Der Palazzo della Civiltà Italiano im Römer Quartier EUR.

Antikes Re-Use

Erstaunlich, welche Themen des heutigen Architekturdiskurs bereits in der Antike bestanden, schreibt Daniel Stefan Linz in seinem Campus-Bericht über die Studienreise der Berner Fachhochschule nach Rom.

Alle Wege führen nach Rom. So auch unserer in einer der ‹Specialweeks› dieses Herbstsemesters. Wir waren eine gemischte Gruppe von Studierenden aus den Fachbereichen Architektur, Holz und Bauingenieurwesen. Während den vier fussbelastenden Tagen erkundeten wir nahezu alle Ecken der italienischen Hauptstadt – vom Kolosseum zum Pantheon, vom Lateran zum Vatikan, vom Trevi-Brunnen zum Stadtviertel EUR. Wir erfuhren von der Gründung Roms in der Antike über die baulichen Entwicklungen bis zum Rationalismus des faschistischen Italiens und vielen Anekdoten, was die Stadt zu dem formte, wie wir sie vorfanden.

 

Der Blick vom Kapitol zum St.Peter.

Die Betondecke des Pantheons.

Für uns war erstaunlich, welche Themen, die wir aus dem heutigen Architekturdiskurs kennen, bereits damals bestanden. Eines davon war die starke Verdichtung. In der antiken Millionenmetropole war das Zentrum von mehrstöckigen Mietshäusern besiedelt. Oftmals waren diese von minderer Qualität. So war es keine Seltenheit, dass bei einem Erdbeben eines dieser Wohnhäuser zusammenbrach. Die freie Parzelle lies nun eine noch dichtere Bebauung von bis zu acht Stockwerken zu.

Interessant waren besonders die Veränderungen, welche die Bauwerke über die Jahrhunderte mitmachten. Sie wurden erweitert, angepasst, umgenutzt und sogar versetzt, eine Basilika zur Kirche umgenutzt oder Gebäude aufgrund des steigenden Strassenniveaus vertikal erweitert. So entdeckten wir an vielen Häusern Elemente von früheren Bauwerken. Heute würden wir von Re-Use sprechen. Baumaterial war in der Antike rar und geschlagener Stein ein arbeitsintensives Gut. So waren fertige Bauteile ein gefundenes Fressen für jegliche Bautätigen, sei es der päpstlicher Baumeister oder ein Magnat. Es war keine Seltenheit, dass ungenutzte Gebäude nur wegen des Materials abgebaut wurden.


Gasse bei der Piazza Navona.

Die Trajansmärkte

Der Palazzo della Civiltà Italiano im Römer Quartier EUR.

Diese Thematik des Umgangs mit Bauteilen könnte eine interessante Anekdote im aktuellen Architekturdiskurs sein. Die Einfachheit der damaligen Kern-Bauelemente hat eine unkomplizierte Wiederverwendung zugelassen. Bei den heutigen auf den Einsatzort optimierten Bauteilen ist zwar der Kosten-Nutzen-Faktor und Materialverbrauch optimal, aber bei den kurzen Nutzungsdauern der aktuellen Gebäude vielleicht fehl am Platz.


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