Nachhaltiges Joint Venture
Das mehrsprachige Büro nuar ist für die ‹Wilde Karte 2025› nominiert. Im Video erzählen Guido Brandi, Adrian Kiesel, Marco Guerra, Stefan Hausherr und Iso Tambornino von ihren Interessen und Ambitionen.
Im März dieses Jahres gewann ein Architekturbüro namens ‹nuar› den offenen Wettbewerb für die Primarschule in der Bündner Gemeinde Zuoz. Ihr Projekt mit dem sinnigen Titel ‹Après Ski› sorgte für Aufsehen, denn für das Tragwerk des Schulhauses hatten die Architekten die Verwendung von nicht mehr gebrauchten Skiliftmasten vorgeschlagen – angesichts der immer zahlreicheren stillgelegten Skilifte eine ebenso naheliegende wie geistreiche Variante des zirkulären Bauens. Der überraschende Vorschlag erschöpfte sich aber nicht in der witzigen Idee, sondern war bautechnisch durchdacht und zudem integriert in eine sehr effiziente flexible Struktur in einem sehr kompakten Volumen. «Ein in den unterschiedlichsten Bereichen maximal nachhaltiges Projekt», urteilte die Jury.
Expertisen zusammenbringen
Wenn man weiss, wer hinter dem bislang unbekannten Namen ‹nuar› steckt, erklärt sich der souveräne Umgang mit Fragen der Zirkularität und Nachhaltigkeit: Guido Brandi ist Dozent am Institut für konstruktives Entwerfen (IKE) an der ZHAW, Forschungsschwerpunkt: zirkuläres Bauen. Adrian Kiesel arbeitet am selben Institut mit Forschungsschwerpunkt suffiziente Tragsysteme und ist Doktorand bei Silke Langenberg an der ETH. Auch Stefan Hausherr arbeitet am IKE, bei ihm lautet der Schwerpunkt Digitalisierung. Marco Guerra hat neben seinem Master in Architektur einen Abschluss in ‹Sustainability and energy management in construction works› im Gepäck, den er am Politecnico di Milano erworben hat. Heute ist er Assistent am Lehrstuhl von Valentin Bearth an der Accademia di Architettura in Mendrisio und Redaktor und Mitbegründer des neuen wissenschaftlichen Journals der Akademie, ‹6850 Journal›.
Praktische Erfahrung aus etablierten Büros und in selbständiger Tätigkeit bringen alle Partner mit. Der Fünfte im Bunde, ZHAW-Absolvent Iso Tambornino, führt seit 2022 ein eigenes Büro in Trun. Die beiden aus Italien stammenden Abgänger der Akademie für Architektur in Medrisio, Guido Brandi und Marco Guerra, spannen schon seit 2020 zusammen.
ZHAW, IKE und bestehende Arbeitsgemeinschaften bilden also das Substrat, aus dem ‹nuar› als mehrsprachiges, quasi interkulturelles Quintett hervorgegangen ist. Bürogründung und Namensgebung sind eine Folge des Wettbewerbsgewinns in Zuoz, aber auch der logische Schluss aus der Erfahrung einer produktiven und inspirierenden Zusammenarbeit im Zeichen versammelten Wissens. Das rätoromanische Wort ‹nuar› bedeutet dabei so viel wie ‹zusammenbinden› oder ‹zusammenfügen› – ein passender Name also für ein Joint Venture, das nach eigenen Angaben «ganzheitlich denkt und zirkulär konstruiert» und sich als «Kollektiv mit starkem Interesse und Fachwissen in den Bereichen Nachhaltigkeit und CO2-neutrale Ansätze» bezeichnet.

Dieses Kollektiv kann notabene schon wieder einen Erfolg verbuchen: Kurz nach der Nomination zur ‹Wilden Karte 2025› hat ‹nuar› den offenen Wettbewerb für den Erweiterungsbau der Berufsschule Bülach gewonnen.
In der Rubrik ‹Wilde Karte› präsentieren Hochparterre, Zürcher Ziegeleien und MHZ Hachtel vier ausgewählte Architekturbüros, deren Gründerinnen und Gründer höchstens 40 sind. Im September wetteifern die vier Büros im Architekturforum Zürich um einen Platz bei einem eingeladenen Architekturwettbewerb