Vier Stimmen

Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Architektur, Landschaftsarchitektur und Planung beurteilen die Stadtentwicklung.

In Zusammenarbeit mit der Stadt Dübendorf

Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Architektur, Landschaftsarchitektur und Planung beurteilen die Stadtentwicklung.

«Eine höhere Dichte braucht mehr Gestaltungswillen» Sabine Friedrich

Sabine Friedrich (*1965) ist Stadtplanerin und Co-Geschäftsführerin des Planungsbüros KEEAS in Zürich.

«Dübendorf hat eine grosse Bedeutung für das ganze Glatttal. Es ist die bevölkerungsreichste Gemeinde, wachstumsstark und verfügt über zentrale Bildungseinrichtungen. Zudem zeichnet sich die Stadt durch eine hohe Wohnqualität und gute Versorgungsangebote aus. Auch das angestrebte Wachstum könnte Dübendorf durchaus attraktiver machen. Das Leitbild der Ortsplanungsrevision zeigt dabei sehr gut die künftigen Hauptstränge der Entwicklung auf. Doch die Gemeinde tut sich immer wieder schwer mit Entscheiden, die sie gegenüber Privaten vertreten sollte. Dübendorf dürfte prägnanter und mutiger auftreten. Eine höhere Dichte braucht mehr Gestaltungswillen.

So fehlt zum Beispiel die Auseinandersetzung mit dem Zentrum und dem Bahnhof. Wie die Bahnhofstrasse künftig in Erscheinung treten soll, hat die Stadt bis heute nicht definiert. Entsprechend gibt es für die in der neuen BZO zulässige höhere Dichte keine gestalterischen Vorgaben. Mehr Dichte bedeutet auch mehr Qualität im Aussenraum: Wie sieht der öffentliche Strassenraum aus? Gibt es eine Allee? Was ist mit Parkplätzen? Wie werden die Erdgeschosse eingebunden? Auf diese Fragen braucht es Antworten.

Der Innovationspark positioniert Dübendorf neu auf der Schweizer Landkarte. Wir von KEEAS haben im Team mit Hosoya Schaefer Architects, IBV Hüsler und einem breit abgestützten Begleitgremium beim Kanton den kantonalen Gestaltungsplan ausgearbeitet. Entstehen soll ein Industriegebiet mit einem eigenständigen Charakter und qualitätvollen Räumen für die Bevölkerung. Man kann sich fragen, ob der Flugplatz der richtige Standort dafür ist, weil die Erschliessung nicht optimal ist – ein S-Bahn-Anschluss wäre durchaus wünschenswert.

Der kantonale Gestaltungsplan war das richtige Instrument für diese Entwicklung. Ein Bundesareal und ein Innovationspark sind für die ganze Schweiz von Bedeutung. Der Kanton hat die Gemeinden schon früh mit einem Gebietsmanagement mittels einer kooperativen Planung unterstützt. Weil der Zeitrahmen für die Erarbeitung des Gestaltungsplans ausserordentlich knapp war, gab es nur wenig Raum für eine breite Mitwirkung. In der weiteren Planung sollte sich die Bevölkerung stärker einbringen können. Auch da sind noch viele Fragen offen: Wie wird der Park bespielt? Welche Nutzungen braucht es, damit der Innovationspark keine Insel wird? Wie funktioniert die Anbindung an die Stadt? Wer nutzt die öffentlichen Räume?

Die Stadt Dübendorf hat in den letzten Jahren gezeigt, dass sie nach Lösungen für die Planungsfehler vergangener Zeiten sucht. Die Gemeinde ist auf dem richtigen Weg. Im Idealfall wird der Innovationspark zu einem pulsierenden Anker, mit dem sich die Stadt und die ganze Region identifizieren und der neue Impulse für die Glattalstadt setzen kann. Der Park könnte zur neuen Mitte der Glattalgemeinden werden, ein Central Park der Glattalstadt, wie sie die Planungsgruppe Krokodil einst ersonnen hat.»

 

«Dübendorf wird städtischer, lebendiger und durchmischter» Liliane Haltmeier

Liliane Haltmeier (*1984) ist Architektin und Mitgründerin des Büros Haltmeier Kister in Zürich. Seit Herbst 2021 sitzt sie in der Stadtbildkommission von Dübendorf.

«Seit einem Jahr arbeite ich in der Stadtbildkommission mit, lerne das heutige Dübendorf kennen und denke über seine Zukunft nach. Dübendorf hat sich in den letzten Jahren stark verändert, ein neuer Massstab ist hinzugekommen. Die Herausforderung wird sein, dieses neue Dübendorf mit dem alten Dübendorf zu vernetzen und ein verständliches Stadtgefüge zu schaffen. Im räumlichen Entwicklungskonzept gibt es viele gute Ideen dazu, die nun umgesetzt werden müssen: die bestehenden Achsen stärken, den Glattraum aufwerten und im verdichteten Siedlungsgebiet neue Freiräume schaffen. Wichtig ist, dass die Vernetzung nicht nur auf der räumlichen Ebene stattfindet, sondern auch auf der sozialen. Auf dem Hochbord-Areal muss es preisgünstige Wohnungen geben, damit auch Menschen dorthin ziehen können, die bereits in Dübendorf wohnen.

