Im Textilmodul hat Nicola Schäfer einen Badeanzug für transfeminine Körper entworfen und genäht.

«Die Vielfalt der Erfahrungen soll in meinen Arbeiten spürbar sein»

Nicola Schäfer studiert im dritten Semester ‹Trends & Identity› an der ZHdK. Im Interview spricht sie über ihre gestalterische Arbeit zwischen Konzept, Handwerk und gesellschaftlicher Dringlichkeit.

Wie nimmst du die Gesellschaft wahr, in der wir leben?
Nicola Schäfer: Als eine Gesellschaft der Gegensätze: am selben Tag, an dem ich einen Fortschritt erkenne, scheinen wir auch einen Schritt zurückzumachen. Dinge wandeln sich zum Besseren, zugleich verspüre ich Ohnmacht und Verständnislosigkeit. Diskussionen und Auseinandersetzungen werden heute harsch und schnell geführt. Zu schnell vielleicht. Das Internet verstärkt diese Dynamik von Aktion und Reaktion. Viele Menschen sind auch persönlich in der Krise.

Ist die gestalterische Arbeit für dich ein Weg, die Welt zu verstehen?
Gestaltung ist für mich eine Form der Auseinandersetzung mit den Themen, die mich im Leben beschäftigen. Das findet oft im kleineren Massstab statt. Wichtig ist mir der persönliche Zugang. So kann ich überzeugend sprechen und gestalten. Ich finde es spannend, wenn mir die Dinge nahe sind.


Notizen aus dem Projekt ‹Bereit zur Landung›, das sich mit dem Thema Migration auseinandersetzt.

Wie startest du in ein neues Projekt?
Meist denke ich erst viel zu gross, gerade auch für den Umfang der Arbeiten, die im Studium möglich sind. Dann breche ich das Thema runter, schärfe meine Ideen und es wird konkreter. Vieles entsteht aus Gesprächen mit Menschen aus meinem Umfeld. Ideen fermentieren, tauchen ab und wieder auf. Oft komme ich so auf eine Lösung, die mich überzeugt.

In deiner jüngsten Arbeit beschäftigst du dich mit dem Thema Migration.
Mein Interesse daran begründet sich einerseits biografisch, da ich in Chile aufgewachsen und für das Studium an der ZHdK in die Schweiz gezogen bin. Andererseits arbeite ich am Flughafen Zürich im Service. Viele meiner Arbeitskolleg:innen haben eine Migrationsgeschichte. Der Flughafen ist ein Mikrokosmos, in dem sich die komplexen globalen Verhältnisse verdichten. Die Infrastruktur ist für den Transit bestimmt, Menschen und Waren sind auf der Durchreise. Gleichzeitig gibt es ein eigenes Asylzentrum, mit einem spezifischen Verfahren. Da werden Menschen bis zu einem Monat festgehalten, bis über ihr Gesuch entschieden wird. Solche Geschichten interessieren mich.


Die Papierblume als Produkt in Kleinserie aus dem ‹Meet me at the Market›.

Mit welchen Mitteln hast du dich dem Thema angenähert?
Meine Arbeit ist ein Beitrag zum Modul ‹Migration Design›, in dem die Studierenden unterschiedliche Herangehensweisen und mediale Formen gewählt haben. Ich habe mit vier Personen ausführliche Interviews geführt, die unter dem Titel ‹Bereit zur Landung› publiziert wurden. Die Vielfalt der Menschen und ihrer Erfahrungen soll spürbar sein. In der Einleitung erläutere ich das Konzept und meinen eigenen Hintergrund.

Die Fachrichtung ‹Trends & Identity› ist breit aufgestellt. An welchen Projekten hast du sonst noch gearbeitet?
Im Textilmodul ging es darum, auf die Themen Gender und Diversität eine gestalterische Antwort zu finden. Ich habe einen Badeanzug für transfeminine Körper entworfen und genäht. Es war schön daran zu arbeiten, weil ich gerne mit meinen Händen denke, fühle, ausprobiere und herstelle. Als Transperson kann ich den Badeanzug zudem auch selbst tragen. Im Modul ‹Meet me at the Market› sollten wir ein Produkt entwerfen und in Kleinauflage herstellen. Die Papierblumen, die dabei entstanden sind, entspringen einem ästhetischen Interesse und weniger einem Konzept. Durch das Studium habe ich gemerkt, dass mich das Handwerk besonders anzieht.


Der Badeanzug für transfeminine Körper gestalterische Antwort auf die Themen Gender und Diversität

Wie geht es für dich weiter?
Ich möchte so viel wie möglich ausprobieren. Ich sehe das Studium als Baukasten, der mich auf den Berufsalltag vorbereitet. Längerfristig möchte ich eine Arbeit machen, die einen positiven Impact hat und mir Raum gibt, mich mit unterschiedlichen Themen zu beschäftigen.


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