Beispiel einer öffentlichen Jurierung für die Wohnbauten auf dem Hardtturmareal. Wiebke Rösler hat hier offenbar schlechte Erfahrungen gemacht. Fotos: Stadt Zürich

Rausschmiss aus der öffentlichen Jurierung

Das Amt für Hochbauten der Stadt Zürich stellte am Samstag die interessierten Zuhörer einer öffentlichen Jurysitzung vor die Tür. Hoffentlich findet diese Tat keine Nachahmung.

Wie öffentlich ist eine öffentliche Jurierung? Die Architektin Anna Kistler (Name geändert) staunte. Sie hatte sich auf die Schlussdiskussion gefreut. Doch das Amt für Hochbauten der Stadt Zürich stellte am Samstag die interessierten Zuhörer der öffentlichen Jurysitzung zum Projektwettbewerb Ersatzneubau Alterszentrum Mathysweg vor die Tür. Obwohl es vorher zur öffentlichen Jurierung eingeladen hatte und die Daten auch im Internet publizierte. Man wolle Indiskretionen vermeiden, wie sie beim Wettbewerb für das Neue Hardturmstadion vorgekommen seien, habe die Begründung gelautet. Auf Nachfragen will sich das Amt für Hochbauten dazu nicht äussern.

Die Besucher des dritten und letzten Jurytages konnten am Vormittag noch den Vorträgen der Experten zuhören, in denen die detaillierten Ergebnisse der vertieften Vorprüfung zu den in der engeren Wahl verbliebenen Projekten dem Preisgericht vorgetragen wurden. Nach einer 30-minütigen Pause sollte dann die Diskussion um die Rangierung der Projekte beginnen. Dies nun aber plötzlich ohne Öffentlichkeit. Die fünf oder sechs Besucherinnen und Besucher wurden gebeten das Lokal zu verlassen und nicht wieder zu kehren. Die Öffentlichkeit hatte daher keine Gelegenheit den abschliessenden Austausch von Argumenten von Sach- und Fachpreisrichtern anzuhören. Gerade die Gewichtung der Ergebnisse der Vorprüfung durch die Sach- und Fachpreisrichter in der Schlussdebatte wäre für die stillen Zuhörer von grösstem Interesse gewesen. Erst zum Schluss des Verfahrens fallen die Masken, die Fach- und Sachpreisrichter müssen sich zu einem Projekt bekennen.

Der Idee öffentlicher Jurierungen wurde mit dem Entscheid vom Samstag ein Bärendienst erwiesen. Bisher sorgten öffentliche Jurierungen für Transparenz der Verfahren und für Nachvollziehbarkeit der Entscheide. Die Stadt Zürich verhält sich sonst vorbildlich, führt zurzeit bei vielen Wettbewerben öffentliche Jurierungen durch. Es war die Stadt Zürich, die sich vor 24 Jahren gegen die Widerstände des SIA durchgesetzt hatte und die öffentliche Jurierung in der Schweiz einführte. Dass also ausgerechnet Wiebke Rösler, die Direktorin des Amts für Hochbau, des Amts, das damals die öffentlichen Jurierungen einführte, als Vorsitz der Jury mit fadenscheinigen Argumente Besucher von der entscheidenden letzten Schlussrunde am Samstag aussperrte, entbehrt nicht gewisser Ironie. Wir fragen uns natürlich sofort: was hat die Stadt bei diesem Altersheim-Wettbewerb zu verbergen? Wer hatte da Angst sein Gesicht zu verlieren? Welche Indiskretionen fürchtete man? Die Tat vom Samstag wirft einen Schatten auf die sonst in vielen Teilen professionelle Arbeit des Amts für Hochbauten bei Konkurrenzverfahren. Gewonnen haben den Wettbewerb übrigens Allemann Bauer Eigenmann. Die Stadt stellt die Projekte aus dem Wettbewerb erst Anfang Juni vor.

In den kommenden Tagen stehen die nächsten öffentlichen Jurysitzungen mit dem jeweils entscheidenden dritten Jurytag an für die offenen Wettbewerbe Schulanlage Schauenberg mit Meinrad Morger, Roger Boltshauser und Caroline Fiechter in der Jury und den Wohnbau Herdernstrasse mit Luigi Snozzi und Emanuel Christ. Wird das Amt für Hochbauten auch dort einen halbgaren Rückzieher machen, und interessierte Beobachter von der Schlussdebatte ausschliessen? Es wäre bedauerlich, wenn der unglückliche Entscheid vom Samstag Schule machte, und die Vorreiterrolle des Amts für Hochbauten im Wettbewerbswesen aus einer diffusen Angst vor Indiskretionen aufs Spiel gesetzt würde. Es wäre ein herber Verlust für die Fachöffentlichkeit, wenn ihr die Möglichkeit genommen würde diesen hochstehenden Lehrveranstaltungen in Sachen Wettbewerb zuhören zu können. Das Amt sollte sich entscheiden: Wenn öffentlich, dann ganz öffentlich. Ohne wenn und aber.

Die nächsten hoffentlich ganz öffentlichen Jurysitzungen des Amts für Hochbauten finden Sie hier.

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Kommentare

Urs Esposito 20.06.2014 14:41
Leider ist es als Büro, welches am Wettbewerb teilgenommen hat, nicht nachvollziebar, wieso Jurierung und Ausstellung erst ein halbes Jahr nach Wettbewerbsabgab stattfanden und in der Wettbewerbsausstellung die Pläne unansehnlich und vergilbt dem Publikum präsentiert wurden. Auch der Umstand dass die vor fast einem Jahr einbezahlten Depotgelder bis heute noch nicht zurück bezahlt wurden, empfinden wir als Geringschätzung der geleisteten Arbeit.
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