Ansicht aussen

«Die fünfte Fassade nicht vernachlässigen»

Frei + Saarinen gewinnen den Wettbewerb für den Ersatz-Kopfbau der Chlirithalle in Oberglatt. Martin Saarinen beantwortet unsere drei Fragen.



Was ist die Erfindung am Siegerprojekt?

Martin Saarinen: Es zeigt exemplarisch auf, wie auch Durchschnittsarchitektur der Siebzigerjahre mit gebührendem Respekt erweitert werden kann, ohne sich einer Alt-versus-Neu-Dialektik zu bedienen - ein interessantes Thema, zumal in näherer Zukunft wohl einigen vergleichbaren Bauten die denkmalpflegerische Absolution erteilt wird. Die augenscheinliche  Anlehnung an den Bestand lag anfangs allerdings nicht gerade auf der Hand, denn die etwas behäbige «Faserzementwellplattenarchitektur» entspricht beileibe nicht der gängigen Vorstellung von Coolness - sie könnte vielmehr als eigentliche Antithese zum zeitgenössischen Mainstream bezeichnet werden. Wir entschieden uns dennoch für ein Weiterbauen und verkniffen uns zeitgeistige Fassadenknicke, schwelgerische Materialinszenierungen oder übermässig raffinierte Details. Trotzdem werden neue räumliche Qualitäten geschaffen: Eine grosszügige Rampe beispielsweise führt vom Foyer zu einer erhöhten «Lounge». Diese stellt eine Bereicherung des eigentlich geforderten Raumprogramms dar und vervollständigt eine Raumfolge, welche die Längsausdehnung des Kopfbaues unter allen Dachgiebeln hindurch erfahrbar macht.

Wie verhält sich das Projekt zur Umgebung?


Ein grosszügiges Vordach signalisiert, dass die Chliriethalle ein einladendes öffentliches Gebäude ist, das auch in dessen Aussenbereich, der durch einen schönen Baumbestand räumlich gefasst wird, zum Verweilen einlädt. Die Fassaden bilden die verschiedenen Privatsphären der einzelnen Räume ab: Das neue Foyer öffnet sich grosszügig zu der parkähnlichen Umgebung. Kontrastierend dazu verdeutlicht die «Torwandfassade» – ein Verweis  auf den sportlichen Charakter der Anlage –, dass Vereinslokal oder Werkstatt nicht für alle zugänglich sind. Die Lounge, welche den Auftakt für den neuen Tribünenzugang bildet und darüber hinaus einen Zusatznutzen für den Aufenthalt kleinerer Gruppen darstellt, manifestiert sich nach aussen mit einem grossen, in die Baumkronen blickenden Fenster. In einer Flughafengemeinde darf die fünfte Fassade keinesfalls vernachlässigt werden! Vielleicht ersetzen wir die runden Foyeroblichter noch durch Sterne und Mond, sodass das Oberglatter Dorfwappen nachts gen Himmel leuchtet.

Wo lagen die grössten Schwierigkeiten am Wettbewerb?
Im Gegensatz zur Grundrissdisposition, die bereits nach kurzer Zeit im Wesentlichen festgelegt war, stellte die Entwicklung der genauen Form sowie des adäquaten architektonischen Ausdrucks eine Herausforderung dar: Sollte der Anbau sich von der bestehenden Chliriethalle emanzipieren oder gleichsam aus ihr heraus wachsen? Beide Haltungen wurden exzessiv untersucht, in jedem Falle galt es jedoch zu verhindern, dass der Kopfbau aufgrund seines geringen Volumens wie ein Anhängsel wirkt. Wir sahen uns mit einer ähnlichen Thematik konfrontiert, wie bereits bei der Erweiterung des Kino Xenix in Zürich (2005-07). Und wiederum überzeugte uns die Strategie, die Dachfläche als vermittelndes Element zu deklarieren, um die verbleibenden gestalterischen Freiheiten darunter zu Gunsten eines einfachen aber dennoch räumlich spannenden Gebäudes auszureizen.

Ersatz-Kopfbau Chlirithalle Oberglatt

Projektwettbewerb im selektiven Verfahren mit acht Architekturteams für die Gemeinde Oberglatt.
– 1. Rang: Frei + Saarinen Architekten, Zürich, mit WGG Schnetzer Puskas, Zürich, Amstein + Walthert, Zürich.
– 2. Rang: kit architects, Zürich, mit WGG Schnetzer Puskas, Zürich, noa landschaftsarchitektur, Zürich, energieatelier zürich, Zürich.
– 3. Rang: Ramser Schmid Architekten, Zürich.
– Weitere Teilnehmer: ARGE Müller Sigrist Architekten, Zürich, und Karamuk Kuo Architekten, Zürich; Brockmann Stierlin Architekten, Zürich; Meyer Dudesek Architekten, Zürich; Edelmann Krell Architekten, Zürich; Andreas Kohne Architekt, Zürich.

close

Kommentare

Kommentar schreiben