Modell mit den vier Siegerprojekten: Wohnhochhaus der ABZ (links), Gewerbehaus (Mitte), Wohn- und Gewerbehaus von Kraftwerk1 (rechts), Quartierpark mit ehemaliger Kohlelagerhalle (vorne)

Alles wird gut

Vier parallel durchgeführte Wettbewerbe beschäftigten sich mit der Zukunft des besetzten Koch-Areals in Zürich. Heute präsentierte die Stadt die Siegerprojekte.

Das Koch-Areal ist das grösste besetzte Stadtstück in Zürich und besitzt damit einen gewissen Symbolwert in den Auseinandersetzungen um städtischen Wohn- und Lebensraum. Lärmklagen wegen Partys trieben in den vergangenen Jahren seltsame Blüten, ein bizarrer Lokalskandal spriesste, weil die Söhne des einen Stadtrats gerüchteweise zu den Besetzern gehörten und die Kinder eines andern Stadtrats ab und zu die besagten Partys besuchten. Eine Initiative der städtischen FDF verlangte schliesslich den Verkauf der stadteigenen Liegenschaft an einen privaten Bieter, verlor aber an der Urne klar gegen die städtische Vorlage, welche die Landabgabe im Baurecht an eine Trägerschaft aus Baugenossenschaften vorsah – und damit auch einen möglichst harmonischen Übergang von Besetzung zu regulärer Bewohnung. Den Zuschlag für die Überbauung bekam 2017 eine gemeinsame Bewerbung der Allgemeinen Baugenossenschaft Zürich (ABZ), der Bau- und Wohngenossenschaft Kraftwerk 1 und der Immobilienentwicklerin Senn Resources.

Heute präsentierte die Stadt Zürich die Resultate von vier parallel durchgeführten selektiven Wettbewerben, welche Form und Inhalt des zukünftigen Koch-Areals definieren: ein innerstädtisches Gewerbehaus (Senn), ein Wohnhochhaus  mit Gewerbe (ABZ), ein  Wohnhaus mit Kultur und Gewerbe (Kraftwerk) sowie ein Quartierpark (Grün Stadt Zürich). Nach sechs Jurytagen waren aus je zehn Eingaben für die drei Architekturprojekte und 15 Eingaben für den Quartierpark die Sieger bestimmt, wobei der Jury das Kunststück gelang, vier Projekte zu prämieren, die als eigenständige Beiträge mit spezifischem Charakter überzeugen und gleichzeitig die nötigen Qualitäten besitzen, um miteinander in einen gelassenen Dialog  zu treten. 

Der Vorschlag von Käferstein & Meister und Murat Ekinci Architekten für das Gewerbehaus, das als Gelenk zwischen den beiden Wohnbauten die Ecke des Areals besetzt, macht die Doppelstrategie vor: Unterteilt in einen turmartigen und einen liegenden Gebäuteil mit gestapelten Hallen und vorgesetzter, grün bewachsener Loggia, gelingen dem Entwurf räumliche Anknüpfungspunkte sowohl zum Strassenraum, zum gegenüberliegenden neuen Wohnbau als auch zum Grünraum des zukünftigen Quartierparks. Zur kontextuellen Einbettung gesellen sich architektonische Eigenheiten: Die ungewohnten Raumhöhen lassen eine Fassade mit ebenso ungewohnten Dimensionen entstehen und verleihen dem innerstädtischen Gewerbehaus seine charakteristische Präsenz.

Enzmann Fischer schlagen für die ABZ ein Wohnhochhaus vor, das mit einer gradlinigen Setzung an der Flurstrasse übergreifende städtebauliche Beziehungen schafft. Hinter etwas beigen Fassaden bietet der Entwurf im Innern eine überraschende Vielfalt an gemeinschaftlichen Räumen, die angetan sind, das diffizile Thema der Nachbarschaft in der Vertikalen um konkrete Lösungsansätze zu bereichern. Der Gemeinschaft steht unter anderem eine grosse Terrasse auf dem horizontalen Sockelgeschoss zur Verfügung, deren Bepflanzung in ideeller Beziehung mit den begrünten Fassaden des zugehörigen Zeilenbaus und dem davor liegenden Park steht.

Für letzteren wurde der Entwurf von Krebs und Herde Landschaftsarchitekten prämiert. Ihr Projekt teilt die zur Verfügung stehende Fläche in drei unterschiedliche Bereiche: eine grosszügige offene Wiese, einen wildbewachsenen «jardin sauvage»  sowie die ehemalige Kohlelagerhalle, die auf die Struktur zurückgebaut und deren Dach neu mit Glasziegeln eingedeckt werden soll.

