. Der Fund ist ein Glücksfall – für den Naturschutz ebenso wie für die allgemeine Erkenntnis des Werts von begrünten Dächern. Sie bieten längst nicht nur Grün fürs Auge, sondern verbessern das Stadtklima und sind wichtig für die Retention von Regenwasser. Hier finden auch Arten einen Lebensraum, die im urbanen Raum sonst keine Chance hätten. In Basel und Zürich gilt deshalb seit den 1990er-Jahren die Pflicht, Flachdächer extensiv zu begrünen, um darauf artenreiche Biotope zu schaffen. Inzwischen kann Basel mit etwa acht Quadratmetern pro Perso...

E-Mail angeben und weiterlesen:

Geben Sie uns Ihre E-Mail-Adresse und wir geben Ihnen unseren Inhalt! Wir möchten Ihnen gerne Zugriff gewähren, obwohl dieser Beitrag Teil unseres Abos ist.