Sanfte Welle
In St. Gallen verkleidet eine zurückhaltende Fassade aus kleingewellten Scobalitplatten vier markante, fast fabrikhafte Wohnhäuser. Details in Konstruktion und Montage verfeinern das Fassadenbild subtil.
Bernhardswies liegt weniger idyllisch, als der Name vermuten lässt. Im St. Galler Stadtteil Bruggen, bei der S-Bahnstation Haggen, liegt umgeben von Mehrfamilienhäusern unterschiedlichster Grösse und Baujahre ein Industrieareal entlang von Strassen und Schienen. Ein Teil davon wurde mit einem Gestaltungsplan von Burkhalter Sumi Architekten in eine Wohnzone umgewidmet. Die neu entstehenden Wohnhäuser sollten städtebaulich und architektonisch zwischen den Körnungen des Quartiers und zwischen Wohnen und Gewerbe vermitteln.
Vier mächtige Winkel setzten Strut Architekten in den Hang, von denen jeder einen etwas anders gestalteten Hof rahmt. Nach Norden sechsgeschossig, gegen Süden fünfgeschossig, verhehlen sie ihre Grösse nicht, sondern stehen im Gegenteil dazu – mit strukturellen Öffnungen, welche die Dimensionen betonen, und mit einer markanten Balkonschicht auf Stahlträgern.
An den fast fabrikhaften Häusern sollte auch die Verkleidung als solche erkennbar sein. «Wir suchten ein Material, das einen Bezug aufbaut zum Welleternit der benachbarten Industriebauten, jedoch feiner und wohnlicher wirkt», erzählt Felix Rutishauser von Strut Architekten. Sie wählten Scobalit: «Uns gefiel, wie die transluzenten Platten der Fassade Tiefe verleihen und die hinterlüftete Konstruktion darunter erahnen lassen.» Die Platten selbst sind im Farbton silberperl eingefärbt und wirken dadurch schimmernd und praktisch farblos. Doch bei den unteren Geschossen liessen Strut Architekten ein olivfarbenes Windpapier hinterlegen und die Platten so montieren, dass die Wellung horizontal liegt. Bei den oberen Geschossen ist das Windpapier porzellanfarbig und die Wellung stehend montiert. «Der Wechsel im Wellenmuster gliedert die Kubatur, während die Farbnuance der Fassade einen feinen Dunkel-Hell-Akzent verleiht, den das Auge nicht sofort erkennt, aber doch wahrnimmt.» In der Sonne schimmern die Scobalitplatten fast perlmuttfarben, bei diffusem Wetter bleiben sie dagegen weisslich-neutral – «auch das Wetter beeinflusst die Stimmung der Fassaden, sodass das Material fast lebendig wirkt, obwohl es sich um Kunststoff handelt.» Zudem ist die sogenannte Fingerwellung, die feinst mögliche Wellung, so sanft, dass man sie auf den ersten Blick auf für einen gestrichenen Putz halten könnte.
Erfreulich war, dass die Zusammenarbeit zwischen Architekturbüro, Totalunternehmung, Fassadenbauer und Fassadenlieferantin reibungslos klappte, was die Qualität der Hülle stärkte.
Strut Architekten planten bereits vor zehn Jahren eine Wohnüberbauung mit Scobalitfassade. «Früher neigte Scobalit dazu zu vergilben. Mit den heutigen Materialmischungen passiert das aber nicht, die 2013 ausgeführte Fassade der Siedlung in Urdorf zeigt keine Alterung», sagt Felix Rutishauser. Verschmutzung durch Abgase oder Blütenstaub wäscht der Regen ab, denn die verwendete Scobalight Lichtwellplatte 31/8 weist eine feine Wellung auf; die Welle ist acht Millimeter tief und hat ein Sprungmass von 31 Millimetern. Sollte der Regen nicht genügen, könne man die Platten auch einmal mit einem Hochdruckreiniger waschen, ergänzt Richard Steger von der Firma Scobalit.
Bemusterung und Farbnuancierung bietet Scobalit in der Schweiz an. 2500 Profile und jede RAL-Farbe sind gemäss Richard Steger erhältlich. Das Glasfasergeflecht wird mit einer UV-stabilen und wetterfesten Spezialfolie überzogen. Auch beim Format ist vieles möglich, nicht die Produktion begrenzt die Plattenlänge, sondern der Transport: «Die längste gelieferte Platte mass 13 Meter, weil der Lastwagen 13.20 Meter lang war», erzählt Steger. Hergestellt werden die Platten im britischen Coventry. Der Transport ist es denn auch, der bei CO2-Bilanz und Energie-Vergleich zu Buche schlägt, denn beim Energieverbrauch in der Herstellung schneide Scobalit besser ab als Faserzement oder Aluminium, zitiert Steger kürzlich gemachte Studien. Felix Rutishauser ergänzt, dass die Scobalight-Fassade den Standard Minergie-P-Eco bei der 2013 realisierten Genossenschaftssiedlung Schönheim in Urdorf erfüllte. Auch rezyklieren liesse sich Scobalit, indem es gehäckselt und etwa im Tiefbau als Zuschlagstoff wiederverwendet würde. Für diesen Kreislauf sind aber die Abfallmengen zu klein in der Schweiz – Scobalit sei dauerhaft, meint Steger.
Die Rubrik Werkplatz ist eine Kooperation von Hochparterre mit ausgesuchten Firmen und Institutionen des Werkplatzes Schweiz.
Wohnüberbauung Bernhardswies, 2020
Bernhardswies- und Hechtackerstrasse, St. Gallen
Architektur: Strut Architekten, Winterthur
Auftragsart: Wettbewerb 2012, 1. Preis
Fassadenbauer: K&K Fassaden, St. Gallen
Totalunternehmung: Implenia Schweiz, St. Gallen
Planungs- und Bauzeit: 2013 Gestaltungsplan, 2015 Planung, 2018 - 2020 Realisierung
Bauaufgabe: Wohnsiedlung mit 147 Mietwohnungen, Kindertagesstätte und Gewerberäume
Rauminhalt SIA 416: 89’820 m3
Scobalit AG
Grundstrasse 1
8505 Dettighofen
www.scobalit.ch