Aus dem einzelnen Stuhl entwickelte sich eine ganze Familie.
Im Auftrag von Horgenglarus

Eine ehrliche Stuhlfamilie

Wie findet ein Stuhl, der für ein Objekt entwickelt wurde, den Weg in die Kollektion? Er muss mit den anderen Produkten verwandt sein und darf nicht alleine bleiben. «Honett» von Horgenglarus hat es geschafft.

Vor rund zwei Jahren fertigte Horgenglarus für das Architekturbüro Blocher Partners 120 Stück eines Massivholzstuhls in der Typologie eines traditionellen Stabellenstuhls. Mit ihrem Entwurf für das Restaurant der Staatsbrauerei Rothaus in der Stuttgarter Innenstadt wollten die Architekten das prototypische Merkmal einer gemütlichen Gaststube in das 21. Jahrhundert transferieren. Vor Kurzem präsentierte Horgenglarus die auf dem diesem Entwurf basierende neue Stuhlfamilie «Honett». Damit gehört der Stuhl von Blocher Partners zum festen Sortiment des Glarner Möbelherstellers – wie etliche andere Stühle, die einst von namhaften Architektinnen und Architekten entworfen worden waren.

Im Restaurant Rothaus in Freiburg im Breisgau hat «Honett» einen grossen Auftritt. Foto: Martin Lorenz

Aus dem Prototyp wird eine Familie
Früher fuhr Emil Baumann, der Gründer des über 140-jährigen Unternehmens, einmal wöchentlich nach Zürich. Er besuchte die Architekten und fragte sie nach ihren Bedürfnissen. Bald lief es auch umgekehrt: Baumann kam in Kontakt mit guten Stuhlentwürfen und nahm sie in seinen Katalog auf. So war es auch beim «Honett». Es gab positive Rückmeldungen von der Verkaufsfront, und es konnten einzelne Projekte in der Schweiz mit dem neuen Stuhl realisiert werden.

Die Bank wirkt auf den ersten Blick wie ein langer Stuhl. Doch es brauchte etliche Feinjustierungen.

Doch welche Ansprüche müssen erfüllt sein, dass ein eigens für ein Objekt angefertigter Stuhl in die Kollektion aufgenommen wird? Sicherlich muss er den Kriterien von Horgenglarus entsprechen: Klassik, Formvollendung, Zeitlosigkeit und hohe Verarbeitungsqualität. Diese Hürde nahm der Stuhl spielend, ist er doch trotz seiner Andersartigkeit klar mit den anderen Produkten des Hauses verwandt. Wichtig ist aber auch, dass ein Modell nicht allein bleibt, sondern dass er Teil einer Familie wird. So hat Horgenglarus in enger Zusammenarbeit mit den Architekten einen Barhocker und eine Bank entwickelt; ein Hocker könnte dereinst dazukommen. Während die Gestaltung der Bank relativ einfach war – im Prinzip ist sie ein in die Länge gezogener Stuhl ohne Lehne – war der Barhocker anspruchsvoller. Die grössere Höhe verändert die statischen Verhältnisse, und die relativ schwere Sitzfläche aus Massivholz legt den Schwerpunkt nach oben. Ein Schlüsselelement, das hilft, beide Probleme zu lösen, ist der eigens entwickelte Ring aus Gusseisen. Er sorgt für die Stabilität der Konstruktion, rückt den Schwerpunkt nach unten und bietet nicht zuletzt einen Ort, um die Füsse abzustellen.

Beim Barhocker rückte der Schwerpunkt nach oben. Der eigens entwickelte Ring aus Gusseisen sorgt für Stabilität.

Neben der Entwicklung der anderen «Familienmitglieder» beschäftigten sich die Konstrukteure auch mit der Optimierung des bestehenden Entwurfs. Äusserlich unterscheidet sich der Stuhl aus der Kollektion nicht von der anfänglichen Kleinserie. Da der Stuhl im Vergleich mit anderen in der Herstellung relativ aufwendig ist, suchte man nach Verbesserungen in der Produktion. An einigen Stellen ersetzte man die bisherige Handarbeit durch maschinelle Prozesse, beispielsweise bei der Formung der für Horgenglarus-Stühle charakteristischen Sitzmulde. Wie bei allen Stühlen von Horgenglarus lassen sich die einzelnen Teile ersetzen.

Der Name muss sitzen
Und wie kam der honette, also aufrichtige und ehrliche Stuhl «Honett» zu seinem Namen? «Das war ein langer Prozess», blickt Urs Tschopp zurück. Man suchte ein Wort, dass die traditionellen Werte eines Massivholzstuhls ausdrückt und vielleicht auch einen gewissen Bezug zum Schwarzwald hat, der ursprünglich ja der Auslöser für die Entwicklung des Stuhls war. Neben inhaltlichen Überlegungen spielen aber bei der Suche nach einem passenden Produktename auch formale Aspekte eine Rolle: Wie klingt das Wort auf verschiedene Sprachen? Hat es unbeabsichtigte Bedeutungen? Und wie reiht es sich in die anderen Produktenamen von Horgenglarus ein? Schliesslich fiel die Wahl auf ein altes deutsches Wort, das im 17. Jahrhundert aus dem französischen «honnête» entlehnt wurde. Die Bedeutung des Wortes widerspiegelt die Eigenschaften des Stuhls: rechtschaffen, anständig, ehrenwert. Ausserdem verweist der etwas antiquierte Begriff indirekt auf die traditionsbewusste Gegend des Schwarzwalds. Der Kreis zu den Anfängen des Projekts schliesst sich.

Die Einrichtung des «Rothaus» vereint die Moderne mit traditionellen Elementen. Foto: Martin Lorenz.

Die Rubrik Werkplatz ist eine Kooperation von Hochparterre mit ausgesuchten Firmen und Institutionen des Werkplatzes Schweiz.

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