Das denkmalgeschützte Hauptgebäude stellen die Architekten komplett frei und kontrastierten es mit dem verglasten Empfangspavillon. Fotos: Tim Fisher
Im Auftrag von Jansen

Aus Alt mach Neu

Zeitgemässe Transparenz für einen einstigen Kolonialpalast: Stéphane Beel Architekten addieren einen lichten Pavillon aus Glas und Stahl, um das Museum auch inhaltlich zu transformieren.

Die Gemeinde Tervuren liegt zwölf Kilometer östlich von Brüssel. Dort steht mit dem «Koninklijk Museum voor Midden-Afrika» ein historisches Bauwerk, das an die koloniale Vergangenheit Belgiens erinnert: Kongo ist fast achtzigmal mal grösser als der Beneluxstaat und verfügt über Kautschuk, Gold und Kupfer. Und allein im Jahr 1900 erreichten 5000 Tonnen Elfenbein den Hafen von Antwerpen – Stosszähne von rund 80’000 Elefanten.

1897 fand unter König Leopold II. die Weltausstellung in Brüssel statt. Neben der Hauptausstellung im Parc du Cinquantenaire richtete der König in Tervuren zusätzlich eine 96 Hektar grosse Ausstellung zum Freistaat Kongo ein. Dieser war damals in seinem persönlichen Besitz. Er liess im Park von Tervuren ein originalgetreues kongolesisches Dorf errichten. Nach der Weltausstellung liess er für die dort gezeigten Exponate ein dauerhaftes Gebäude errichten. Eingeweiht wurde das von Architekt Charles Girault erstellte Jugendstil-Palast im April 1910.

2020 ist die Geschichte eine andere: Lange diskutierte Belgien über die Zukunft des Museums und entschied sich für eine Neukonzeption. Es folgte ein Wettbewerb für den Umbau und die Erweiterung des Museums und eine überarbeitetes Ausstellungskonzept. Das Büro Stéphane Beel aus Gent erhielt 2007 den Auftrag. Die Aufgabe: Einen differenzierteren Blick auf Zentralafrika und seine Geschichte zu werfen. «Wir müssen reflektiert mit dem umgehen, wofür das Haus einst stand», sagt der Architekt. 

Alt- und Neubau des Afrikamuseums in Tervuren.

Umfassend modernisiert
«Das Museum war in allen Aspekten veraltet», sagt Stéphane Beel. Die Infrastruktur des Gebäudes entsprach ebenso wenig einem modernen Museum wie sein Inhalt einem zeitgemässen Bild von Afrika – eine Restaurierung war angezeigt. Die grosse Herausforderung war es, in dem über hundert Jahre alten Jugendstilpalast eine zeitgemässe, anti-kolonialistische Version des einstigen Afrikamuseums zu schaffen.

Um- und Neubau der Institution dauerte fünf Jahre: In seinem Entwurf für das neue Museum griffen Stéphane Beel Architects auf den ursprünglichen Masterplan von Charles Girault zurück. Das denkmalgeschützte Hauptgebäude stellten sie dafür komplett frei und kontrastierten es mit einem verglasten Empfangsgebäude. Mit Rücksicht auf die originalen Entwurfspläne wurde der alte Bau komplett restauriert und umgestaltet. Elemente, die nicht zum ursprünglichen Gebäude gehörten, riss man ab, originale Marmorplatten, Schmiedearbeiten, Parkettböden, Wandmalereien und Vitrinen wurden vor Ort restauriert. Zudem erneuerte und isolierte man das Dach.

Die Architekten liessen sich für ihren Entwurf vom historischen Bau inspirieren: «Unser Ziel war es mit dem neuen Pavillon den alten Bau zu entleeren und so mehr Raum und Licht für die Exponate zu schaffen», sagt Architekt Maarten Baeye, der das Projekt geleitet hat. Im neuen Pavillon möglichst viel Glas und wenige Profile. Um das zu ermöglichen, stand Jansen aus Oberriet mit Expertise zur Seite. «Wir fanden immer eine Lösung, die uns aber auch die Nutzer zufrieden stellte», sagt Maarten Baeye. So loteten die Architekten die Möglichkeiten des Stahls aus: «Mit einem anderen Material wäre es nie möglich gewesen, derart fragil zu entwerfen.»

Der vollverglaste Empfang soll Gäste sofort auf eine zeitgemässe und transparente Philosophie des Museums einstimmen.

