Ressource und Region
Zu den ersten Aufträgen des Studio Noun aus Zürich gehören ein Haus und ein Regal, die nur aus Holz bestehen. Künftig wollen die Architekten auch den grossen Massstab ressourcengerecht aufmischen.
Ein Holzhaus ohne Leim, Dämmstoff oder Bauschaum: In Unterwasser im Toggenburg haben die Architekten Philipp Schaefle und Hendrik Steinigeweg ein Haus aus den 1970er-Jahren ersetzt und dabei auf alle Materialien verzichtet, die die Umwelt belasten. Auf die alte Garage stellten sie eine Vollholzkonstruktion, die nur aus verdübelten Brettern besteht. Die Technik verbindet Low- und Hightech, Gestern und Heute. Das gilt auch für die Architektur. Das Abwurfdach über dem Bandfenster erinnert an die Bauernhäuser der Region, aber mit zeitgenössischem Schwung. Innen ist unbehandeltes Holz, wohin man blickt. Die Fensterlaibungen zeigen den Wandaufbau didaktisch, an den Wänden werden die Dübel zum Ornament. Selbst die Lampen, die ringförmig in die Bretterlagen eingelassen sind, machen klar: Das ist ein Holzhaus ohne Kompromisse. «Wir wollen Position beziehen und frische Ansätze entwickeln aus all den Themen, die auf unsere Generation zukommen», sagt Schaefle. Klima- und Ressourcenfragen spielen dabei eine zentrale Rolle. Die Pandemie habe aber auch die Neugierde der Bauherren für gesundes Wohnen geweckt.
Selbst die hölzernen Griffe der Schränke sind wie Schrauben nur ins Holz gedreht. Die Architekten spannten dafür mit der Schreinerei Lindauer zusammen. Aus der Kollaboration entstand ein modulares Regalsystem. Dessen Bretter sind bloss zusammengeklickt und werden zwischen die ineinander geschraubten Stäbe geklemmt. 15 Prototypen haben die Architekten verkauft, nun soll der Entwurf in Serie gehen. Die Zusammenarbeit mit dem Schreiner teilen sie hälftig auf, betonen die beiden. Schon ihr Büroname, Studio Noun, soll erklären: Die Personen, die Egos stehen nicht im Vordergrund.
Aus dem gleichen Holz
Der gelernte Hochbauzeichner Steinigeweg studierte an der Hochschule Konstanz, Schaefle an der ETH Zürich. Die beiden lernten sich bei Herzog & de Meuron kennen, wo sie unter anderem an der Bergstation auf dem Chäserrugg gearbeitet haben. «Wir kommen aus der gleichen Schule», sagt Steinigeweg. Die Arbeit im Toggenburg führte zu Kontakten, an die sie anknüpfen konnten, als sie 2019 ihr Büro in Zürich gründeten. Die beiden arbeiten in einem kleinen Atelier mitten im Hochschulquartier, letztes Jahr haben sie den ersten Mitarbeiter eingestellt.
Das Erstlingswerk in Unterwasser führte zu weiteren Um-, Ein- und Anbauten in der Region. Holz spielt dabei eine wichtige Rolle, aber nicht nur. «Wir sind auf der Suche nach Alternativen zu Beton und XPS-Dämmung», so Steinigeweg. Das ökologische Bauen müsse massentauglich werden, dafür brauche es eine zeitgemässe Architektur. «Das ist unsere Aufgabe.» Die beiden artikulieren gut, begründen genau. Zwei, die wissen, was sie wollen. Der ländliche Raum ist ihnen wichtig. Mit all den Fragen, die über die Konstruktion hinausgehen, etwa zum Erhalt der zerfallenden Ställe oder zur Zukunft des Einfamilienhauses.
Die Architekten arbeiten an weiteren Umbauten, am Walensee oder in Frankreich. Doch die kleinen Aufträge bedeuten viel Engagement für wenig Bauvolumen. Schaefle ist Anfang Jahr zum zweiten Mal Vater geworden, auch die Familie braucht Zeit. Die Architekten reizt der grosse Massstab im urbanen Raum. Sie hoffen auf einen Wettbewerbssieg für eine Schule oder eine Wohnsiedlung. Auch dort setzen sie auf nachhaltige Materialien wie Holz. Das ressourcengerechte Bauen hat viel Potenzial, mit dem das Studio Noun mitwachsen kann.
In der Rubrik ‹Wilde Karte› präsentieren Hochparterre, Zürcher Ziegeleien und Eternit jedes Jahr vier ausgewählte Architekturbüros, deren Gründer unter 40 sind. Am 15. September wetteifern die vier Büros im Zentrum Architektur Zürich um einen Platz bei einem eingeladenen Architekturwettbewerb.