Zehn Jahre Zusammenarbeit

Die Zusammenarbeit, das sind die Menschen. Wir zeigen vier Perspektiven mit acht Protagonistinnen und Protagonisten der Regionale im Gespräch.

Fotos: Markus Bertschi
In Zusammenarbeit mit Regionale Limmattal, Kanton Aargau, Kanton Zürich

Die Zusammenarbeit, das sind die Menschen. Wir zeigen vier Perspektiven mit acht Protagonistinnen und Protagonisten der Regionale im Gespräch.

Die Gemeindepräsidien
«Etwas anderes als klassische Standortförderung»

Was hat die Regionale erreicht?
Rahel von Planta: Es wurde ein kantonsübergreifendes Netzwerk mit konkreten Projekten geschaffen. Das ist einmalig. Nun kennt man sich persönlich.
Markus Mötteli: Schon vorher gab es Netzwerke in der Regionalplanung, doch das Kantonsübergreifende ist neu. Die Regionale ist kein explizites Raumplanungsinstrument, greift aber in den Raum ein, etwa mit der Bewahrung der Grünräume. Unsere Gemeinde Spreitenbach ist Teil von beiden Grünkorridoren.

Welche neuen Themen hat die Regionale auf den Tisch gebracht?
Markus Mötteli: In der Quartierplanung wird nicht mehr nur über klassische raumplanerische, sondern auch über soziale Fragen diskutiert. Besonders bei grossen Quartiererneuerungen ist das wichtig. Der Fachbeirat der Regionale hat das initiiert.
Rahel von Planta: Ohne die Regionale wären viele Projekte nicht zustande gekommen. Sie sind eher feiner Natur, betreffen weniger den Verkehr und die Infrastruktur, sondern kulturelle Fragen und den Freiraum. Das ist etwas anderes als klassische Standortförderung.

Wie hat die Regionale die Gemeinden unterstützt?
Rahel von Planta: Die Geschäftsstelle ist eine grosse Unterstützung bei der Vermittlung von Kontakten und der Vermarktung von Projekten. Über die Regionale kamen wir zudem zu Mitteln, zu denen wir sonst nicht gekommen wären.
Markus Mötteli: Die Regionale gibt nicht so sehr Antworten auf Probleme, vielmehr regte sie zum Nachdenken über Themen an, die nicht im Fokus standen. Und dann ist da natürlich die finanzielle Unterstützung.

Was hat die Regionale nicht getan?
Markus Mötteli: Die Gemeindeverwaltungen waren stark involviert und diskutierten miteinander, doch die breite Öffentlichkeit bekam davon leider weniger mit. Das liegt auch an der Art der Projekte, die eher künstlerisch und abstrakt waren. Bei konkreten planerischen Anliegen wie einer neuen Tempo-30-Zone ist das anders. Ausserdem gibt es Projekte, die länger brauchen als zehn Jahre, etwa die Zukunft des Bruno-Weber-Parks oder Verbesserungen am Rangierbahnhof.
Rahel von Planta: Die Projekte waren eher klein und wurden trotz Einsatz von sozialen Medien und viel Kommunikation wenig wahrgenommen.

Was bleibt von der Regionale?
Rahel von Planta: Das Netzwerk und einige Projekte. Der Austausch setzt sich hoffentlich in der Limmatstadt AG fort. Oetwil ist jetzt auch mit dabei.
Markus Mötteli: Der Einsatz und die Dynamik der Regionale waren beeindruckend. Projekte wie die Heissen Brunnen in Baden, die Nutzung des Limmatraums und die Grünkorridore werden hoffentlich weitergeführt. Es besteht aber ein Risiko: Wer übernimmt, wenn die Kantonsmittel und die Geschäftsstelle der Regionale fehlen? Hoffentlich wird die Kantonsgrenze nicht wieder stärker. Die Limmatstadt AG hat bis jetzt eher wenig Aargauer Beteiligung.

Die Betriebswirtin Rahel von Planta ist Gemeindepräsidentin von Oetwil an der Limmat ZH und Mitglied des Lenkungsausschusses der Regionale 2025. 
Der Bauingenieur Markus Mötteli ist seit 2021 Gemeindepräsident von Spreitenbach AG, davor war er Bauvorsteher der Gemeinde. 