Bravourös schliesslich löst der Entwurf des Nachwuchsteams Studio Trachsler Hoffmann die Ansprüche der Kraftwerk-Genossenschaft nach einem zeitgenössischen kollektiven Wohn- und Gewerbehaus ein. Einem architektonisch wie programmatisch komplex verdichteten Sockel mit kulturellen, gewerblichen und gemeinschaftlichen Nutzungen stehen hier pragmatisch organisierte Wohngeschosse gegenüber, deren strenge Hofstruktur sich gegen oben bereits wieder auflöst und in eine reichhaltige Dachlandschaft übergeht.

«Alles wird gut» also auf dem Koch-Areal, möchte man mit dem berühmt gewordenen Zürcher Graffiti aus den 80er Jahren schlussfolgern – es sei denn, man bevorzugt den Erhalt der besetzten Brache, was jedoch über kurz oder lang in ihre Ballenbergisierung münden würde.

Eine ausführliche Berichterstattung zu diesem Wettbewerb folgt in hochparterre.wettbewerbe 3/2019.

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Kommentare

Baukünstler 17.05.2019 18:58
Lieber Herr Konrad Ich teile Ihre Meinung. Es ist toll zu hören, dass auch Sie dies warnehmen. Was wir zurzeit Entwerfen besitzt keinen Charakter. Überall stampfen Kisten aus dem Boden. Das soll Stadt sein? Soll sich mal jeder Architekt überlegen was er beisteuern will.
Hans Witzig 16.05.2019 08:02
Ein sehr spannendes und erfrischendes Projekt von Studio Trachsler Hoffmann, bravo! Kalkbreite, Hunzikerareal, Zollhaus und nun Koch Areal. Glücklicherweise bereichern verschiedene Genossenschaften Zürich mit Wohnbauprojekten die Experimente wagen.
Andreas Konrad 15.05.2019 23:27
@ Herr Lustig : Ich möchte gerne Herrn Stefan Sagmeister bei seinem Zürichbesuch in ein wenig derben Worten zitieren : « Was hier in dieser Stadt derzeit gebaut wird , sind Sch .... kisten , Müll , kalt und trostlos . Seit den siebziger Jahren wissen wir , dass das kein Mensch will . Die heutigen Architekten haben verlernt oder sind zu blöd, schön zu bauen . » Ihr Statement zeugt vom zwinglianischen Kleingeist , der diese Stadt vergiftet und der sich mit puritanischer Verbissenheit jegliche Kritik an der geistigen Ödnis des derzeitigen Bauschundes verbietet . Ich empfehle Ihnen einen Besuch der Ausstellung « Beauty » im MAK Wien oder im Museum für Angewandte Kunst , Frankfurt . Diese wurde im Übrigen vom « Museum für Gestaltung » mit einem Auftrittsverbot belegt , was das intellektuelle Niveau zeitigt , mit dem in dieser Stadt über Architektur und Design diskutiert wird. Man hofft bei Ihnen ( und anderen ) auf geistige und materielle Erleuchtung .
Peter Lustig 15.05.2019 14:51
Lieber Herr Konrad Verschonen Sie uns bitte mit ihrem retrophilen Gelaber und steigen Sie endlich in ihren Delorian ein um via Einbahnstrasse in ihr geliebtes 18. Jahrhundert zurückzukehren. Liebe Grüsse aus der Gegenwart Peter
Andreas Konrad 14.05.2019 21:51
Bis auf die verblüffende Lösung des Baufeldes « B » ( Käferstein und Meister ) natürlich .
Andreas Konrad 14.05.2019 21:46
Bis auf die verblüffende Lösung des Baufeldes « A » agglomeriter Durchschnitt . Kein Aufbruch , kein Bravour . Retten tut das Projekt der Erhalt der alten Kohlehalle . Es verleiht dem Ensemble den Glanz , den die Neubauten nicht in der Lage sind , zu versprühen . Spröde Moderne , Wegwerfarchitektur , trostlos und ernüchternd, sehr verkopft und sperrig alles . Das Problem scheinen die Jurierungen in Zürich an sich . Sie versperren den Weg für Mut und Tatkraft , da in internen Diskussionen sämtlicher Aufbruch, der vielleicht sogar mal die Vorgaben biegt oder gar bricht , zerrieben wird . Schade . Die Chance ist vertan .
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