Holz in Form gebracht
Mit einer Treppe von Blumer Lehmann erprobten Partner aus Praxis und Forschung das neuste Produkt der Holzbaufirma. Wie «CLT curved» entstand und wo es eingesetzt werden kann, erfuhren wir beim Brownbag-Lunch.
Gegen aussen zeigt das neue «Stammhaus» von Blumer Lehmann in Gossau eine streng gerasterte Fassade. Doch innen wartet der Holzbau mit einer Überraschung auf. Eine skulpturale Treppe verbindet die vier Geschosse und 180 Arbeitsplätze und macht das Haus zum Treffpunkt auf dem Firmenareal. CLT curved, das neue Produkt von Blumer Lehmann, hat es möglich gemacht. Doch was heute zentrales Element des Neubaus ist, begann mit einer Produktidee, bei der nicht alles nach Plan verlief.
Wie das eine zum anderen führte, erzählten Kai Strehlke, Leiter Digitale Fabrikation bei Blumer Lehmann und Johanna Deinet, Architektin und Partnerin bei K&L Architekten am Brownbag-Lunch in der Baumuster-Centrale. Schon vor dem Doppelvortrag lernten die interessierten Architektinnen und Architekten das neue Produkt kennen. Ihre Getränke holten sie an der kurvigen Holzbar ab und auf dem Weg zu ihren Sitzplätzen konnten sie am 1:1 Modell erproben, wie das gekrümmte Holz als Treppengeländer durch die Hand gleitet.
Feucht verleimt
Für diese Krümmung wollten Blumer Lehmann ursprünglich die natürlichen Eigenschaften des Holzes nutzen. Als Industriepartner eines Projektes des Institut für Computerbasiertes Entwerfen und Baufertigung (ICD) und dem Institut für Tragkonstruktion und Entwerfen (ITKE) der Universität Stuttgart waren sie an der Entwicklung eines sogenannten «Bilayers» aus Fichte beteiligt. Dafür wird eine dünne, passive Schicht mit einer dickeren Schicht aus feuchtem Holz verleimt. Beim Trocknen zieht sich das Holz zu einer gekrümmten Platte zusammen, den Grad der Krümmung steuert der Feuchtegehalt des aktiven Holzes. Mit dem Urbachturm im Remstal realisierte Blumer Lehmann 2019 ein erstes Projekt aus dem Produkt. Den über 14 Meter hohen Turm montierten sie vor Ort innert kürzester Zeit aus zwölf gekrümmten Bauteilen, die aus dem Bilayer hergestellt und anschliessend mit Lärche beplankt wurden. Weil der Turm als Kunst galt, musste er im Gegensatz zu seinem Betonsockel keine statischen Anforderungen erfüllen. Das änderte sich mit dem zweiten Turm, den sie für die Landesgartenschau in Wangen im Allgäu planten. Dieser sollte über eine Treppe in der Mitte als Aussichtsplattform zugänglich sein.
Holz in feuchtem Zustand zu verleimen, sieht die Norm nicht vor. So fielen die Bilayer-Paneele denn auch durch die Tests der MPA (das ist die deutsche EMPA), die sie für eine statische Anwendung gebraucht hätten. Ausserdem entstand nach der Krümmung auf der konkaven Seite des Holzes eine raue Oberfläche, die vor der Verbindung mit weiteren Elementen abgeschliffen werden musste – ein unwirtschaftlicher Prozess.

Turm und Treppe
Doch Blumer Lehmann wollte mit den gekrümmten Platten weiterarbeiten und für die Fertigstellung des Turms einen umsetzbaren Weg finden. Sie entschieden sich, die Platten trocken zu verleimen und dabei in eine gekrümmte Form zu pressen. So entstand CLT curved. Am Ende setzen sie für den 23 Meter hohen Aussichtsturm in Wangen eine Kombination der beiden Herstellungsverfahren ein.
Mitten in die Entwicklungsphase des zweiten Turms fiel die Planung des «Stammhauses» von Blumer Lehmann. Schon zu Beginn hatten K&L Architekten aus St. Gallen ein ausladendes Treppenhaus, ähnlich einem verbindenden Stamm ins Zentrum des Hauses gesetzt. Offen für Austausch und Kommunikation stellten sie es sich vor. Als Blumer Lehmann vorschlugen, CLT curved an dem Treppenhaus weiter zu testen, waren sie zu Beginn skeptisch, gab Architektin Johanna Deinet zu Beginn ihrer Präsentation zu. Doch das Material faszinierte das Team bei K&L. Deshalb liessen sie sich darauf ein, eine geschlossenere Treppenhausfigur zu entwickeln. Da die Struktur zu diesem Zeitpunkt der Planung bereits feststand, leiteten sie daraus und aus den Brandschutzanforderungen die Regeln für die Treppenfigur ab. Der Prozess brachte über die Treppenform und die Produktentwicklung hinaus viele Fragen mit sich. Wie werden sich die Mitarbeitenden in der Raumskulptur orientieren? Wo verläuft die Lauflinie? Wie beleuchten wir diese dynamischen Formen? Heute leitet ein Handlauf im Treppenauge die Menschen durch die Raumskulptur. Die Schnittfläche der CLT-Platte ist nicht abgedeckt, sondern macht den Produktionsprozess bei jedem Gang durch das Treppenhaus sicht- und spürbar.

Am Ende übernahm noch einmal Kai Strehlke das Wort. «Holz im Innenraum ist einfach fantastisch!» fasste er zusammen. Es folgte wildes Brownbag-Rascheln und die zahlreichen Architektinnen und Architekten machten sich auf den Weg zurück ins Büro. Auch wer am Nachmittag nicht gleich eine grosse Treppenskulptur planen konnte, wird künftig bei Blumer Lehmann fündig. Denn aktuell arbeiten sie daran, den Radius von CLT curved zu verringern, um sie auch bei kleineren Treppenhäusern anwenden zu können.