 

Die Kantonsplaner
«Ein Ausnahmezustand, der Bleibendes schafft»

Was hat die Regionale erreicht?
Wilhelm Natrup: Die Regionale brachte einen neuen Blick auf den Raum und sorgte für Begegnungen, die es ohne sie nicht gegeben hätte. Sie brachte Sichtbarkeit, ein Label für Projekte.
Daniel Kolb: Für grenzüberschreitende Projekte war die Regionale ein ideales Gefäss. Sie etablierte eine andere, eine bessere Zusammenarbeitskultur. Die Regionale erreichte auch unsichtbare Resultate: Man kennt sich, arbeitet zusammen, erinnert sich an positive Anlässe.

Welche neuen Themen hat die Regionale auf den Tisch gebracht?
Wilhelm Natrup: Landschaft und Identität wurden erstmals gemeinsam besprochen und gedacht. Die Regionale hat eine Plattform für den Austausch geschaffen.
Daniel Kolb: Es ging auch um Lebensqualität. Es wurden Projekte lanciert, die ohne Regionale wohl nicht entstanden wären.

Was bringt die Regionale dem Kanton?
Daniel Kolb: Es gibt ein gemeinsames Verständnis und Begegnungen auf Augenhöhe. Vorher verlief die Zusammenarbeit von Kanton und Gemeinden eher klassisch, etwa über grosse Verkehrsinfrastrukturprojekte. Was darüber hinausgeht, ist ohne ein eigenes Gefäss kaum möglich.
Wilhelm Natrup: Die Regionale vermochte einen funktionalen Raum mit Leben zu füllen. Schon vorher war das Limmattal eines der dynamischsten Gebiete der Schweiz, das neue Format brachte frische und innovative Ideen hervor.

Was lief weniger rund?
Wilhelm Natrup: Die Regionale hat viel erreicht, aber nicht genug. Der Anspruch im Bereich Siedlungsentwicklung konnte wegen beschränkter Ressourcen nicht eingelöst werden. Und: Breit sichtbar wurde die Regionale erst mit der Zwischenpräsentation und der Kunst im öffentlichen Raum.
Daniel Kolb: Die Sichtbarkeit war tatsächlich eine grosse Herausforderung. Die Bevölkerung hätte noch besser miteinbezogen werden können. Beteiligt waren vor allem Behörden, Vereine und Projektgruppen. Das Thema Lebensqualität betrifft alle, ist aber etwas sperrig. Zudem hätten wir baulich gerne mehr Bleibendes erreicht.

Was bleibt denn?
Daniel Kolb: Man kennt sich, und das soll so bleiben. Die gern und viel genutzten Freiräume quer zum Tal und entlang der Limmat, etwa die Allmend Glanzenberg, möchte ich ebenfalls nicht mehr missen.
Wilhelm Natrup: Zehn Jahre Regionale haben die Kultur der Zusammenarbeit verändert. Jetzt gilt es, diese Erfahrung weiter zu pflegen.

Ihr Fazit zum Format der Regionale?
Daniel Kolb: Die Regionale ist ein Ausnahmezustand, der Bleibendes schafft. Als Konzept und kleine Schwester der Internationalen Bauausstellung liegen die Schwerpunkte auf der Lebensqualität und der gemeinsamen Arbeit, weniger bei Grossprojekten. Sie war eine Kommunikationsplattform für neue Ideen.
Wilhelm Natrup: Es ist gut, zehn Jahre an einer Sache dranzubleiben und projektorientiert zu arbeiten. Wird verstetigt, ist das Besondere weg, und man betreibt klassische Regionalentwicklung. Ein grosses Plus war die frühe Beteiligung der Stadt Zürich, die mit den Stadtteilen Höngg und Altstetten auch mitten im Limmattal liegt. Die Stadt Baden und weitere grosse Gemeinden waren ebenfalls dabei. Damit war die Regionale ein breit akzeptierter Sondereffort.

Wilhelm Natrup leitete von 2009 bis 2024 das Amt für Raumentwicklung des Kantons Zürich und war massgeblich an der Aufgleisung der Regionale 2025 beteiligt. 
Seit 2012 ist Daniel Kolb Leiter der Abteilung Raumentwicklung des Kantons Aargau. Er gehört zu den Initiatoren der Regionale 2025. 

