Wohnen im Kreislauf
Für seinen Bachelor an der Universität Liechtenstein hat Martin Dupont eine Wohnüberbauung in Basel entworfen, die Betonelemente des ehemaligen Parkhaus Lysbüchel wiederverwendet.
Wie können wir Wohnraum schaffen, ohne ständig neue Materialien zu verbrauchen? Wie lässt sich der Bestand so nutzen, dass daraus nicht nur Architektur, sondern ein Beitrag zur Zukunft entsteht? Diese Fragen standen am Anfang meines Projekts ‹Le Jardin›, das ich im Rahmen meines Bachelorabschlusses an der Universität Liechtenstein entwickelt habe. Ich habe dafür das Franck Areal in Basel untersucht – ein ehemaliges Industriegebiet, das heute neue Perspektiven bietet. Mein Entwurf soll zeigen, wie man mit wiederverwendeten Bauteilen einen Wohnraum schaffen kann, der nachhaltig, lebendig und anpassbar ist. Im Mittelpunkt des Projekts steht die Wiederverwendung von Betonelementen aus dem Parkhaus Lysbüchel. Diese vormals rein funktionalen Teile nutze ich als Grundgerüst für ein Wohnhaus. Dabei begann meine Planung nicht mit einem Raumprogramm, sondern oft mit einem konkreten Bauteil. Ich stellte mir die Frage: Wie lässt sich dieses Teil sinnvoll einsetzen und was kann darum herum entstehen? Diese Herangehensweise verändert den Entwurfsprozess grundlegend. Sie zwingt mich, flexibel zu denken und das Material ernst zu nehmen. Architektur entsteht hier nicht auf dem Papier, sondern im direkten Bezug zum Bestand.
Das Herzstück des Projekts ist ein begrünter Innenhof. Er verbindet die Wohnungen, fördert Begegnung und schafft einen ruhigen Ort mitten im städtischen Raum. Der Hof ist nicht nur Aufenthaltsort, sondern auch Garten – ein Ort für Erholung und gemeinsames Gärtnern. Die Wohnungen selbst sind modular aufgebaut. Sie lassen sich an wechselnde Bedürfnisse anpassen, ohne dass grosse Umbauten nötig wären. Gemeinschaftsbereiche ergänzen das Wohnen und stärken das Miteinander im Quartier. Die Tragstruktur verschafft den Betonstützen und -träger aus dem Parkhaus Lysbüchel ein zweites Leben. Ich habe sie in neue Fundamente umgewandelt und mit Zwischendecken aus Holz ergänzt, weil die ursprünglichen Deckenhöhen für den Wohnbau nicht ausreichten. Alle Verbindungen – ob bei den Decken, Wänden oder dem Laubengang – habe ich so geplant, dass sie lösbar bleiben. Statt zu verschweissen, setze ich auf Schrauben und Steckverbindungen. So lassen sich die Bauteile später wieder auseinandernehmen und weiterverwenden. Das spart nicht nur Ressourcen, sondern auch Zeit und Kosten. Auch das bestehende Gebäude des Impact Hub wird im Projekt weiterverwendet. Die unteren Stockwerke bleiben erhalten, ab dem dritten Stock folgen neue Wohneinheiten mit ähnlicher Struktur – ebenfalls aus rückgebauten Betonfertigteilen und Reststücken aus dem Neubau.
Die Fassade meines Entwurfs ist nicht nur Hülle, sondern Erzählerin. Sie zeigt, was im Inneren geschieht und woher die Bauteile stammen. Der Sockel aus Backstein öffnet das Haus zum öffentlichen Raum. Darüber liegt eine Wellblechfassade, die sich eng um die bestehenden Stützen legt. So konnte ich zusätzliche Anpassungen oder Schnitte vermeiden. Als Abschluss habe ich eine Wand aus Glasbausteinen gewählt, damit das Tragwerk dahinter sichtbar bleibt. So spiegelt die Fassade die Haltung des gesamten Projekts: sichtbar machen, was schon da ist – und es mit neuen Anforderungen in Einklang bringen.
‹Le Jardin› ist nicht isoliert gedacht. Das Projekt ergänzt die Entwicklung des Franck Areals, das sich unter dem Baubüro In Situ zu einem urbanen, durchmischten Quartier wandelt. Hier treffen Wohnen, Arbeiten, Kultur und Freizeit aufeinander. Mit meinem Entwurf möchte ich einen Beitrag leisten – nicht nur architektonisch, sondern auch sozial. Im Erdgeschoss sind öffentliche und halböffentliche Nutzungen vorgesehen: Cafés, Läden, Waschräume, Lagerräume. Darüber folgen Wohnungen in verschiedenen Grössen, die sich jeweils um den Innenhof orientieren. Der Zugang erfolgt über einen Laubengang, der den offenen Charakter des Projekts unterstreicht. Mit ‹Le Jardin› habe ich versucht zu zeigen, dass Architektur nicht bei Null anfangen muss. Bestehendes kann tragen – funktional und gestalterisch. Es fordert allerdings eine neue Haltung: Man muss mit dem arbeiten, was vorhanden ist, und daraus etwas Passendes entwickeln. Für mich bedeutet nachhaltiges Bauen nicht nur energiesparende Technik oder ökologische Materialien. Es bedeutet auch, mit Respekt auf das zu schauen, was schon gebaut wurde. ‹Le Jardin› ist mein Versuch, genau das zu tun – und daraus neue Wege für den Wohnungsbau aufzuzeigen.
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* Martin Dupont hat sein Architekturstudium im Frühjahr 2025 an Universität Liechtenstein abgeschlossen. Das Projekt ‹Le Jardin› entstand im Studio ‹(Dis)Assembly: Reusing Modular Structures for Housing› unter der Leitung von Daniel Stockhammer und Csaba Tarsoly. Für das Projekt wurde ihm der ‹LSA Bachelor Thesis Award› verliehen.