Neue Aluprofile und wiederverwendete Gussaluminiumplatten gliedern die Fassade. Fotos: Zeljko Gataric
Im Auftrag von Glas Trösch, Aepli Metallbau, Eyrise

Zwischen Werterhalt und Zukunftstechnologie

Wiederverwendete Aluminium-Fassadenplatten und zukunftsweisende Sonnenschutzgläser machen ein Bürogebäude in Zürich fit für seinen zweiten Lebensabschnitt.

Wer kürzlich die Müllerstrasse nahe dem Hauptbahnhof Zürich entlanggegangen ist, hat sich vielleicht über die spiegelnde Bürohausfassade inmitten der quartiertypischen Gründerzeithäuser gewundert. Ein Neubau? Kaum – die gebänderte Fassade aus Glas und Aluminium verweist auf vergangene Jahrzehnte. Ein Bauwerk aus den 1960ern? Die Wahrheit liegt dazwischen: Der langgestreckte Siebengeschosser stammt aus dem Jahr 1980. Darin ein fast unverändertes Tragwerk aus 13 000 Kubikmetern Beton. Die Gebäudehülle, das Innenleben und die Haustechnik hingegen wurden jüngst erneuert.


Zeitgemässes Aussehen, bessere Dämmwerte, dynamischer Sonnenschutz: die Fassade nach der Sanierung

Der Büroriegel fällt im Gründerzeitquartier auf.

Die Eigentümerin Swiss Prime Site Immobilien wollte mit dem Umbau ein Zeichen der Nachhaltigkeit und der Kreislaufwirtschaft setzen. Hinsichtlich der Fassade führte dies zu zwei wichtigen Entscheidungen: Erstens musste die alte Hülle einer neuen mit zeitgemässen Dämmwerten weichen. Dazu hat das Architekturbüro Ilmer Thies die behäbigen Lochfenster mit abgerundeten Ecken und Rafflamellenstoren durch eine Elementfassade aus dynamischem Sonnenschutzglas und feingliedrigen Aluminiumprofilen ersetzt. Zweitens hat die alte, aber hochwertige Fassadenhaut aus rohem Gussaluminium ein zweites Leben erhalten. Die zurechtgeschnittenen Platten bekleiden nun die Sturzbänder, das 92 Meter lange Vordach und, mit geschliffener und polierter Oberfläche, den Eingangsbereich des Geschäftshauses.

Was im Endresultat schlicht und elegant wirkt, war in der Ausführung herausfordernd. Die Fassadenbauer von Aepli Metallbau, der niederländische Flüssigkristallglas-Entwickler Eyrise und das Unternehmen Glas Trösch spannten für die Umsetzung zusammen. Aepli entwickelte, produzierte und montierte die neue Elementfassade aus pulverbeschichteten Aluminiumprofilen und Sonnenschutzglas sowie die Unterkonstruktion für die Gussaluminiumplatten. Letztere liess der Metallbauer durch eine Partnerfirma auffrischen, anschliessend montierte er sie wieder. Derweil stellte Eyrise im firmeneigenen Werk in den Niederlanden die Sonnenschutzgläser her und lieferte sie an eine spezialisierte Firma von Glas Trösch, die sie mit weiteren Glasscheiben zu Dreifach-Isoliergläsern verarbeitete. Der Clou an der Konstruktion: Während das auf der Innenseite liegende Verbundsicherheitsglas und die Scheibe in der Mitte mit Wärmeschutzbeschichtungen versehen sind, enthält das aussenliegende Sonnenschutz-Glaspaket die Flüssigkristallmischung ‹Licrivision›. Wenn man die Kristalle unter leichte Spannung setzt, ändern sie in Sekundenschnelle ihre Ausrichtung – und das Fenster verdunkelt sich. Uneingeschränkt erhalten bleibt derweil die Sicht nach draussen, und im Gegensatz zu Markisen oder Lamellenstoren ist das Sonnenschutzglas nahezu wartungsfrei. Wie viel Licht- und Wärmestrahlung in den Innenraum dringen soll, lässt sich per Taster, Smartphone oder Sensor stufenlos einstellen.



Ist der Sonnenschutz nicht aktiviert, sind die Gläser farblos und transparent.

Neue Aluprofile und wiederverwendete Gussaluminiumplatten gliedern die Fassade.

Die künftigen Nutzer des Geschäftshauses an der Müllerstrasse werden sich in einem Gebäude mit zukunftsweisender Fassadentechnologie bewegen, die hier erstmals in der Schweiz verbaut wurde. Alleiniger Mieter der 15 000 Quadratmeter Bürofläche ist das Technologieunternehmen Google. Alle anderen können sich an der aufgefrischten Fassade erfreuen, die mit ihren Aluminiumplatten aus den 1980er-Jahren ein Stück Vergangenheit in die Zukunft trägt.

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Kommentare

Andreas Konrad 02.05.2024 22:47
Minimalismus - die höchste Kunst des Bauens ! Mit schnellem Strich und billigem Ramsch stehen sie im Mittelland, die vermeintlich minimalistischen Würfelis - plumpe Wegwerfarchitektur , lieblos geplant, schnell gebaut, in Styropor verpackt und teuer verscherbelt. Die Müllerstrasse ist dagegen eine Augenweide : Die Details sind bis zum durchgeschwitzten Zeichnerhemd durchdacht, mit dem harten Bleistift wurde jedem Detail, jedem Pfeiler ein noch luftigeres, eleganteres Dasein beschert. Selbst der schwachsinnige Alu - Strukturhaufen an der alten, schrecklichen Fassade verwandelt sich, zurechtgesägt mit dem Uhrmacher - Laubsägeli, in einen schönen Schwan. Die Fenster sind mit lateinischer Leichtigkeit beinahe rahmenlos, die Pilasterlis dazwischen stehen fein und elegant wie gerade geschliffene Grissinis, die Spaltmasse messen sich mit dem gehobenen Automobilbau. Ein perfektes Detail, dann repetiert - hier duftet der Geist des Lever House an der Park Avenue. Dem Altbau wurde nicht mit dem Abrissbagger, sondern mit dem Skalpell zurechtgerückt. Ressourcenschonend und eine bare Augenweide. Ökologie kann so schön sein !
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