 

 

Die Fachbeiräte
«Eine neue Art der kantonsübergreifenden Zusammenarbeit»

Wie sind Sie zur Regionale gekommen?
Angelus Eisinger: Ich war bereits im Kuratorium der Internationalen Bauausstellung IBA Basel 2020, das sehr international aufgestellt war. Bei der Regionale ist das anders, die meisten Beteiligten sind regional verankert.
Barbara Emmenegger: Ich war am Projet urbain in Schlieren beteiligt und habe seither einen starken Bezug zum Limmattal. Die Regionale hat meine Erfahrungen mit dem Limmattal noch erweitert.

Was unterscheidet die erste Regionale in der Schweiz von früheren Ausgaben in Deutschland?
Angelus Eisinger: Internationale Bauausstellungen und Regionalen in Deutschland bringen grössere finanzielle Anreize für Gemeinden und Projektträger mit sich. Diese Möglichkeiten waren in der Limmattaler Ausgabe nicht vorgesehen. Es konnte also nicht um Grossprojekte, sondern musste um kleinere Ideen gehen, die etwas tun, das so noch niemand getan hatte. So gesehen war die Übertragung des Formats unvollständig.
Barbara Emmenegger: Im Limmattal ging es um zwei Kantone und viele grössere und kleinere Gemeinden, also um einen föderalen Kontext mit viel politischer Mitbestimmung und direkter Demokratie. Das war in den ehemaligen Industriegebieten in Deutschland anders. Gut war, dass Reimar Molitor viel praktisches Wissen aus früheren Regionalen einbringen konnte.

Was hat die Regionale erreicht?
Barbara Emmenegger: Es ist gelungen, mit den Projekten viel zivilgesellschaftliches Potenzial zu wecken. Es gab Austausch auf verschiedenen Ebenen zwischen Kantonen, Gemeinden und zivilgesellschaftlichen Gruppen. Ich fand es zudem interessant, auch die Stadt Zürich als Teil des Limmattals wahrzunehmen.
Angelus Eisinger: Die Regionale ermöglichte eine neue Art der kantonsübergreifenden Zusammenarbeit und zeigte allen Beteiligten: Das Limmattal ist ein gemeinsamer Raum, der nur gemeinsam entwickelt werden kann. Auch die Zusammenarbeit mit Bildungsinstitutionen, von Schulklassen im Limmattal bis zu Projektwochen mit Hochschulen, war ein wichtiges Element.

Was ist weniger gelungen?
Angelus Eisinger: Das Limmattal war vielleicht nicht ideal für eine erste Regionale in der Schweiz, weil der Entwicklungsdruck schon lange hoch ist und deshalb ohnehin schon viel über das Gebiet nachgedacht worden ist. In bisher nicht so beplanten Regionen dürfte eine Regionale grundlegende Impulse setzen können.
Barbara Emmenegger: Grosse raumplanerische Projekte hatten einen schweren Stand. Sie werden auf anderer Ebene entschieden. Ein Beispiel dafür ist die schiere Unmöglichkeit der Umsetzung einer Veloschnellroute durch zwei Kantone und verschiedene Gemeinden.

Was kann eine Regionale einer Region bringen?
Barbara Emmenegger: Sie ist ein Instrument, das sich eignet, um mit ungewöhnlichen Mitteln grosse sozialräumliche Herausforderungen anzugehen. In Zukunft könnten das auch Fragen im ländlichen Kontext sein, etwa die Abwanderung aus alpinen Gebieten.
Angelus Eisinger: Internationale Bauausstellungen und Regionalen vermögen es, mit komplexen Strukturen zu arbeiten, die die üblichen Planungsaufgaben übersteigen. Sie sind ein temporärer Ausnahmezustand, der Dinge ermöglicht, die sonst nicht angepackt werden.

Angelus Eisinger ist Städtebau- und Planungshistoriker. Er ist Direktor der Regionalplanung Zürich und Umgebung und Mitglied des Fachbeirats der Regionale 2025. 
Die Stadt- und Raumsoziologin Barbara Emmenegger erstellt sozialräumliche Analysen und begleitet Planungsprozesse. Sie ist Mitglied des Fachbeirats der Regionale 2025. 

