Stolze 370 Quadratmeter PV-Anlagen des «Maison Climat» speisen Plusenergie ins Netz. (Maison Climat Biel - Bürgi Schärer Architekten - Beer Holzbau/TU - Foto Damian Poffet)
Im Auftrag von Minergie

Von der Hauswartung zur Gebäudetechnik

PV-Anlage, Wärmepumpe und Netzstrom versorgen Heizung, Küchengeräte und E-Autos: Komplexe Gebäudetechnik erfordert gute Programmierung, und Messdaten bilden ihre Grundlage.

Die Minergie-Zertifikate machen Vorgaben für die Bauweise. Einmal fertiggestellt und bezogen, ist für die Inbetriebnahme der Häuser mehr nötig als das Einschalten von Heizung und Lüftung. Das fordert auch die Hauswartung heraus. Die Gebäudetechnik wird spezifisch für Standort, Nutzungen, Ausstattung und Bedürfnisse der Nutzenden ausgelegt, und der laufende Betrieb erfordert ständige Anpassungen und Optimierungen.

Durch die PV-Anlagen hebt sich das Mansardengeschoss vom Gebäude ab. (Maison Climat Biel - Bürgi Schärer Architekten - Beer Holzbau/TU - Foto Damian Poffet)

Jérôme Tschudi war Chirurg und hatte sich immer daran gestört, als Mieter keinen Einfluss auf die Ökologie des Hauses zu haben. Nach seiner Pensionierung liess er sein Kapital ausbezahlen, um es in Gebäude zu investieren. Er wollte alle Nachhaltigkeitsfaktoren unter Kontrolle behalten und entschied sich dazu, ein Haus mit 20 Wohnungen direkt in Auftrag zu geben. Das «Maison Climat» sollte mehr Energie produzieren als es benötigt, effizient geschnitten und erschwinglich sein sowie eine stabile Rendite abwerfen. Der Projektvorschlag von Bürgi Schärer Architekten überzeugte ihn: Im Systembau senkt Schweizer Holz die Bauzeit und die Kosten, im Ausbau schafft es eine warme Atmosphäre. Die komplexe Haustechnik steuert ein Energiemanagement-System, damit die hauseigene Energieproduktion und Verbrauchsgeräte, insbesondere die Wärmepumpe, optimal zusammenspielen. Das Haus produziert 30 Prozent mehr Energie als es benötigt. Im Betrieb haben die Haustechnikerinnen anhand gemessener Daten nach Optimierungspotenzialen der Haustechnik gesucht.

Der Sonnenschutz durch Balkone und Stoffmarkisen verhindert im Sommer die Erhitzung des Gebäudes. (Maison Climat Biel - Bürgi Schärer Architekten - Beer Holzbau/TU - Foto Damian Poffet)

Um diesen Prozess zu vereinfachen, bietet Minergie den automatischen Datenabgleich Monitoring+ an. Die Schnittstelle vergleicht die effektiven mit den geplanten Werten. Gemessen werden unter anderem die Photovoltaikstromproduktion oder der Stromverbrauch der Warmwasseraufbereitung, der Heizung und allenfalls der Kühlung. Anschliessend werten Expertinnen die Resultate aus und suchen nach Fehlerquellen, um das System zu optimieren. Weil das Maison Climat so gut gedämmt ist, fiel lange gar nicht auf, dass die Raumthermostaten nicht richtig angeschlossen waren. Erst der Datenabgleich mit Monitoring+ wies den Fehler aus. Der Vergleich zeigte auch auf, dass die Warmwasseraufbereitung permanent eingeschaltet war.

Monitoring+ gleicht Mess- und Plandaten automatisch ab (Foto zVg Minergie).

Die Überwachung der Energiekreisläufe ist Pflicht für Minergie-Gebäude mit mehr als 1000 Quadratmetern und für alle Gebäude mit Minergie-A-Standard. Datenerfassung und Anbieterwahl sind dabei frei, aber 14 Anbieter bieten von Minergie zertifizierte Monitoring-Module an. Das sind zertifizierte Monitoringsysteme, die Anforderungen an Messgeräte, Datenerfassung und Speicherung sowie an die Datenaufbereitung und Visualisierung erfüllen. Das Zertifikat sichert die Qualität von Unternehmen und Systemen im Hinblick an die Minergie-Anforderungen. Monitoring+ ist ein zusätzliches Angebot von Minergie, das den automatischen Abgleich mit den Planungsdaten ermöglicht.

Die PV-Anlagen versorgen nicht nur das Haus, sondern auch die 80 Stellplätze mit Strom.

In Buchs im Rheintal hat das Unternehmen Lippuner 2021 einen Büroneubau nach Minergie-P-Standard realisiert. Für die Überwachung des Energieverbrauchs nutzt Lippuner die eigenen Messgeräte und Steuerungen. Weil sie diese bei Minergie zertifiziert hat, kann sie den automatischen Abgleich des Monitoring+ nutzen. Die Messdaten aus dem Gebäude werden so direkt in die Minergie-Datenbank gespeist und mit den Plandaten abgeglichen. Bei Abweichungen suchen Minergie und Lippuner gemeinsam nach möglichen Fehlerquellen und Lösungen. Dies können Optimierungen der Lüftungsanlagen oder die Verhinderung von Heizen und Kühlen im Verlauf desselben Tages sein. Die Programmierung der Gebäudetechnik geschieht manuell und wird aufgrund der Messdaten überarbeitet. In Zukunft könnte sich das Steuerungssystem aufgrund der Messdaten womöglich selbst optimieren.

Das verbaute Holz speichert 409 Tonnen CO2 und sorgt für ein angenehmes Raumklima. (Maison Climat Biel - Bürgi Schärer Architekten - Beer Holzbau/TU - Foto Damian Poffet)

Beide Bauherren messen in ihren Gebäuden auch die Raumtemperaturen und die Luftfeuchtigkeit, um so nicht nur den Energieverbrauch zu minimieren, sondern auch ein gutes Raumklima zu schaffen. Die Nutzenden sind sehr zufrieden mit dem Resultat. Jérôme Tschudi verkaufte sein Einfamilienhaus und war der erste Bewohner in seinem «Maison Climat». Um seinen Investment Case nicht zu verändern, zahlt er natürlich auch Miete. Eine Person, die sowohl Hauswartung als auch die Steuerung der Haustechnik abdeckt, hat er jedoch noch nicht gefunden.

 

Die Rubrik Werkplatz ist eine Kooperation von Hochparterre mit ausgesuchten Firmen und Institutionen des Werkplatzes Schweiz.

close

Kommentare

Kommentar schreiben