Die Architekten Lukas und Nadja Frei arbeiten in Deitingen in einem ehemaligen Frauengefängnis. (Foto: Luisa Duppenthaler)

Dorfgemeinschaft stiften

Luna productions kümmert sich in Deitingen um öffentliche Räume in der Peripherie. Als Dorfarchitekten wollen Lukas und Nadja Frei aber nicht abgestempelt werden.

Am Rand von Deitingen steht ein ehemaliges Frauengefängnis neben einer Schreinerei, dahinter franst das Dorf mit Einfamilienhäusern aus. Abgesehen von Heinz Islers Schalen, die sich auf der nahen Autobahnraststätte wölben, würde man hier keine Architektur erwarten. Doch das täuscht. Auf dem kleinen, weissen Schild auf der verwitterten Tür steht ‹Luna productions›. Dahinter verbirgt sich kein Filmstudio, sondern das Atelier von Lukas und Nadja Frei. Die beiden haben sich Anfang Jahr neben der Werkstatt eines Bühnenbildners im Erdgeschoss eingenistet, im luftigen Obergeschoss wohnen sie mit ihren beiden Kindern.

Lukas Frei trägt den Jüngsten auf dem Arm, während er vom Beginn erzählt. Die beiden Anfangsdreissiger studierten an der Fachhochschule in Burgdorf und arbeiteten bei Guido Kummer + Partner Architekten in Solothurn, sie als Mitarbeiterin, er als Praktikant. Als sie im Büro gemeinsam einen Wettbewerb gewannen, fassten sie den Mut, ihr Glück selbst zu versuchen. Sie gründeten ihr Büro in Deitingen, wo Lukas Frei aufgewachsen ist. Das Dorf, die Peripherie liegt beiden am Herzen. «Auf dem Land wird viel Schlechtes gebaut», sagt Nadja Frei. «Die wenigsten Architekten kümmern sich darum.»

Studie «Bauen im Dorf»: Die Häuser rücken nahe an die Strasse.

Die Architektin untersuchte schon für ihre Diplomarbeit, wie ihr Heimatort Hermiswil verdichtet werden könnte, ohne den Hüsli-Massstab zu sprengen. Nun arbeitet das Büro an einer Studie für die Gemeinde. Die Architekten platzieren die Ein- und Zweifamilienhäuser mit Vorplätzen eng an der Strasse und lassen dafür rückseitig viel Grünraum für alle frei. Allmende- statt Gärtlidenken. Zudem sollen Atelierwohnungen Arbeiten und Wohnen verbinden. Nadja Frei plant seit mehreren Jahren am Projekt, die politischen Mühlen mahlen langsam. «Wir haben ortsbaulich viel gelernt, was uns bei anderen Projekten geholfen hat», sagt sie. Die beiden Architekten sind zuversichtlich, dass sie die künftigen Bauherren von der dörflichen Nähe überzeugen können. Schliesslich schaffen sie Öffentlichkeit, wo andere nur in die Garagen fahren.
 

Wohnhaus Deitingen. (Fotos: Mark Drotsky)

Vorplatz für den Alltag

Wie diese Gemeinschaft zustande kommt, erklären sie auf der anderen Seite der Strasse. Für die benachbarte Schreinerei haben die Architekten vier Wohnungen gebaut. Ein Knick bricht den Massstab herunter und spannt mit dem Veloschuppen einen kleinen Platz auf. Man wohnt hier ‹vis-à-vis›, so der Projekttitel. Die parkierten Kinderautos und die Kreidezeichnungen am Boden verdeutlichen: Die Architektur ist nah am Alltag. «Wir wollen, dass möglichst viel passiert», sagt Lukas Frei. Um die Gemeinschaft zu fördern, haben die Architekten die Küchen auf der Platzseite angeordnet. Eine 5-Zimmer-Wohnung misst sparsame 106 Quadratmeter. Die Architektur ist reduziert und bodenständig: grober Beton, sägerohes Holz, Kalksandsteinwände. Eine kleine ‹Folie› haben sich die jungen Architekten trotzdem erlaubt. Einen Baum, der dem Neubau weichen musste, funktionierten sie kurzerhand zur Stütze um. Natur wird Architektur.

Wohnraum mit Küchenzeile.

‹Luna productions› kümmert sich um das Land, als Dorfarchitekten wollen die beiden aber nicht abgestempelt werden. In Solothurn schafften sie es beim Wettbewerb für das Schulhaus Brühl in die Schlussrunde, beim Wettbewerb für die Schulanlage Vorstadt auf den zweiten Rang. Neben den Plänen, die Lukas Frei erklärt, hängen Kinderzeichnungen an der Wand. Lukas und Nadja Frei wollen künftig achtzig Prozent arbeiten, Familie und Beruf verbinden. «Wenn die Kleinen im Bett sind, setzen wir uns nochmals an den Entwurf.» Seit letztem Jahr unterstützen zudem zwei Mitarbeiterinnen den Familienbetrieb.

In der Rubrik ‹Wilde Karte› präsentieren Hochparterre und Velux jedes Jahr vier ausgewählte Architekturbüros, deren Gründer unter 40 sind. Am 25. September wetteifern die vier Büros im Zentrum Architektur Zürich um einen Platz bei einem eingeladenen Architekturwettbewerb.

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