Sinn und Eigensinn

In Pontresina ist das Hotel Maistra frisch eingeweiht worden. Mal zeigt es sich eigenwillig, mal elegant, mal verstörend. Ein Streifzug durch Gion A. Caminadas neuesten Wurf.

Fotos: Ralph Feiner

In Pontresina ist das Hotel Maistra frisch eingeweiht worden. Mal zeigt es sich eigenwillig, mal elegant, mal verstörend. Ein Streifzug durch Gion A. Caminadas neuesten Wurf.

Ist er nun ein Klassizist? Die Fassaden, die der Vriner Architekt Gion A. Caminada für das Hotel Maistra 160 in Pontresina gezeichnet hat, haben Sockel, Pfeiler und Gesims. Der graublaue Gneis der Pfeiler ist massiv und trägt das Haus im Erdgeschoss. Er gliedert die Zimmergeschosse und krönt zuoberst als liegende Steinbalken das Kranzgesims aus Betonfertigteilen. Aber dann ist Schluss mit klassisch: Die Abstände der Pfeiler sind mal breiter, mal schmaler. Die Fassadenplatten dazwischen sind aus sandfarbenem Beton mit unregelmässiger Oberfläche. Der Architekt zieht viele Register, um den einfachen Hauskubus plastisch erscheinen zu lassen: Die Betonplatten hängen schräg; ihr unteres Ende steht vor und schützt die Deckenstirnen vor Schnee; je drei Schraubenköpfe machen die Befestigung zum Schmuck. Auch die Brüstungen der Zimmerloggien sind aus Beton gefertigt. Zwei auffällig gerundete Schlitze darin dienen der Entwässerung und als Gucklöcher in die Landschaft. Caminada ist vieles, aber Minimalist ist er nicht. ###Media_3### ###Media_11### Vielleicht ein Modernist? Alle vier Fassaden sind fast identisch, ob sie sich der Strasse, dem Tal oder den seitlichen Nachbarn zuwenden. Im Grundriss haben die Zimmeretagen die Form einer Windmühle: Eine Dreiergruppe von Hotelzimmern öffnet sich je zu einer Seite, und alle vier Gruppen drehen sich um einen Servicekern in der Mitte – effizient, von innen heraus gedacht, modernistisch. Die Zimmer sollten sich nach allen Seiten richten, sagt Caminada und zitiert den Tessiner Architekten Livio Vacchini: Ein öffentliches Gebäude sei ungerichtet. Für die Fassaden heisst das, dass nur ihre linke Hälfte aus den Loggien und Fenstern der Zimmer besteht; der rechte Teil ist geschlossen durch die Seitenwand eines Zimmers. Es knirscht beim Aufeinandertreffen von innen und aussen. Erste Erklärungsversuche laufen ins Leere: Ist der pragmatisch...

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