Instrumentenbau XXL
Das Klanghaus Toggenburg in der Baumuster-Centrale, vorgestellt von Holzbauer Blumer-Lehmann und Architekturbüro Staufer & Hasler. Der volle Saal lernte, wie man Resonanzen konstruiert.
Das Klanghaus Toggenburg breche vielerlei mit dem herkömmlichen Holzbau, führt der SBCZ-Leiter Stefan Baumberger in den Anlass ein: Als rundes Gebilde sei das Haus frei geformt. Und überhaupt: Eigentlich sei es kein Haus, sondern «ein begehbares Instrument» – so laute sogar der offizielle Projektname des Hochbauamtes des Kantons St. Gallen.
Die Entstehungsgeschichte des Projektes erzählt Architektin Astrid Staufer: Als Idee des Volksmusikers und Kulturförderer Peter Roth vor zwanzig Jahren geboren, wurde es mit dem Architekturwettbewerb, pardon, der Thesenkonkurrenz 2010 zur fixen Idee: Marcel Meili, Kopf des siegreichen Teams Meili Peter Architekten und «einer der urbansten Menschen, die ich kenne» (Astrid Staufer), hörte plötzlich Ostschweizer Volksmusik und ging an Hackbrettkonzerte! Sein Projekt scheiterte 2015 vor dem Kantonsparlament, vier Jahre später folgte die Wiedergeburt mit einer Volksabstimmung. Als Meili 2019 starb, planten Staufer & Hasler das Projekt weiter. Momentan setzt Blumer-Lehmann es um, noch dieses Jahr soll es fertiggestellt werden. 2025 schliesslich wird es gestimmt und eröffnet. Gestimmt?!? Eben.
Der wild konkav-konvex geformte Bau steht am idyllischen Ufer des Schwendisees. Im Naturschutzgebiet ersetzt es ein ehemaliges Gasthaus. Das Klanghaus ist kein Konzerthaus, sondern ein Ort für Klangexperimente. Die Erwartungen seien hoch, bemerkt Astrid Staufer: Ein Touristenmagnet soll es werden, ein Boost für die lokale Musikkultur, ein Ort für internationale Experimentalmusik, ein Manifest des Ostschweizer Handwerks, ein Sinnbild für Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft und weiteres mehr. Aussenbühnen werden die Klänge der Landschaft einfangen. Klangöffnungen und Resonanzräume in den Wänden und im Boden das Hörerlebnis im Innern formen, verborgen hinter Öffnungen, deren Form an diejenigen historischer Instrumente erinnern. Schräge Lichtkanonen in der Decke machen selbst die Sonne zum geformten Erlebnis.
Dem übervollen Saal der SBCZ brummte schon der Kopf vor lauter geschwungenen Formen und (abwesenden) Klängen, als Richard Jussel und Stefan Bischoff von Blumer-Lehmann und Matthias Ruf von Staufer & Hasler nachlegten: Wie bitteschön baut man solch ein «Instrument»? Ein Gebäude, dessen Hülle aus dickem Vollholz und hand- und maschinengespaltenen Holzschindeln besteht, dessen Formen jedoch eher der auditiven Wahrnehmung zu entstammen scheinen, als der visuellen Welt in der wir leben.
Wir sehen, hören und staunen: Was macht aus sechs Zentimeter dicken Holzbohlen eine unregelmässig geschwungene Wand? (Ein Gelenkkopfprofil.) Welches Detail fräst der Computer und wo ist Handwerk praktikabler? (Mal so, mal so.) Wie baut man ein Dach aus freien Formen, das einen grossen Raum überspannt und das unregelmässig geformte Lichtkanonen in der Mitte durchstossen? (Man sucht Detailsysteme, Segmentierungen und probiert viel aus ...) Die gebogenen Balken des Dachrandes sehen aus, wie aus Gummi, sind aber aus Holz gefräst. Der Sockel besteht aus Eternitplatten, die eigentlich aufs Dach gehören. Dort, auf dem Dach, funkeln runde Plaketten, wie hingestreut – es sind als Schneefänger umfunktionierte Topfdeckel. Wir sind schon so weit, dass wir sie förmlich klingen hören, bei Regen. «Visuelle Akustik» sei auch das Wellenmotiv an der Fassade, entstanden durch minimales Versetzen der Schindeln.
Nach 1,5 Stunden leert sich der Saal. Eben noch war er gefüllt mit Verblüffung über die komplexen Aufgaben. Mit Staunen über die findungsreichen Lösungen und die enge Zusammenarbeit der Architektinnen und Holzbauern. Und mit der Frage: Wie zum Teufel stimmt man ein Haus?