Offene Wettbewerbe 2019: Die Bilanz

Dank mehreren offenen Ausschreibungen vor Jahresende hat sich die Bilanz für 2019 noch etwas aufgehellt. Die Situation bleibt trotzdem kritisch: 53 offene Wettbewerbe pro Jahr sind zu wenig.

Wie wir uns erinnern, begann das Jahr 2019 unerfreulich, nämlich mit einer surreal anmutenden Wettbewerbsbegehung, bei der ein nie gesehener Auflauf interessierter Architektinnen und Architekten kurzzeitig den Verkehr zum Erliegen brachte. Dass es für die zahlreichen kleineren und jüngeren Architekturbüros in der Schweiz zu wenig offen ausgeschriebene Wettbewerbe gibt und dass deren Zahl beständig abnimmt, bestätigten im Frühjahr die von Hochparterre in Zusammenarbeit mit konkurado.ch erhobenen Daten zum Wettbewerbswesen in der Schweiz. Wie die Statistik über die letzten sechs Jahre zeigt, legen die selektiven Verfahren ständig zu, während die offenen kontinuierlich abnehmen.

Ende Mai 2019 sah die Situation besonders düster aus: gerade einmal 19 Wettbewerbe waren bis zu diesem Zeitpunkt offen ausgeschrieben worden. Gegen Jahresende hat sich die Situation nun etwas entspannt, bleibt aber nichtsdestotrotz alarmierend. Wir zählen für das Jahr 2019 ingesamt 53 offene Wettbewerbe. Das sind zwar wieder leicht mehr als 2018 (51 offene Wettbewerbe), aber sehr viel weniger als noch 2013 (86). Vor allem sind es viel zu wenig, um die Nachfrage in einem vernünftigen Ausmass befriedigen zu können. 

Dabei gibt es kaum ein stichhaltiges Argument für das selektive Verfahren, aber etliche gute Gründe für den offenen Wettbewerb, nicht nur was Baukultur und Nachwuchsförderung angeht, sondern auch was Nutzen und Gewinn für den Auslober betrifft – mehr dazu in unserem Themenheft zum offenen Wettbewerb, das im Februar erscheint.

Das einzige ernsthafte Problem des offenen Wettbewerbs sind die zu hohen Teilnehmerzahlen – es löst sich von alleine, wenn das Angebot wieder steigt. Denn nach wie vor gilt: Mit jedem Wettbewerb, der statt selektiv offen durchgeführt wird, halbiert sich die Zahl der Interessenten, mit jedem Wettbewerb, der statt offen nur selektiv durchgeführt wird, verdoppelt sie sich.

Die öffentlichen Bauträger stehen in der Pflicht, den Teufelskreis zu durchbrechen. Wie die unten einsehbare Liste der offenen Wettbewerbe anno 2019 zeigt, gibt es viele Gemeinden, Städte und Kantone, die dieser Aufgabe nachkommen. Im Verlauf der letzten zwölf Monate hat der Kanton Bern beispielsweise drei und der Kanton St. Gallen zwei Wettbewerbe offen ausgeschrieben. Die Stadt Zürich schafft es immerhin auf zwei offene Schulhauswettbewerbe, der Kanton Zürich auf einen. Auffallend ist die offene Wettbewerbskultur im Tessin, wo im Verlauf des Jahres acht Wettbewerbe offen ausgeschrieben wurden, gerade auch von kleinen Gemeinden. Andere Städte und Kantone glänzen auf der Liste durch völlige Abwesenheit - mögen sie aus ihrem Dämmerschlaf erwachen.

Wir danken Volker Bienert und konkurado.ch für die Unterstützung bei der Erhebung der Daten.

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Kommentare

Marcel Bächtiger 24.01.2020 11:26
Tatsächlich wäre das Verhältnis von selektiven zu offenen Wettbewerben aufschlussreich – diese Daten werden wir noch eruieren. Bei der Definition der verschiedenen Verfahrensarten halten wir uns an die Ordnung 142/143 des SIA.
Aldo Nove 24.01.2020 10:41
Mich nimmt wunder, wieviele selektive Verfahren es 2019 gegeben hat. Die Grafik, die Ihr zeigt ist nicht ajour. Und was defineirt ihr als Wettbewerb?
Ein Architekt 22.01.2020 12:34
Es wäre interessant zu eruieren, ob der Entscheid für ein nicht-offenes Verfahren auf Wunsch der Auslober oder auf Empfehlung der Organisatoren erfolgt, dann könnte man gezielt an der richtigen Stelle appellieren und argumentieren.
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