Modellansicht von aussen

Die Essenz der Basilika

Lion Maul hat in seiner Semesterarbeit ein Konzept für den respektvollen Umgang mit der römischen Ruine Halmyris entwickelt. Inspiriert von einer Seminarreise entwirft er einen abstrakten Schutzbau.

Meine Semesterarbeit befasst sich mit der römischen Ruine Halmyris im Donaudelta nahe der rumänischen Gemeinde Murighiol. Die Basilika und das römische Bad sind notdürftig durch zerfallende Schutzbauten gesichert, der Grossteil der Ruine jedoch ist schutzlos der Verwitterung und den Besucherinnen und Besuchern ausgeliefert. Vor Ort stellte sich mir die Frage: «Wird die heutige Situation dem kulturellen Wert der Ruine gerecht?» Meine klare Antwort: «Nein, die Würde der Ruine ist verloren, sie muss neu geehrt werden.»

Bestandsaufnahme der Ruine und der Basilika

Situationsplan der Ruine

Situationsplan der Schutzbauten

Um dem Ort seine Würde zurückzugeben, schlage ich vor, die freigelegten Mauerreste wieder mit Erde zu bedecken. Nicht aus Verdrängung, sondern als Zeichen des Schutzes und der Ruhe. Die Architektur verstehe ich dabei als Vermittlerin der verborgenen Essenz. Jedes Bauwerk über der Ruine trägt eine eigene Bedeutung. Exemplarisch wird in meiner Arbeit die Basilika behandelt, deren Schutzbau zeigt, wie Architektur durch eine historische Auseinandersetzung die immaterielle Essenz erfassen und weitergeben kann.

Die Basilika in Halmyris entstand während der konstantinischen Wende von 307 bis 337 nach Christus und wurde zu Ehren der christlichen Märtyrer Epectetus und Astion als Grabstädte errichtet. Heute sind von der Basilika lediglich die Grundmauern übrig. Diese Mauern bedecke ich in meinem Projekt mit Erde, darüber habe ich eine neue, reduzierte Struktur entworfen, die nicht das Vergangene rekonstruiert, sondern die verborgene Essenz reflektiert. Ihr zarter, schwebender Schleier kontrastiert mit der Schwere des verborgenen Steins. Die Struktur thematisiert nicht das Sichtbare, sondern das Geistige.

Ansicht

Grundriss

Schnitt

Die im Jahr 290 nach Christus getöteten Märtyrer Epectetus und Astion verkörpern die Liebe Christi und die Hoffnung auf das ewige Leben. Diese Essenz wird durch ein Zelt symbolisiert. Es steht für die Urform der christlichen Basilika, als temporärer Ort göttlicher Präsenz und Symbol für die Vergänglichkeit. Der Zugang zur Struktur erfolgt über drei Stufen, welche die Dreifaltigkeit repräsentieren. Der Eingang des Zeltes im Osten markiert den Beginn des Lebens, der enge Weg führt unter einem leichten, sich im Wind bewegenden Schleier hindurch, der sich gegen Westen zunehmend öffnet, hin zur Weite des Göttlichen. Die Leichtigkeit des Schutzbaus kontrastiert mit der geistigen Schwere des Ortes. Es entsteht ein Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Sichtbarem und Verhülltem.

Ansicht und Modellansicht des Innenraums

Axonometrie

Die Konstruktion orientiert sich an den drei Grundprinzipien des Zeltes: Spannung, Skelett und Membran. Eine einfache, sukzessiv an Grösse zunehmende Dreieckskonstruktion aus heimischen Eichenholz bildet das Gerüst. Diagonal gespannte Stahlseile stabilisieren das Zelt und tragen eine leichte, transparente Membran, die sich dem Skelett anschmiegt. Material, Verbindung und Detail treten zurück, um der Formensprache Raum zu geben. Die Architektur selbst wird zum stillen Vermittler der Essenz, zurückhaltend und respektvoll.

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