Eine breite Auswahl an extrudierten Ziegeln.
Im Auftrag von Zürcher Ziegeleien

Das Dach an der Wand

Extrudierte Fassadenziegel der Zürcher Ziegeleien bekleiden Wohnhäuser, Türme und Supermärkte. Sie sind leichter als Sichtmauerwerk, optisch unregelmässig – und wiederverwendbar.

Als Klimakiller ist Beton längst in den Medien. Dass die Ziegelbranche vor ebenso grossen Herausforderungen steht, wissen wenige. Die Knacknüsse: Wie Lehm brennen, ohne Treibhausgase auszustossen? Wie die Steine verbinden ohne CO2-haltigen, allzu harten Zementmörtel? Wie sie wieder auseinanderbekommen, damit die Kreislaufwirtschaft gelingt?

2 Modell Christianshavn Natur, 3 Modell Frederiksberg Natur, 4 Modell Holmen Natur, 5 Modell Nordhavn Natur.

Der Fassadenziegel ‹Urban› löst nicht alle diese Probleme. Aber er reduziert die Materialmengen und positioniert die Ziegler im Fassadenleichtbau. «‹Urban› verbindet die Vorteile von Sichtmauerwerk und Hinterlüftung», erklärt Roman Knuchel von den Zürcher Ziegeleien. Während sich vermauerte Steine und aufgeklebte Klinkerriemchen kaum trennen lassen, handelt es sich hier um einen demontierbaren, diffusionsoffenen und langlebigen Fassadenaufbau. Die Kombination mit einem nachhaltig konstruierten Holzbau bietet sich an.


Anstoss zur Entwicklung des extrudierten Fassadenziegels gab der Krøyers Plads in Kopenhagen, eine Brache an bester Wasserlage zwischen Königlichem Schauspielhaus und Freistaat Christiania. (Fotos: Rasmus Hjortshøj)

Den Anstoss zur Entwicklung gab der Krøyers Plads in Kopenhagen, eine Brache an bester Wasserlage zwischen Königlichem Schauspielhaus und Freistaat Christiania. Nachdem sich verschiedene Entwickler an der Nachbarschaft die Zähne ausgebissen hatten, führte ein partizipativer Planungsprozess zu drei Baukörpern, deren geknickte Wände und Dachflächen an die Giebel und Gauben historischer Speicherhäuser erinnern. Auch das Fassadenkleid sollte an dieses Bild anknüpfen. «Und hier liegt die eigentliche Erfindung», sagt Produktmanager Knuchel, «an der Oberfläche.»


Krøyers Plads in Kopenhagen

Krøyers Plads in Kopenhagen

Nach dem Extrudieren raut eine Art Bürste die Oberfläche des Ziegels auf und gibt ihm eine unregelmässige Struktur. Mittlerweile gibt es vier Varianten, allesamt benannt nach Quartieren in Kopenhagen: Christianshavn, Frederiksberg, Holmen und Nordhavn. Sie sind unterschiedlich stark mit Eisenoxid durchgefärbt und darum unterschiedlich dunkel. Das sieht man nicht nur an den Schnittkanten und den Stössen, sondern auch bei den kleinen Rissen der aufgerauten Oberfläche, die durch den Engobefilm scheinen. In der Variante Christianshavn ist die Engobe nicht flächig appliziert, sondern als schwarze Spritzer aufgesprüht. «Das sieht noch unregelmässiger aus», so Roman Knuchel lobend über den Bestseller im Sortiment. Kein Wunder: Industriell betrachtet mag die heutzutage einheitliche Qualität von Ton und Brand ein Fortschritt sein. Wer die alten Steine nordischer Städte kennt, das Spiel leicht unterschiedlicher Rot- und Gelbtöne, setzt ästhetisch ein Fragezeichen hinter die heute gängigen Produkte. Und genau darum bürstet ‹Urban› die Perfektion aus dem Lehm.


In den meisten Fällen genügt es, die Ziegel mit je zwei Schrauben auf Holzlatten zu fixieren, so auch beim ersten Supermarkt für den europäischen Discounter Netto auf Jütland. (Foto: C. F. Møller Architects / Julian Weyer)

Im Grunde genommen funktioniert der Fassadenziegel wie ein Dachziegel. Er ist nicht gepresst, sondern extrudiert und wahlweise auf Holzlatten geschraubt oder auf eine Unterkonstruktion aus Aluminium geklemmt. In der Schweiz kommt die Systemlösung bald bei einem 17-geschossigen Bauprojekt zum Einsatz. Aber Aluminium und Nachhaltigkeit? «Das ist gewiss nicht optimal», sagt Knuchel offen. «Aber Aluminium ist leicht, und im Hochhausbau sind Holzlatten aus Brandschutzgründen keine Option. Ausserdem schaffen zwei Arbeiter beim Klemmen an einem Tag so nicht nur 50, sondern 150 Quadratmeter.»


Axonometrie des Supermarkts in Horsens (Dänemark). (Plan: C. F. Møller Architects)

In den meisten Fällen genügt es freilich, die Ziegel mit je zwei Schrauben auf Holzlatten zu schrauben. So kamen sie auch beim ersten Supermarkt für den europäischen Discounter Netto zum Einsatz, der beim strengen DGNB-Label das Goldzertifikat erreichte. Dass der Lehm aus dem Baselland es bis nach Jütland schaffte, liegt am geringen Gewicht. ‹Urban› ist dreissig Prozent leichter als übliche Fassadenziegel, was in der Ökobilanz den Transportaufwand wettmacht. Denn erstens lassen sich dünnere Querschnitte extrudieren als pressen. Zweitens ist der Ton selbst nicht vakuumverpresst, was die Tonscherben zwar empfindlicher macht und das Schwundmass erhöht. «Aber nach dem Brand sind sie genauso dauerhaft», sagt Knuchel. «Sie halten mindestens hundert Jahre.» Ob der Supermarkt dann noch steht? Das darf man bezweifeln. Die Frage lautet darum: Werden die wiederverwendbaren Ziegel dereinst abgeschraubt und andernorts montiert? Möglich zumindest ist es.


Die Rubrik Werkplatz ist eine Kooperation von Hochparterre mit ausgesuchten Firmen und Institutionen des Werkplatzes Schweiz.

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