Nächster Halt: Rotkreuz

Die boomende Kleinstadt will mit zwei Wettbewerben den Bahnhof Süd und das Zentrum Dorfmatt neu gestalten – mit Hochhäusern, Dachgärten und offenen Erdgeschossen. Gelingt so der Sprung zum urbanen Zentrum?

Fotos: indivisual (Visualisierung)

Die boomende Kleinstadt will mit zwei Wettbewerben den Bahnhof Süd und das Zentrum Dorfmatt neu gestalten – mit Hochhäusern, Dachgärten und offenen Erdgeschossen. Gelingt so der Sprung zum urbanen Zentrum?

«Amerika git’s nid», sang einst Kuno Lauener von Züri West und fand es verdächtig, dass alle, die da waren, immer vom Gleichen erzählen. Wer von Rotkreuz spricht, spricht vom Bahnhof. Wie die Pionierstädte im ‹Wilden Westen› beginnt auch hier die Geschichte mit dem Bau eines Verkehrsknotenpunkts im 19. Jahrhundert. Aus der Mooslandschaft zwischen Zuger- und Vierwaldstättersee wuchs entlang der Gleise eine für die Schweiz atypische Ortschaft: flacher Boden, kein historischer Ortskern. In den Siebzigern befeuerte eine Autobahngabel nördlich des Bahnhofs das Wachstum. Die Industrie nutzte die gut erschlossene grüne Wiese, fabrizierte Produkte und Pleiten – und hinterliess verlassene Areale. Nach dem Zug auf der Schiene erwies sich der Kanton Zug mit niedrigen Steuern als Wachstumstreiber. Investoren übernahmen die Brachen, holten den Dienstleistungssektor und die Pharmabranche nach Rotkreuz. Die Bevölkerung verdoppelte sich seit 1980. Wohnbauten schossen wie Pilze in allen Farben und Formen aus dem Boden. Die «Arealitis» wurde mal erfolgreicher – Chäsimatt – und mal weniger – Suurstoofi – behandelt. Wie in einem Western reihen sich bei Letzterem die Häuser die Gleise entlang. Die verspielten Fassaden übertrumpfen sich gegenseitig, als spielten sie Karten. «Hohes Entwicklungspotenzial» Besuchende könnten bei so viel Heterogenität denken, Rotkreuz gibt es gar nicht. Wie ein Fiebertraum. Bausünden aus verschiedenen Moden der letzten hundert Jahre versammeln sich hier. Nickt man auf der Fahrt nach Süden ein und erwacht in Rotkreuz, wähnt man sich schlaftrunken in Milano vor dem Bosco Verticale. Tatsächlich handelt es sich nur um das grün gewaschene Gartenhochhaus Aglaya. Wir warten nicht bis Italien, steigen aus und stellen fest: Die ‹Rückseite› im Norden des Bahnhofs ist moderner als die verschlafene ‹Vorderseite› im Süden, dem vermeintliche...

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