Situationsmodell

Das Selbstverständliche gewagt

Ungewohnt, aber sinnvoll: Beim Wettbewerb für die Erweiterung des Schulhauses Seedorf wird ein Ankauf zur Weiterbearbeitung empfohlen.


Der Vorschlag von Thomas de Geeter Architektur für die Erweiterung des Schulhauses Seedorf erscheint städtebaulich selbstverständlich: der Bestand von Schulhaus und Mehrzweckhalle wird mit einem mittigen Neubau vervollständigt, so dass ein schön proportionierter, dreiseitig gefasster Aussenraum entsteht, der sich zur weiten Landschaft hin öffnet. Der Vergleich mit andern Projekten aber zeigt: eine Selbstverständlichkeit ist diese Lösung nicht. Dass dem prämierten Entwurf ein harmonisches Ensemble gelingt, mag zum einen an den Satteldächer und Säulenvorhallen liegen, die Alt und Neu zusammenbinden (was die dorisierenden Kapitelle im Berner Seeland verloren haben, wäre freilich eine andere Frage). Zum andern aber ist es Resultat eines gewagten, da in der Aufgabenstellung nicht vorgesehenen Eingriffs: dem Abbruch des bestehenden Kindergartengebäudes. Wo das Programm einen vierten Baukörper vorsah, um die zusätzlichen Klassen- und Gruppenräume unterzubringen, integriert Thomas de Geeter zusätzlich den Kindergarten in den Neubau. Dieses Vorgehen, schreibt die Jury dazu, habe sich «letztlich als überlegener konzeptioneller Ansatz herausgestellt»: Die ortsbaulichen, aussenräumlichen und betrieblichen Vorteile sowie die effizientere Flächennutzung würden den entscheidenden Unterschied ausmachen, während die Kosten für den grösseren Neubau und den Rückbau des Kindergartens durch die wiederkehrenden Einsparungen für Betrieb und Unterhalt mehr als wettgemacht würden.

 

Dieselbe Strategie wie das Siegerprojekt wählten noch zwei weitere der acht Teilnehmer, einer davon (Rykart Architekten) wurde auf den zweiten Rang gesetzt. Beide Beiträge mussten indes als Ankäufe rangiert werden, weil das Wettbewerbsprogramm unzweideutig festgehalten hatte, dass der Kindergarten «unverändert weiter genutzt» werde. Das ungewöhliche Vorkommnis eines zur Weiterbearbeitung empfohlenen Ankaufs kommentiert das Preisgericht folgendermassen: «Das Preisgericht ist der Ansicht, dass von der Möglichkeit des Ankaufs grundsätzlich zurückhaltend Gebrauch gemacht werden soll. Im vorliegenden Fall erkennt es jedoch eine Situation, in der das Verfahren zu Erkenntnissen geführt hat, welche über die ursprüngliche Ausgangslage und Fragestellung hinausgehen. Dies ist nach Auffassung des Preisgerichts auch der grundlegende Sinn und Zweck des Wettbewerbs und rechtfertigt den Entscheid, ein angekauftes Projekt zur Weiterbearbeitung zu empfehlen.» Rechtfertigung zustimmend angenommen.  

Sanierung und Erweiterung Schulhaus Seedorf, Bern

Projektwettbewerb im selektiven Verfahren für die Einwohnergemeinde Seedorf

Fachjury: Pascale Bellorini, Michael Arn, Adrian Kast
Verfahrensbegleitung: Basler & Hofmann, Zürich

– 1. Rang / Ankauf: Thomas De Geeter Architektur, Zürich, mit Bosshard und Partner, Zürich

– 2. Rang / Ankauf: Rykart Architekten, Liebefeld, mit Klötzli Friedli Landschaftsarchitekten, Bern

– 3. Rang / 1. Preis: BGM Architekten, Basel, mit Lorenz Eugster Landschaftsarchitektur, Zürich

– 4. Rang / 2. Preis: Boegli Kramp Architekten, Fribourg

– 5. Rang / 3. Preis: Sollberger Bögli Architekten, Biel, mit Omlin Architekten, Bern

Ausstellung bis zum 14.12.2016 im Gemeindehaus Seedorf

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