Eine modulare Trennwand für Menschen im Asylverfahren Fotos: Fiona Handermann, Reto Monigatti

Privatsphäre auf zwei Quadratmetern

Reto Monigatti und Fiona Handermann studieren in Basel Industrial Design und haben eine Trennwand entworfen, die Menschen in Asylverfahren Privatsphäre bietet. Im Campus-Beitrag stellen sie das Projekt vor.

Die steigenden Flüchtlingszahlen verknappen zunehmend den Raum in den Schweizer Asylunterkünften. Immer mehr asylsuchende Menschen müssen sich ein Zimmer teilen. Der persönliche Raum schrumpft, die Privatsphäre schwindet, das Konfliktpotenzial steigt. Um dieser Problematik entgegenzuwirken, haben wir in einer Projektarbeit an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Basel FHNW die modulare Trennwand ‹Misitu› entworfen. Sie verwandelt das Bett in einen persönlichen Raum und bietet Menschen im Asylverfahren somit Privatsphäre, Intimität und die Möglichkeit individueller Entfaltung.

Kaum Austausch mit der ansässigen Bevölkerung
Nach einer ersten Internet-Recherche haben wir festgestellt, dass wir das direkte Gespräch mit Expert:innen, Helfer:innen und Betroffenen suchen müssen. Ein erstes Gespräch mit einem Architekten, Produktgestalter und Mitarbeiter aus dem Bereich der humanitären Hilfe half uns eine grobe Vorstellung der kommenden Herausforderungen zu erhalten. In einem weiteren Gespräch mit der Asylkoordination des Sozialamts Basel-Stadt erfuhren wir, wie das Schweizer Asylwesens aufgebaut und organisiert ist.


Erste Bedürfnisanalyse anhand vorhandener Asylunterkünften

Von Skizzen über Modelle und Experimente im dreidimensionalen Raum…

…zum ersten Entwurf

Als nächstes besuchten wir das Wohnheim für unbegleitete minderjährige Asylsuchende (WUMA) in Basel. Dessen Leiterin berichtete uns über ihre Arbeit und den Alltag der unbegleiteten, minderjährigen Asylsuchenden. Dabei konnten wir uns die Unterkunft und einzelne Zimmer anschauen. Im ‹Café 103›, einem Treffpunkt, an dem Bewohner:innen der Asylunterkunft auf dem Basler Dreispitz-Areal und Anwohner:innen aus dem benachbarten Gundeldinger-Quartier zusammenkommen, unterhielten wir uns mit ehemaligen und aktuellen Bewohner:innen. So erfuhren wir mehr über ihre Lebensgeschichten und ihren Alltag und erkannten, dass leider kaum ein Austausch mit der ansässigen Bevölkerung stattfindet.

Abschirmen und durchlassen
Personen im Asylverfahren sind also einerseits gegenüber dem Einwanderungsland isoliert und andererseits innerhalb des Asylwohnheims permanent ausgestellt. Was vielen asylsuchenden Menschen fehlt, ist die Privatsphäre. Sie müssen ihr Zimmer mit fremden Menschen teilen und es treffen schwere Traumata, unterschiedliche Kulturen, Sprachen und Tagesroutinen aufeinander. Daraus ergibt sich ein Konfliktpotential, denn der einzig persönliche Raum beschränkt sich auf das Bett – eine Privatsphäre von zwei Quadratmetern. Mit dem Ziel, den persönlichen Raum zu erhöhen, sind wir in die Gestaltung übergangen. Unsere Lösung sollte einerseits abschirmen, andererseits aber auch eine gewisse Durchlässigkeit bieten. Personen im Asylverfahren müssen sich immer wieder an neue Wohnsituationen anpassen und leben in einem ständigen Provisorium. Die gestalterische Lösung sollte daher wertig und permanent wirken.


‹Misitu› ist in drei Funktionszonen aufgeteilt.

Die Trennwand besteht aus einem PET-Filz.

Die Trendwand ‹Misitu› schafft einen ‹Safe Space›.

Verbindung zu Familie und Heimat
Wir haben mit schematischen Darstellungen, Skizzen und Modellen im dreidimensionalen Raum experimentiert. Aufgrund einer Bedürfnisanalyse haben wir verschiedene Volumenkörper und erste Prototypen entworfen. Unsere Lösung ‹Misitu› – zusammengesetzt aus ‹mi› und dem lateinischen Begriff ‹situ› für Ort – besteht aus rezyklierten PET-Filzplatten. Das Material absorbiert den Schall, reguliert das Raumklima und lässt sich einfach reinigen. Die Behälter sind aus demselben Material, damit sich auch der Innenraum weich anfühlt und die Herstellung möglichst simpel bleibt. Durch eine einfache Steckverbindung aus Holz lassen sich die einzelnen Körper flexibel an einem Bett anbringen, ohne dass der liegenden Person zu viel Platz genommen wird. Die Benutzer:in bleibt vor fremden Blicken und dem Geschehen im Zimmer geschützt, ohne dass im Innenraum ein Engegefühl entsteht. Geflüchtete Personen besitzen wenig, was sie besitzen, hat umso grössere Bedeutung. Ein Schlüsselobjekt ist das Smartphone als Verbindung zur Familie und zur Heimat. Einer der drei Volumenkörper lässt sich daher abschliessen, damit das Handy ohne Angst vor Diebstahl geladen werden kann.


Die Trennwand ermöglicht die verschiedenen Tagesabläufe und Aktivitäten der einzelnen Bewohner:innen.


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