Mit Material entwerfen

Das Basler Büro Neume entwirft von der Lampe bis zum Shedhallen-Umbau. Im Zentrum stehen das Material und seine Auswirkungen auf Mensch und Umwelt.

Fotos: Daisuke-Hirabayashi

Das Basler Büro Neume entwirft von der Lampe bis zum Shedhallen-Umbau. Im Zentrum stehen das Material und seine Auswirkungen auf Mensch und Umwelt.

Das Atelier Neume im Videoporträt.

Wer das Atelier Neume im Basler St.-Johann-Quartier finden will, muss suchen. Auf der Eingangstür prangt noch der alte Name des Büros, das Balàzs Földvàry und Marie-Annick Staehelin 2017 gegründet haben. Földvàry stammt aus Budapest, Staehelin ist in Lausanne geboren. Kennen gelernt haben sich die zwei während des Studiums an der Fachhochschule in Basel. Als Melchior Füzesi dazustiess, benannten sie das Büro in ‹Neume› um, Schweizerdeutsch für «irgendwo». «Das passt», sagt Melchior Füzesi. «Es ist undefiniert und definiert zugleich.» Er bringt als gelernter Hochbauzeichner viel Praxiswissen mit. Neume übernimmt die Bauleitung meistens selbst. «Das ist wichtig, damit wir die Details so bauen können, wie wir sie geplant haben», sagt Staehelin. Für die drei gehört alles zur Architektur, egal ob Entwurf oder Baubuchhaltung.

In Frankreich hat das Büro Neume ein autarkes Ferienhaus gebaut. (Foto: Daisuke-Hirabayashi)

Holz prägt das Gebäude aussen wie innen. (Foto: Daisuke-Hirabayashi)

Bisher ist Neume mit Direktaufträgen zu Projekten gekommen. «Unsere Wettbewerbsbeiträge endeten bisher alle in ‹broken dreams›», scherzt Füzesi. In Frankreich hat das Büro ein autarkes Ferienhaus aus Holz gebaut. Später kamen Aufträge aus der Basler Gastroszene hinzu. Im sanierten Westflügel des SBB-Bahnhofs in Basel richtete Neume ein Restaurant mit Bar ein und entwarf dafür Lampen, Tische und Sitzmöbel. Für einen Club planten die drei eine Lichterdecke, die sie aus Holzkisten konstruierten, die mit Velours-Stoff verkleidet sind.

Aktuell baut Neume einen Gebäudekomplex rund um einen Gewerbehof in Basel um.

Die Architekten bauen darin zum Teil Wohnungen ein.

Aktuell baut Neume einen Gebäudekomplex rund um einen Gewerbehof in Basel um. «Der grosse Auftrag erlaubt uns mehr Freiheiten für kleinere Projekte», sagt Staehelin. Das Büro bewarb sich für den Schweizer Pavillon an der Biennale in Venedig 2023. Das Projekt schaffte es knapp nicht auf den ersten Rang, nun wollen die drei es auf eigene Faust realisieren. Mit Betonwandteilen, die aus einem Abbruchhaus ausgeschnitten werden, wollen sie ein kleines Gebäude bauen. Die Wiederverwendung von Beton ist noch wenig erforscht, weshalb Neume mit der EPFL zusammenspannt. Auch gestalterisch wollen sie weiter gehen: keine wilde Collage, sondern schöne Strukturen. «Re-use muss nicht unästhetisch sein», sagt Földvàry. Die drei wollen das architektonische Potential von Re-use erkunden.

Zweischalige Lehmfassade

Dieses Jahr hat das Büro in Basel ein Wohnhaus fertiggestellt, bei dem die Architekten selbst Teil der Bauherrschaft waren. Sie gründeten mit anderen eine Genossenschaft und bewarben sich für eine Parzelle auf dem Lysbüchel-Areal, die die Stiftung Habitat im Baurecht abgibt. So kamen die drei zu einem Auftrag – und je zu einer neuen Wohnung. Ihr Gebäude ist der einzige Massivbau am Blockrand. Die zweischalige Fassade aus Lehmsteinen verleiht ihm aussen und innen eine direkte Präsenz. Nur zwei weitere Materialien prägen die 2,7 Meter hohen Räume: der Sichtbeton der Decken und Wände sowie das Holz, aus dem alle Einbauten und sogar die Rollläden konstruiert sind. Die Architektinnen holten nicht nur räumlich viel heraus aus der schmalen Parzelle. Die Dachterrasse mit Blick über halb Basel steht der gesamten Bewohnerschaft offen. In der Gemeinschaftsküche finden Feste statt, das Gästezimmer können alle im Haus nutzen. Pro Geschoss teilen sich jeweils zwei Wohnungen Reduits.

Der Neubau von Neume auf dem Lysbüchel-Areal in Basel ist der einzige Massivbau am Blockrand. (Foto: Daisuke-Hirabayashi)

Nur zwei weitere Materialien prägen die 2,7 Meter hohen Räume: Sichtbeton und Holz. (Foto: Daisuke-Hirabayashi)

Grundriss


Im Atelier von Neume stehen fast keine Modelle. «Wir hatten dafür bisher keine Zeit», sagt Földvàry. Schneller geht es mit 3D am Computer. Künftig will Neume mehr am physischen Modell entwerfen. Das Büro ist auf dem Sprung. Dieses Jahr stellt Neume neben der Praktikantin die erste Mitarbeiterin ein. Doch das Wachstum soll natürlich sein, betont Füzesi. «Wir wollen in die Aufgaben hineinwachsen und uns nicht überfordern.»

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