Vor einiger Zeit erlaubten wir uns einen kleinen Scherz und schrieben unter dem Titel Bündner Spezialitäten folgende kurze Glosse: «Noch gibt es keinen etablierten Ausdruck für jenes Architekturelement, das in Valerio Olgiatis Zugang zum Grossen Rat in Chur seinen ersten grossen Auftritt hatte. Man sprach damals von einer Wappenscheibe oder auch von einem Schild, doch damit sind die Eigenschaften nur ungenügend beschrieben. Man müsste hinzufügen, dass das Element in Sichtbeton gegossen wird, etwa zwanzig bis fünfzig Zentimeter dick ist und sich aus einer einfachen Form – meist Kreis, Halbkreis oder Oval – ableitet. Um die skulpturale Erscheinung zu stärken, sollte das Element weiter über ein minimales Auflager verfügen und wenn möglich aus der geometrischen Ordnung des restlichen Bauwerks herausgedreht werden. Die neue Bündner Spezialität wird nicht nur von Valerio Olgiati selbst beherrscht, sondern auch von seinen ehemaligen Schülern: Eben ist eine grosse runde Scheibe in Pascal Flammers neuem Haus in Ligurien betoniert worden, und Raphael Zuber gewinnt mit tränenförmigen Stützen den Wettbewerb für einen Neubau mit Service des Spitals in Savognin.» Von der blossen Form zur Architektur Wollen wir der kulinarischen Metaphorik noch für einen kurzen Moment treu bleiben, so dürfen wir mit Blick auf den prämierten Hochhausentwurf für das Krismer-Areal feststellen, dass Angela Deuber – ebenfalls eine Olgiati-Schülerin der ersten Generation – mit der bekannten Zutat ein eigenes und ungleich reichhaltigeres Menu kreiert hat, wichtiger noch: dass sie das mitunter etwas bezugslos bleibende formale Signum in ein architektonisches Element überführt hat, das auch in einem grösseren Zusammenhang eine baukünstlerische Funktion übernimmt. Klein, aber augenfällig charakterisieren die zu abstrahierten Knospen geformten, vorfabrizierte...