Ein Glasdach aus Steinen
Eine Ikone der Moderne strahlt wieder. Mit dafür zuständig ist ein Hallendach aus Glasbausteinen. Früh war es undicht, dann zugebaut. Heute schwebt es wieder über allem und dämmt sogar.
Das ETH-Maschinenlaboratorium thront über Zürich. 1929 von Otto Rudolf Salvisberg entworfen, wurde es erst 1941 fertiggestellt: die Maschinenhalle im Zentrum, das Lehrgebäude mit grossen Fenstern an der Strasse und der Schornstein des Fernheizkraftwerks als markanter Turm, der das Gebäude in die Stadtsilhouette einschreibt. Wenige Jahre später stockte Alfred Roth das Lehrgebäude auf, 1970 baute C.-E. Geisendorf einen grossen Kopfbau dazu. In den letzten Jahren sanierten Itten Brechbühl das verbaute Konglomerat und versuchten, die ursprüngliche Klarheit dieser Inkunabel des Neuen Bauens wiederherzustellen.
In der Maschinenhalle stehen nun keine Maschinen mehr. Stattdessen dient sie der Forschung und Lehre der Robotik-Professuren. Der geflickte Ziegelboden und die Wände zeigen die Spuren der früheren Nutzung, die historischen Leuchten wurden originalgetreu nachgebildet und auf der Galerie steht als ungenutztes Relikt die alte Schaltzentrale. Ein Glasbausteindach spannt sich eindrücklich über die Halle.
Wie eine leuchtende, flache und fein gerasterte Lichtfläche schwebt es dort. Abstraktes Licht, wie von den frühen Modernen ersehnt.
Die Wirklichkeit ist grausam. Nach der Eröffnung leckte das Dach bald und wurde bereits in den 1950er Jahren mit wasserdichten Schichten abgedeckt und von innen holzverschalt. Die letzten Jahrzehnte ihres bisherigen Lebens fristete das wunderbare Glasdach als geschlossenes Flachdach. Die Wiederherstellung der Hallendecke war eines der zentralen Ziele der Sanierung.

Glasbausteine, die isolieren
Bei einem geschützten Objekt wie diesen, sind die Ansprüche der Denkmalpflege hoch. Die durchscheinende Decke sollte so ähnlich wie möglich erscheinen, musste aber neu wärmeisoliert sein. Ein direkter Nachbau der historischen Glasbausteine war daher ausgeschlossen. Der neue Aufbau ist mit 24 Zentimeter dreimal so dick wie diese – bei einer Steingrösse von 19 auf 19 Zentimeter.
Glasbausteine bestehen aus zwei gepressten Glashalbschalen, die zu einem luftdichten Hohlkörper verschmolzen werden. Die neue Hallendecke besteht aus zwei solcher Glasbausteine, die mit einem, mit Edelgas gefüllten Zwischenraum zusammengebaut sind – ein Patent der Firma Semadeni Glasbeton AG, die das neue Dach ausführte. Anfangs baute sie die stark dämmenden Glasbausteine in Wände ein, später folgten die isolierten Glasbetonoberlichter. Grundlage dafür war die Entwicklung hochisolierender Mörtel und Betone.
Fein gerasterte Lichtfläche
168 vorgefertigte Elemente bilden das Dach. Jedes davon besteht aus 65 respektive 78 Doppelblockhohlglasbausteinen, die mit 5 Zentimeter breitem, teilweise dämmendem Beton zusammengegossen wurden und mit Hybridkitt abgedichtet. Dass die Verbindung aus armiertem Beton und Glas Spannungen erzeugt, muss bei der Produktion einberechnen werden. Vorgefertigt hievte ein Kran diese 3.80 auf 1.65 Meter messenden Elemente auf das historische Dachtragwerk aus Stahl, das nicht verstärkt werden musste. Um die Dichtigkeit zu testen, flutete die Feuerwehr das Dach. Diesmal tropfte nichts durch.
Nun schwebt die neue alte Lichtdecke wieder über der Halle. Schaut man sie sich genauer an, kommt ein wenig Nostalgie auf. Geschweisste Hallenträger halten sie dort oben, feine Rillen strukturieren das Glas. Diese feine Struktur stammt von Glasprismen, die die Semadeni Glasbeton AG nachgegossen und in die unteren Glasbausteine eingeschlossen hat. Wir ahnen die Modernität, die all das vor über 80 Jahren ausstrahlte.
Die Rubrik Werkplatz ist eine Kooperation von Hochparterre mit ausgesuchten Firmen und Institutionen des Werkplatzes Schweiz.
Sanierung des Glasdaches der ETH-Maschinenhalle, 2023
Universitätsstrasse
Bauherrschaft: ETH Zürich
Glasbausteinelemente: Semadeni Glasbeton AG, Horgen
Architektur: Itten + Brechbühl, Zürich
Tragwerksplanung: Gruner, Zürich
Gebäudetechnik: Haerter und Partner, Zürich
Semadeni Glasbeton AG
Bockenweg 85
8810 Horgen-Arn
www.semadeni-glasbeton.ch