Ein Heutuch wird zum Sessel: Der Knopf aus Leder hält die vier Ecken zusammen.
Fotos: Lars Oer
Der Sessel ‹Summerfiber› ist mit Heu gefüllt, das sternförmig aus vier Löchern quillt, gefasst von einer zwei mal zwei Meter grossen Juteleinwand. Robert A. Wettstein hat den Sessel für eine Installation anlässlich der Architekturbiennale 2016 in Venedig entworfen.
Zwei kleine Falter fliegen hoch, als der Designer sich setzt. Im Raum riecht es würzig. Eingeladen dazu hatte ihn die Global Art Affairs Foundation, eine niederländische Non-Profit-Organisation, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Achtsamkeit gegenüber philosophischen Themen in der zeitgenössischen Kunst zu fördern.«Ich hatte Carte Blanche», sagt Wettstein. Das Setting habe er gewählt, um im venezianischen Palazzo Michiel das Alte neu zu denken. Und um Sehnsüchte zu wecken. Denn tatsächlich: Sobald einem der Heugeruch in die Nase steigt, erwachen Bilder von den einstigen Ferien auf der Alp oder vom Bauernhof, auf dessen Heuboden sich die jungen Katzen versteckten. Möbel, die auch den Geruchsinn ansprechen, haben den Designer bereits 2005 beschäftigt, er schuf eine Stuhlserie, die beim Sitzen Gerüche freisetzte. ‹Summerfiber› führt dieses Thema weiter. Dieses Mal transformiert Wettstein das Heutuch – ein im Alpenraum heute noch genutztes Transportmittel – und deutet es um in ein eigenständiges Produkt. Formal inspiriert hatte ihn eine Aufnahme von Albert Steiner, der um die Jahrhundertwende Bündner Bauern fotografierte.Es braucht Mut, einen solchen Sessel in einen historischen Raum zu platzieren. Wettstein bezeichnet es als radikalen Realismus. «Der Betrachter darf das Objekt aber auch politisch verstehen», sagt er. Im Palazzo schliefen die Bediensteten in ihren Kammern auf Heu, das der Designer nun in die Hallen des Adels holt. Doch schliesslich ist ‹Summerfiber› ein Gebrauchsgegenstand. Der Heuhaufen ist zum Sitzen weich und lässt sich nach den eigenen Bedürfnissen zurechtdrücken. Verkauft wird das Tuch gefaltet in einer Tyvek-Tasche, das Heu soll bei einem lokalen Bauer bezogen werden. Der Verschluss aus Leder, der die vier Ecken an Ösen zusammenhält, ist das einzige Detail, das Wettstein zusätzlich produzierte und mit dem er dem Sessel seine Marke a...
Liegen auf Heu
Der Sessel ‹Summerfiber› ist mit Heu gefüllt, das sternförmig aus vier Löchern quillt, gefasst von einer zwei mal zwei Meter grossen Juteleinwand. Robert A. Wettstein hat den Sessel für eine Installation anlässlich der Architekturbiennale 2016 in Venedig entworfen.
Lilia Glanzmann 09.02.2017 14:00