In den vergangenen zehn Jahren ist in Dübendorf mehr passiert als in den 100 Jahren davor. Die Stadt wurde überrannt von dieser rasanten Entwicklung. Das darf aber nicht einfach passieren, sondern muss vom ersten Baustein an begleitet werden. Und Dübendorf muss über die Grenzen schauen und das Gesamte im Blick behalten. Gut, dass es nun das räumliche Entwicklungskonzept gibt. Auch das städtebauliche Modell des Hochbord-Areals hilft. Und beim Innovationspark bietet sich nun die Chance, frühzeitig ganzheitlich zu planen und von Anfang an auf Konkurrenzverfahren zu setzen.

In der Stadtbildkommission beurteilen wir diverse Projekte – den kleinen Eingriff in der Kernzone genauso wie das Hochhaus auf dem Hochbord. Wir haben einen klaren Leitfaden, der vom Städtebau über den Freiraum bis zur Materialisierung reicht. Viele Bauherrschaften haben es so eilig, scheint es, dass ihre Projekte mehrmals auf unserem Tisch landen. Wir müssen dafür sorgen, dass gute Bauten entstehen, und das durchsetzen – auch wenn das Haus dadurch erst ein halbes Jahr später bezugsbereit ist.

Leider wurde die Stadtbildkommission dieses Jahr um ein Mitglied verkleinert, was ich bedaure. Lange hatte die Politik sogar das Gefühl, dass es diese Kommission gar nicht brauche. Aber es ist wichtig, sich für eine gute Qualität der Projekte einzusetzen. Viele Akteure prägen die Entwicklung der Stadt mit Herzblut. Die Stadtplanung macht ihre Arbeit sehr gut. Aber ihre Ressourcen sind beschränkt, und sie kann leider nicht jeden Wettbewerb begleiten.

Dübi ist halt Dübi, hiess es oft. Doch die Stadt hat viele Qualitäten, die wir stärken können: den Fluss im Zentrum, das viele Grün rundherum, das Flugfeld als künftigen Innovationspark. Ich blicke positiv in die Zukunft: Dübendorf wird städtischer, lebendiger und durchmischter werden.»

 

«Die Transformation müssen wir so gestalten, bis wir den Wakkerpreis holen»Stefan Rotzler

Stefan Rotzler (*1953) ist Landschaftsarchitekt und Mitglied der Stadtbildkommission von Dübendorf. Er wohnt in Gockhausen.

«Wir wohnen seit 1986 in Gockhausen. Der Ort hat eine eigene Identität: nicht mehr Zürich und noch nicht ganz Dübendorf. Seit einigen Jahren sitze ich in der Stadtbildkommission von Dübendorf und rühre dort gehörig im Topf herum, wenn es um städtebauliche und freiräumliche Fragen geht. Ich sage gern: Aus Dübendorf wird Dübenstadt. Diese Transformation müssen wir so gestalten, bis wir den Wakkerpreis holen. Das ist ein Running Gag von mir, dessen Botschaft ich wie ein Mantra wiederhole: qualitativ verdichten, schrittweise und gescheit planen, respektvoll entwickeln.

Die Problematik der Agglo zeigt sich in Dübendorf deutlich. Doch in den letzten Jahren hat sich einiges getan. Ich glaube, dass die Stadt die Dinge in eine gute Richtung bewegen kann. Dübendorf funktioniert etwas hemdsärmelig im Unterschied zum durchprofessionalisierten Zürich. Diese andere Planungskultur eröffnet Möglichkeiten, weil man die Themen relativ einfach und unbürokratisch angehen kann. Das weiss auch die Baulobby. Und das kann dann zu Projekten führen wie dem Jabee-Tower, der uns in der Stadtbildkommission teilweise durch die Lappen ging. Da hat die Stadt gemerkt, dass sie die Dynamik steuern muss, damit am Ende kein Investorenquartier dabei herauskommt.

Ich habe mich dafür eingesetzt, bei jedem Bauvorhaben einen Wettbewerb zu machen und den Freiraum anständig und von Anfang an mitzudenken, statt ihn lediglich als Überbleibsel zu behandeln. Beim Three-Point-Park haben wir ein Charrette-Verfahren ausprobiert. Das ist kein SIA-konformer Wettbewerb. Aber es ist immerhin gelungen, Stadt und Investoren an einen Tisch zu bringen. Seither gab es für fast alle Baufelder Konkurrenzverfahren. Den Investoren ist nun klar: Sie können nicht einfach mit irgendeinem Büro kommen. Man nimmt das ernst, pflegt einen fachlichen Diskurs. Das ist eine tolle Erfahrung. Es macht mich ein bisschen stolz, dass wir ein gewisses Baukulturlevel erreichen konnten.

