Die Platzreserven sind begrenzt und die Leerstandsquote tief. Doch wie werden sich die Preise angesichts des prognostizierten Bevölkerungswachstums entwickeln? Ein immobilienökonomischer Blick.
Bis 2050 könnte Winterthur um weitere 30 000 Menschen auf rund 150 000 Einwohnerinnen und Einwohner anwachsen – so viele, wie heute in Lausanne als der viertgrössten Stadt der Schweiz leben. Doch die Platzreserven sind begrenzt, und mit einer Leerstandsquote von 0,1 Prozent ist der Wohnungsmarkt in Winterthur schon heute ähnlich angespannt wie in Zürich. Auch die Mieten steigen: um 10 Prozent allein in den vergangenen zwei Jahren und damit ebenso schnell wie in Zürich – wenn auch auf tieferem Niveau. Mit einer mittleren Angebotsmiete von rund 270 Franken pro Quadratmeter und Jahr liegt Winterthur heute auf dem Niveau von Basel, Bern und Luzern. Das ergibt eine monatliche Nettomiete von rund 1900 Franken für eine durchschnittliche 3-Zimmer-Wohnung. Das ist zwar rund ein Drittel weniger als in Zürich. Doch wie werden sich die Preise angesichts des prognostizierten Bevölkerungswachstums weiter entwickeln? Entscheidend wird sein, ob das Wohnungsangebot mit der Entwicklung der Nachfrage mithalten kann.

Von 2019 bis 2022 wurden in Winterthur jährlich durchschnittlich 660 Wohnungen neu gebaut – etwa gleich viele wie in Basel und deutlich mehr als beispielsweise in Luzern mit rund 380 neuen Wohnungen pro Jahr. Um den Bedarf von zusätzlich 16 000 Haushalten bis 2050 zu decken, muss diese Dynamik beibehalten oder sogar gesteigert werden. Dafür braucht es Fläche. Im kommunalen Richtplan setzt die städtische Wachstumsstrategie vor allem auf die Innenentwicklung, insbesondere die Verdichtung entlang der bestehenden Infrastrukturen zwischen Töss und Oberwinterthur. Eine Schlüsselrolle kommt dem Gebiet Winterthur Süd zu, das rund 17 Prozent des erwarteten Wachstums aufnehmen könnte. Im Gegensatz zu punktuellen Verdichtungen in gewachsenen Quartieren könnte hier grossmassstäblicher und mit einem geringeren Risiko von sozialer Verdrängung entwickelt werden. Wie wichtig es ist, die soziale Nachhaltigkeit zu berücksichtigen, zeigen die Erfahrungen aus Zürich, Basel oder Genf, wo die Innenentwicklung diesbezüglich zunehmend an ihre Grenzen stösst.

In Winterthur Süd könnten auch 6000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen – ein Zuwachs von rund 8 Prozent und mehr als die Hälfte des bis 2050 für die gesamte Stadt prognostizierten Beschäftigtenwachstums von heute rund 80 000 auf mehr als 90 000 Vollzeitäquivalente. Für die Entwicklung des Arbeitsplatzmarkts wird das Ausweiten des Flächenangebots allein nicht ausreichen. Und welchen kommerziellen und gewerblichen Nutzungsmix die Stadt tatsächlich realisieren kann, hängt von vielen Faktoren ab – nicht zuletzt von der Attraktivität des Wirtschaftsstandorts und dem Engagement jener Unternehmen, die sich hier ansiedeln.

Die Erfolge bei der Umnutzung ehemaliger Industrieareale zeigen, dass Winterthur Transformation gestalten kann. Diese innerstädtischen Reserven sind aber weitgehend aufgebraucht. Umso wichtiger ist es nun, wieder gross zu denken. Mit rund 150 000 Einwohnerinnen und Einwohnern bis 2050 könnte Winterthur dannzumal Bern als fünftgrösste Stadt der Schweiz ablösen. Das sind keine utopischen Visionen, sondern realistische Perspektiven mit beträchtlichen Herausforderungen, aber auch grossen Chancen. Sie zu nutzen ist weniger eine Option als vielmehr eine Notwendigkeit.