 

 

Die Projektverantwortlichen
«Eine andere Wahrnehmung der alltäglichen Umgebung»

Wie sind Sie zur Regionale gekommen und was macht sie so besonders?
Jutta Freiwald: Brigitta Johner, die erste Präsidentin der Regionale, hat mich gefragt, die Idee eines Klangteppichs umzusetzen, eine Plattform für Musik im Limmattal.
Sophia Berdelis: Die Regionale bietet eine Startrampe für die Verwirklichung von Ideen. Was ich im Rahmen meiner Arbeit für den Plan Lumière in Zürich bereits angefangen hatte, konnte ich mit Spaziergängen zum Thema Licht weiterführen. Spaziergänge eignen sich gut, um dieses Thema zu vermitteln.

Was bedeutet die Regionale für Ihre Projekte?
Sophia Berdelis: Die Regionale war sehr wichtig – sie bot Vermittlung, Austausch und Feedback zum Projekt. Ohne die Zusammenarbeit mit der Geschäftsstelle wäre die Projektkonzeption langsamer vorangekommen. Dazu kam die Unterstützung bei der Finanzierung. Eine Organisation wie die Regionale schafft Vertrauen auf allen Seiten.
Jutta Freiwald: Peter Wolf, Daniela Hallauer und die Geschäftsstelle waren mitentscheidend, um den Klangteppich zum Fliegen zu bringen. Es ging darum, das abstrakte Projekt der Regionale auf den Boden zu bringen. Die Geschäftsstelle war ein Bindeglied zu den Gemeinden. Und natürlich waren die finanziellen Ressourcen wichtig. Ohne die Regionale wären wir nicht zu Kantonsmitteln gekommen. Dennoch darf man nicht vergessen: Im Vergleich etwa zu Köln-Bonn, wo ebenfalls eine Regionale durchgeführt wurde, ist die Kulturförderung in der Schweiz ohnehin besser ausgebaut.

Wie beteiligte sich die Bevölkerung an den Projekten?
Jutta Freiwald: Durch alle Generationen und Bevölkerungsschichten zog sich das Interesse. Die Musikprojekte sind überregional beliebt. Die ‹Klangblitze› organisieren wir bewusst an unerwarteten Orten, etwa mit Schulklassen in einer Unterführung in Neuenhof oder mit mittelalterlichen Klängen im Manor-Restaurant in Baden. Das Publikum ist begeistert, und wir wecken Interesse für Musik bei Menschen, die sonst vielleicht nicht an ein Konzert kämen.
Sophia Berdelis: An den ‹Promenades Lumières› nimmt ein breites Publikum teil, meist ortskundige Menschen, die dort wohnen, wo der Spaziergang entlangführt. Viele interessieren sich für die Nachtspaziergänge, weil sie für eine andere Wahrnehmung der alltäglichen Umgebung sorgen. Es geht um die Faszination des Nachthimmels. Wollen wir diesen Anblick durch zu viel Lichtverschmutzung verlieren?

Was bleibt von der Regionale?
Sophia Berdelis: Ich weiss jetzt, was möglich ist, und wie ich es anpacken kann. Ich mache in der Region und darüber hinaus weiter. Die Kontakte sind da, die Möglichkeiten und die Ortskenntnis auch. Es braucht aber weiterhin die Unterstützung der Gemeinden.
Jutta Freiwald: Bei mir ist es ähnlich. Es geht weiter. Aber ob ein Projekt weitergeht, hängt von den Beteiligten ab. Und ja: Ohne die Unterstützung der Gemeinden geht es nicht. Wir möchten gern unsere Klangtandems weiterführen: neue spannende Kooperationen, wie etwa Slam Poet Manuel Diener und das Limmat Quartett. 

Sophia Berdelis befasst sich mit Licht und Beleuchtung in Stadträumen. Für die Regionale entwickelte sie die ‹Promenades Lumières›, nächtliche Spaziergänge.
Jutta Freiwald ist freischaffende Kulturmanagerin. Ihr Projekt ‹Klangteppich› bringt Musizierende im Limmattal zusammen, und die Konzertreihe ‹Klangblitze› findet an ungewöhnlichen Orten statt. 

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