Je dichter es wird, desto wichtiger wird der Freiraum. Für das Hochbord gab es dafür kein übergeordnetes Konzept, also muss man für jedes Teilstück das Beste herausholen. So habe ich Freiraumplanung nicht gelernt an der Hochschule. Aus der Not heraus haben wir situativ reagiert. Ich habe eine Skizze für das Gebiet gezeichnet, benannt nach dem Song ‹Take Five›: Fünf Parkanlagen sind mit einer Schnur verbunden. Die Skizze dient der Stadt und den Entwicklern nun als visionäre Vorgabe.

Andere Agglomerationsgemeinden können von Dübendorf lernen: Wenn es nicht geht mit einer superseriösen Planung von Anfang an, kann eine Bottom-up-Pfadi-Methode viel bringen. Die Entwicklung von Dübendorf ist eine verrückte Story. Es könnte sein, dass es am Ende recht gut herauskommt. Obwohl der Weg eigenartig war. Aber ich bin ja bekannterweise ein grenzenloser Optimist.»

 

«Dass jeder für sich wurstelt, ist schon lange vorbei» Lothar Ziörjen

Lothar Ziörjen (*1955) ist Architekt und BDP-Politiker. Von 1994 bis 2006 war er Hochbauvorsteher in Dübendorf, danach bis 2018 Stadtpräsident.

«In meinen 24 Jahren im Stadtrat – zuerst als Hochbauvorsteher und danach als Stadtpräsident – hat sich Dübendorf vom Dorf zur Stadt entwickelt. Nachdem 1990 die S-Bahn eröffnet wurde, konnte 2010 die Glattalbahn als Querverbindung zum Flughafen Kloten den Betrieb aufnehmen. Das waren verkehrstechnische Quantensprünge, die einen hohen Siedlungsdruck auslösten. Für die Alteingesessenen war das teilweise ein schwieriger Prozess. Sie verstanden Dübendorf als dörfliche und nicht als Agglomerationsgemeinde. Inzwischen haben sie aber akzeptiert, dass eine dynamische Entwicklung stattfindet.

In der Zürcher Planungsgruppe Glattal haben die Gemeinden im Glattal gemeinsam an der Transformation gearbeitet und Rahmenbedingungen entwickelt. Dass jeder für sich wurstelt, ist schon lange vorbei. In Workshops wurden Probleme aufgedeckt, Ziele festgelegt und Studien initiiert. Daraus entstand beispielsweise die Planungsvorgabe für ein Band mit Hochhäusern entlang der Glattalbahnlinie. Die Zusammenarbeit mit der Stadt Zürich war früher nicht sehr eng. Die Limmatstadt gab den Takt vor, als Dübendorfer hatte man nicht viel beizutragen. Durch Projekte wie den Bahnhof Stettbach haben wir gelernt, zusammenzuarbeiten. In den vergangenen 20 Jahren ist der Austausch intensiver geworden, und man begegnet sich auf Augenhöhe. Das ist auch das Verdienst der Stadt Zürich, die mit den Gemeinden zusammenarbeiten will.

In den letzten Jahren kam immer mal wieder das Thema einer Fusion der Glattalgemeinden zur Glattalstadt auf. Das ist aber noch nicht trag- und auch nicht mehrheitsfähig. Vielleicht in 50 Jahren, wer weiss. Es gibt andere Möglichkeiten, gemeinsam zu planen. Beim Zwicky-Areal zum Beispiel haben wir zusammen mit Wallisellen und der Eigentümerschaft einen Gestaltungsplan über die Gemeindegrenze hinweg erstellt. Da musste politisch und zeitlich alles eng aufeinander abgestimmt sein. Eine solche Planung gab es bisher wahrscheinlich noch nirgends.

Was ich bedaure, ist die schleppende Entwicklung beim Flugplatz Dübendorf. Gerne hätte ich den Innovationspark als Stadtpräsident planerisch abgeschlossen. Durch Rekurse haben wir fünf bis zehn Jahre verloren. Aber das Instrument des kantonalen Gestaltungsplans war Neuland. Hätte man damit mehr Erfahrung gehabt, wäre der Kanton womöglich anders vorgegangen. Er hat dann entschieden, neu anzufangen. Planerisch ist das auch eine Chance, weil mehr Beteiligte einbezogen werden.

Ein Blick in die Zukunft: Es ist vorstellbar, dass sich Dübendorf zu einer Stadt mit 40'000 Einwohnerinnen und Einwohnern entwickelt. Die planerischen Vorgaben dafür sind schon heute mehr oder weniger gegeben. Gesellschaftlich und emotional ist das jedoch noch nicht bewältigt. Ich bin überzeugt: Irgendwann wird man Dübendorf wieder als Einheit spüren und leben. Aber das braucht Zeit.»

Dieser Artikel ist Teil der Themenwebsite ‹Dübendorf wächst›, die in Zusammenarbeit mit der Stadt Dübendorf und weiteren Partnern entstanden ist.

Kommentare

Kommentar schreiben