Mistelbaum und Metallbaukunst
Die Romands Comte/Meuwly fotografieren Alltägliches und schweissen Modelle, bauen einen Baum aus Stahl und ein Haus, das den Garten spiegelt.
Der typische Startergroove: Pläne an den Wänden, Architekturmodelle, eine Tischgruppe mit Laptops darauf. Kein Plotter, keine stationären Computer, kein Festnetz. Coffee and cigarettes. Für ein paar hundert Franken monatlich arbeiten Adrien Comte und Adrien Meuwly in einem Gewerbebau gleich neben der Autobahn in Zürich-Schwamendingen, der 2020 abgerissen wird. Mit zwei Angestellten und weiteren Architektenkünstlern teilen sie sich das geräumige Atelier und die gut ausgestattete Werkstatt mit eigenem Schweissgerät. Die Mitte des Raums bleibt frei, damit man hier auch mal grössere Modelle bauen kann. Mit Modellen und Alltagsfotografien beginnen die beiden Adriens ihre Entwürfe, egal, ob es sich um Lampen oder Möbel, Installationen oder Häuser handelt. Früher schossen sie ihre ‹images quotidiennes› analog, heute mit dem Smartphone en passant.
Am Tisch erzählen die beiden, wie sie sich an der EPFL kennenlernten, gemeinsam nach Zürich gingen, den gesamten Master zusammen entwarfen und dann bei unterschiedlichen Professoren diplomierten: Adam Caruso und Christian Kerez, vermeintlich konträre Welten. Entspannt erklären Comte und Meuwly ihr bisheriges Werk, dabei hätten sie allen Grund, gestresst zu wirken. Zwei Tage zuvor präsentierten sie bei den Swiss Art Awards in Basel. Tags darauf werden sie ihre Intervention an den Lausanne Jardins errichten. Für Basel entwarfen sie eine filigrane Stahlstruktur, die das umlaufende Galeriegeschoss der alten Halle verbindet, eine kleine Plattform schafft und zwei Flächen aufspannt, pink gewölbt und transparent glatt. Dass die Jury nicht wusste, was ihr Vorschlag genau will, amüsiert die beiden Architekten. In Lausanne bauen sie einen künstlichen Baum, ein stählernes Dreibein mit Wellblechdach und einer mit Misteln bewachsenen Kugel aus Armierungsstahl. ‹parc de l’amour éternel› tauften sie das Projekt. Aufgerichtet wird es am Tag der Eröffnung. Eine einzige Schraube verbindet die drei Beine.
Direkt konstruierte Einraumerweiterung
Seit die beiden 2017 ihr Atelier gleich nach dem Diplomsemester gründeten, haben sie schon ein paar Umbauten realisiert und mehrere Möbel gebaut. Ihr erster Neubau ist frisch bezogen: die Erweiterung eines Prefab-Chalets aus den 1910er-Jahren, das am Genfer Stadtrand auf einer schmalen Parzelle am Gleisfeld steht. Ein Paar kaufte es mit der Absicht, es zu erweitern und ein Jahr später einzuziehen. Es liess sich verschiedene Jungarchitekten empfehlen, um einen kleinen Wettbewerb zu veranstalten. Die zwei Adriens überzeugten sie aber, dass es genüge, wenn sie ihnen drei verschiedene Vorschläge machten.
Das ‹permanent weekend house› spinnt den Ort weiter. Mit einem Fussabdruck von 25 auf 4 Metern legt es sich in die Parzelle. Der Rahmenbau ist aus Holz wie das bestehende Chalet, dessen Dachneigung es exakt übernimmt. Den Eingang verlegten die Architekten auf die frühere Veranda. Betritt man das Haus nun, überblickt man den langen Raum, über einen Schrank und eine Badezimmer-Box hinweg, und durch ein kreisrundes Fenster. Die Einraum-Erweiterung steht auf einem Betonsockel. In gleichmässigem Rhythmus platzierten die Bauarbeiter die schwarz gestrichenen Holzrahmen darauf, dann kamen die innen liegenden Wandelemente, alternierend geschlossen oder mit einem Fenster bis an den Boden. Nach einem Tag war das Haus aufgestellt. Warum Wellblechdach und Aluminiumfassade? Adrien Comte und Adrien Meuwly verwenden häufig Metall, denn es ist leicht, stark und präzis. Hier aber sollte sich der Garten im Tageslicht spiegeln, die Grenze zwischen Haus und Umgebung verwischend.
In der Rubrik ‹Wilde Karte› präsentieren Hochparterre und Velux jedes Jahr vier ausgewählte Architekturbüros, deren Gründer unter 40 sind. Am 25. September wetteifern die vier Büros im Zentrum Architektur Zürich um einen Platz bei einem eingeladenen Architekturwettbewerb.