Konfrontiert mit einem mittelalterlichen Hauskomplex in Zug, haben Stefan Wülser Architekten einen klugen Prozess gestaltet. Für das Resultat erhalten sie den Hasen in Silber in der Kategorie Architektur.
«Denken spart Ressourcen»
Konfrontiert mit einem mittelalterlichen Hauskomplex in Zug, haben Stefan Wülser Architekten einen klugen Prozess gestaltet. Für das Resultat erhalten sie den Hasen in Silber in der Kategorie Architektur.
Fotos: Sven Högger
Im Herbst 2020 erwarb ein Paar das Haus an der Seestrasse 1 in der Zuger Altstadt. Beim Bieterverfahren gingen sie von einem Jahr Umbauzeit und überschaubaren Kosten aus. Sie wollten im Haus wohnen, im Erdgeschoss ein Kulturlokal einrichten und zusammen mit den international verstreuten Mitarbeitenden ihrer Firma wirken. Im Planerverfahren mit über 20 Architekturbüros überzeugte Stefan Wülser mit radikaler Ehrlichkeit: Niemand wisse, was hinter den Gipsplatten der 1980er-Jahre stecke, deshalb könne er kein Resultat versprechen, aber einen Prozess. Der sollte nicht ein Jahr, sondern vier Jahre dauern.
Heute bezeichnet ihr den Umbau als «Drei Projekte für ein Haus». Was ist damit gemeint? Stefan Wülser: Schon bei den ersten Untersuchungen realisierten wir, dass es sich nicht um ein Haus handelte, sondern um mehrere zusammengewachsene Häuser. Wir stiessen auf fehlende Wände, durchgerostete Stützen, morsche Balken. Nach diesen Schockmomenten war klar: Bevor man planen kann, sind ein sorgfältiger Rückbau und eine detaillierte Analyse des Bestands nötig. Nebst uns, der Denkmalpflege und der Bauforschung Mittelalter waren auch Bauphysiker, Massivbau- und Holzbauingenieure involviert. Dieser sozusagen transdisziplinäre Rückbau ist das erste Projekt, die «Dissektion», mit eigener Rückbaugenehmigung und eigenem Budget. Danach folgte die «Reparatur». Weil die Nutzungsverteilung bis ins dritte Jahr offen blieb, betrachteten wir die erst spät definierten, möbelartigen Eingriffe als «Aneignung».
###Media_2###
«Dissektion» ist ein medizinischer Begriff und meint unter anderem das Entfernen von Weichteilen. Warum nennt ihr diese erste Phase nicht einfach Rückbau? Wie bei einer Operation ging es um ein behutsames Abtragen in Schichten, damit wir uns an das Wesen des Problems herantasten konnten. Es gab zwar grobe Abbruchpläne, und es war klar, dass wir die Gipsplatten un...
E-Mail angeben und weiterlesen:
Geben Sie uns Ihre E-Mail-Adresse und wir geben Ihnen unseren Inhalt! Wir möchten Ihnen gerne Zugriff gewähren, obwohl dieser Beitrag Teil unseres Abos ist.