Redaktor Marcel Bächtiger staunt über die verbreitete Kulturfeindlichkeit.

Und schuldig sei die Architektur

In der Polemik um das Zürcher Kinderspital paaren sich Ignoranz und Kulturfeindlichkeit. Eine kleine Verteidigung wahnsinniger Bauprojekte.

Bis eben noch freute sich die Zürcher Bevölkerung auf das neue Kinderspital von Herzog & de Meuron, das im Herbst eröffnet werden soll – das erste Bauwerk der Basler Architekten in der Limmatstadt! Im Frühling dieses Jahres wurde jedoch bekannt, dass der Neubau mehr kostet als geplant, dass der Eleonorenstiftung als Trägerin des Kinderspitals das Geld ausgegangen ist und dass der Kanton mit einem zusätzlichen 100-Millionen-Darlehen in die Bresche springen muss. Seither macht sich ein Verdacht breit: Die Vorfreude war naiv. Einige Leute wussten es immer schon besser: «Den Auftrag für den Neubau an zwei Stararchitekten zu vergeben, die damit ein Denkmal setzen, war ein unverantwortlicher Entscheid», gab ein bekannter Herzchirurg öffentlichkeitswirksam zu Protokoll. Gleiches hatte ein Gesundheitspolitiker der SVP gedacht. «Seid ihr noch bei Trost?», soll es ihm bei einem Spaziergang über die Baustelle durch den Kopf gefahren sein. «Wir brauchen Funktionsbauten, nicht zukünftige Denkmalschutzobjekte.» Bei einer Vertreterin der FDP klang es sehr ähnlich: «Muss es denn wirklich immer ein Stararchitekt sein? Ging es hier zu sehr um Prestige und zu wenig um Zweckmässigkeit?» Und auch auf linker Seite war die Empörung über die «Luxuslösung» gross, allerdings mit einer kleinen Variation zur Frage der Schuld: Das Buhlen um Privatpatienten treibe die Spitäler in «wahnsinnige Bauprojekte», befand eine Politikerin der Alternativen Liste. «Völlig sekundär» Dass der Neubau nicht bei Stararchitekten bestellt worden war, sondern aus einem zweistufigen Wettbewerb mit 33 Bewerbungen und 19 ausgewählten Büros hervorgegangen war, spielte keine Rolle mehr. Auch nicht, dass das erstrangierte Projekt von Herzog & de Meuron laut Jury-Beurteilung das wirtschaftlichste war, am wenigsten Fläche verbrauchte und das kleinste Volumen überbaute. Allgemeine Teuerung, koste...
Und schuldig sei die Architektur

In der Polemik um das Zürcher Kinderspital paaren sich Ignoranz und Kulturfeindlichkeit. Eine kleine Verteidigung wahnsinniger Bauprojekte.

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