Bauen als Weltverbesserung

Noch vor dem Diplom gewannen sie einen offenen Wettbewerb. Das Bezirksgericht ist aus Holz gebaut, raffiniert organisiert und lässt sich erweitern und demontieren. Gestatten: Koya von der Wilden Karte 2022.

Noch vor dem Diplom gewannen sie einen offenen Wettbewerb. Das Bezirksgericht ist aus Holz gebaut, raffiniert organisiert und lässt sich erweitern und demontieren. Gestatten: Koya von der Wilden Karte 2022.

Kaspar Brütsch, Luca Riggio und Luca Ugolini von Koya.

Ein Jahr nach der Gründung haben Kaspar Brütsch, Luca Riggio und Luca Ugolini noch kein Logo, dafür aber einen Namen: Koya leitet sich von ‹Koyaanisqatsi› ab, einem Experimentalfilm aus den 80er-Jahren. Untermalt von treibender Musik wechseln sich darin Naturszenen und Aufnahmen von Umweltzerstörung durch den Menschen ab. ‹Koyaanisqatsi› stammt aus der Sprache der Hopi-Indianer und bedeutet: ein Zustand, der nach Veränderung ruft.

Das Trio von Koya. (Foto: Anne Morgenstern)

Das Büro Koya will die Ökokrise bewältigen. Richtig aufgewacht sind die drei Gründer, die sich anfangs 30 befinden, in der Zeit von ‹Fridays for Future›. 2021 deutete Luca Ugolini das Thema seines ETH-Mastersemesters um: Er inventarisierte Bauteile, die aus Abrisshäusern in der Stadt Zürich stammten und entwickelte einen logistischen Prozess. Kurzerhand kippte er das EWZ-Projekt von Meili, Peter & Partner und integrierte die Nutzung in seinen Entwurf aus alten Bauteilen. Das Studentenprojekt sieht frisch aus, ein wenig technoid gar. «Ich wollte keine Bastelei planen, aber das ist nicht einfach», sagt Ugolini. «Denn Re-Use heisst, mit dem Durcheinander des globalen Kapitalismus umzugehen.» Kaspar Brütsch wird nachdenklich: «Ob wir als Menschheit die Kurve kriegen? Im heutigen System kommen wir leider vor allem technisch voran. Aber Kapitulation ist keine Alternative. Wir müssen umtriebig bleiben.» Und umtriebig war Koya.

Als Diplomprojekt entwarf Luca Ugolini von Koya ein gewaltiges Bauteilzentrum am Gleisfeld im Westen Zürichs.

Auch innen wirkt es frisch und industriell, von Bastelei keine Spur.

Die Struktur ist flexibel. Die Kerne liegen aussen. Das Lager umringen Werkstätten zur Aufbereitung der alten Bauteile.

Auch das Haus selbst besteht aus alten Bauteilen, die von verschiedenen Abbruchobjekten aus der Stadt Zürich stammen.

Wo nötig ergänzt neues Baumaterial (schwarz) das alte (grün).

In den Semesterferien 2021 zeichnete das Büro einen Wettbewerb. Das Resultat: weder Rang noch Ankauf, sondern erster Platz. Flugs mussten die drei von unterschriebenen Arbeitsverträgen zurücktreten, eine Firma gründen und sich für ein 30-Millionen-Projekt aufstellen. Das kantonale Hochbauamt Zürich, das den Wettbewerb für das Bezirksgericht Hinwil offen ausgeschrieben hatte, musste sich an den Gedanken gewöhnen, mit Architekten ins Boot zu steigen, die noch nicht einmal fertig studiert hatten. Doch immerhin sind alle drei gelernte Hochbauzeichner mit mehreren Jahren Berufserfahrung. Zusammen mit einem früheren Arbeitgeber gründeten sie eine Arbeitsgemeinschaft. «Das ist nicht das kantonal vertraute Modell des Baumanagements», sagt Luca Riggio, «aber wir kennen uns, das ist eine gute Ausgangslage.»

Mit ihrem Anspruch, alles voll aufs Thema Klima zu trimmen, ist Koya ein Haus gelungen, das kaum schlüssiger sein könnte. Der Langbau an der Hangkante oberhalb des Hinwiler Bahnhofs schafft einen Vorplatz. Die Gerichts- und Büronutzungen liegen abwechselnd übereinander. Eine Doppelhelixtreppe und Gänge an der Rückfassade trennt die Wege von Gerichtsarbeiterinnen, Angeklagten und Anwältinnen. Die Kerne und zwei Betonscheiben steifen den Holzbau aus. Die Stützen, Balken und Brettschichtplatten mit Schüttung sind demontierbar. Die Stirnfassade kann man mit der Erweiterung in ein paar Jahren verschieben. Die Haustechnik verteilt sich an den Längsseiten, wo es keine Unterzüge gibt. Das Gericht befindet sich noch nicht einmal im Bau, und schon denken die drei weiter: Wäre ein Satteldach besser gewesen? Hätten wir mehr auf Lowtech setzen sollen? Was, wenn die Bauherrschaft Gips- statt Lehmbauplatten will? Wie auch immer alles endet: Koyaanisqatsi ist Teil einer Trilogie. Auch bei Koya dürfte ein gutes Sequel folgen. Obwohl sie unisono sagen: «Nicht zu bauen, ist oft die beste Lösung.»

Statt eines Achtungserfolgs gewannen Koya beim offenen Wettbewerb für das Bezirksgericht Hinwil direkt den ersten Platz.

Bis auf die geschwungenen Betonkerne ist das Projekt ein geradliniger Holzbau.

Der Korridor zum Vorplatz und die Wandelhalle im Rücken des Hauses sowie die Doppelhelixtreppe entflechten die Wege jener, die nur im Gerichtssaal aufeinander treffen dürfen.

Die Bürogeschosse wechseln sich mit den Gerichtsgeschossen ab. Rechts im Plan die vorausgedachte Erweiterung um zwei Achsen.

Die Fassaden sind modular und additiv gebaut, sprich: demontierbar für die Erweiterung und  den Rückbau in ferner Zukunft.

Kommentare

Kommentar schreiben