Sign of the cool: die planimetrische Darstellung
Das junge Architekturbüro Office oblique gewinnt den offenen Wettbewerb für ein Schulhaus in Naters. Die Visualisierung ist ein weiteres Beispiel für das Aufkommen einer neuen Form der Bildgestaltung.
Das Siegerprojekt von Office oblique ist ein schönes Projekt. Eigentlich ist es auch ein bescheidenes Projekt, oder was im Jargon der Juryberichte «angemessen» heisst. Als Qualitäten zu nennen wären die souveräne Situierung auf dem Schulcampus von Naters, die angenehmene Dimension des Volumens oder die einfachen, fast schon leichtfüssigen Grundrisse. Bestünde das Projekt nur aus Plänen und Modell, würde es vielleicht fast ein wenig langweilig wirken. Das tut es aber nicht, weil die jungen Verfasser Konrad Scheffer und Sarah Haubner – zwei Abgänger der TU Cottbus, die nach einem Umweg über die Cornell University nach Zürich gelangt sind – auch eine Visualisierung mitgeliefert haben. Das Bild hebt das Projekt in eine andere Sphäre, es verleiht ihm eine bestimmte Coolness, es verrät die Kenntnis dessen, was in der zeitgenössischen Architekturszene den Unterschied zwischen «in» und «out» markiert.
Warum? Da ist zuerst einmal die Farbe (ein «kräftiges Grün», wie die Verfasser schreiben), und dann ist da auch das Material: transparente Wellacryl-Platten und gewellte Faserzementeplatten. Das Billige ist hier natürich auch das Künstlerische, was einzig die Jury nicht ganz einsehen wollte (das Zusammenspiel der Oberflächen in der Fassade konnte sie nicht überzeugen, und die Materialisierung widersprach in ihren Augen dem Nachhaltigkeitsansatz).
Das entscheidende Phänomen jedoch ist kein architektonisches, sondern ein bildliches. Nennen wir es «planimetrische Darstellung». Vor gut einem halben Jahrhundert tauchte diese unverwechselbare Bildgestaltung im europäischen Avantgarde-Kino von Wenders, Antonioni, Angeloupulos oder Godard auf. Ihre Beschreibung verdanken wir dem Filmwissenschaftler David Bordwell, der seinerseits auf den frühen Kunsthistoriker Heinrich Wölfflin zurückgriff: «Planimetrisch», so Bordwell, meine, dass «räumliche Tiefe durch eine Reihe bildparalleler Ebenen dargestellt wird», konkret: dass die Blickrichtung in exakt rechtem Winkel zu den Hintergrundflächen steht, so dass diese mit der Bildebene parallel sind.
So wie der europäische Kunstfilm es vermieden hat, innerhalb dieses Bildraums «die Figuren schräg von der Seite im 3/4-Profil aufzunehmen», sondern sie nur «von vorne oder im Profil» zeigt, so vermeidet nun die junge europäische Architektengeneration, das architektonische Objekt über Eck oder spitzwinklig fluchtend zu zeigen, und richtet stattdessen seine Fassaden als plane Flächen parallel zur Bildebene aus. An die Stelle der Illusion von räumlicher Tiefe, wie man sie in früheren Renderings beobachten konnte, ist eine Darstellung getreten, welche die Bild-Konstruktion selbst zum Thema macht und «Tiefe» nur noch abstrakt, nämlich über die Staffelung von «Fläche» vermittelt. Ein faszinierendes Phänomen, dessen tiefere Gründe sich uns allerdings noch nicht erschlossen haben.
Neubau Primarschulhaus Campus Bammatta, Naters
Offener Projektwettbewerb für die Gemeinde Naters
Fachjury: Adrian Kramp, Leentje Walliser, Carole Pont Bourdin
– 1. Rang: Office oblique, Zürich
– 2. Rang: Comamala Ismail Architectes, Delémont
– 3. Rang: Marianne Meister, Zürich
– 4. Rang: Cheseauxrey, Sion
– 5. Rang: MY2B Architekten, Murten