Klimatisch optimiert
Um den thermischen und akustischen Komfort in den Hallen und Galerien zu verbessern, setzte sie in die beinahe sechs Meter hohe Fassade eine Doppelglaswand hinter die bestehende Verglasung – dazu verwendete man Janisol Primo Profile. Für eine erhöhte Stabilität wurden diese mit hinterschweissten Lamellen verstärkt. Die Galerie ist abschnittsweise durch Glaseinbauten mit VISS Fire (EI60) und Janisol 2-Profilen (EI30) unterteilt – mit halbrundem Oberlicht analog zum Gewölbe der Galerie. Sie optimieren den Brandschutz und das Klima der Ausstellungsräume.

Das Brandschutzsystem Janisol 2 aus Stahl erfüllt mit seinen filigranen Profilen wie kein anderes die Ansprüche in Bezug auf bauliche Sicherheit und gestalterische Freiheit. Damit lassen sich multifunktionale Türen und Trennwände realisieren, die sowohl die Ansprüche der Architekten als auch der Bauherren erfüllen. Die Doppelfenster in der charakteristischen Rotunde sind aufgrund der Masse in VISS-Profilen ausgeführt. Hier ist das feste Oberlicht wie in den Galerien für eine korrespondierende Ansicht mit Doppelprofilen versehen.

Vom Empfangspavillon überblicken Besucherinnen und Besucher aus den französischen Garten sowie das schlossartige Hauptgebäude. Hebeschiebetüren ermöglichen, den Pavillon auch zum Park hin zu öffnen.

Neuer Zugang
Im Zuge des Umbaus wurde die öffentlich zugängliche Fläche des Museums von 6000 auf 11’000 Quadratmeter erweitert und mit modernster Technik ausgestattet. Der neue Eingangspavillon besteht aus einer Stahlkonstruktion und ist maximal verglast, was die Gäste auf die zeitgemässe und transparente Philosophie des Museums einstimmen soll. Hier befinden sich die Kassen, ein Museumsshop, das Museumsrestaurant, ein Picknickbereich für Kinder und die Garderobe. Dank der transparenten Fassade überblicken Besucherinnen und Besucher vom Empfangspavillon aus den französischen Garten sowie das schlossartige Hauptgebäude. Janisol Hebeschiebetüren ermöglichen, den Pavillon auch zum Park hin zu öffnen. Die stabilen, hochwärmegedämmten Stahlprofile erlauben schlanke Rahmen bei gleichzeitig hohem Innenkomfort. Die gewählte Bautiefe ermöglicht es, Dreifach-Isoliergläsern bis 57 Millimeter Durchmesser einzubauen, was hervorragende UW-Werte ermöglicht. Und trotz der vergleichsweise geringen Bautiefe von 80 Millimetern und Profilansichtsbreiten von 85 Millimetern können Türflügelgrössen bis zu 3.31 Millimetern Breite und 3.2 Millimetern Höhe realisiert werden. Diese einzubauen forderte die Metallbauer technisch, sagt Ron Jacobs von Kloeckner Metals: «Wir konnten keine Löcher in den Marmor bohren, um die neuen Türen zu befestigen. Wir lösten dieses Problem, indem wir die Stahlrahmen grösser dimensionieren und der Stahl so die Türen selbst an Ort und Stelle hält.»

Von dem freistehenden Empfangsgebäude aus geht es schliesslich unterirdisch ins Hauptgebäude und in die neue Dauerausstellung – tatsächlich befinden sich rund 70 Prozent der neuen Fläche unter der Erde. Der Übergang von Alt zu Neu erfolgt über eine offene Treppe, die den gegenseitigen Blick auf die Gebäude erlaubt. Bei der Konzeption der Dauerausstellung wurden die verschiedenen beteiligten Parteien aus Belgien und Kongo miteinbezogen. Durch die Brüche von Alt und Neu in der Abfolge der Säle bekommt das Museum bewusst eine neue inhaltliche Ausrichtung: Nun wird etwa auch das Leben und die wirtschaftliche Lage in der heutigen Republik Kongo thematisiert. Heute versteht sich das Haus zudem als Zentrum für Forschung und Wissensvermittlung und arbeitet mit verschiedenen Institutionen. Hierbei ist die Provenienzforschung ein zentrales Thema – und die Rückgabe von Kulturgütern aus dem Kongo wird derzeit auch in Paris oder Berlin debattiert. 

Der imposante Blick vom Neubau auf das restaurierte Denkmal.

Die Rubrik Werkplatz ist eine Kooperation von Hochparterre mit ausgesuchten Firmen und Institutionen des Werkplatzes Schweiz.

close

Kommentare

Kommentar schreiben