«Simulation verbessert
die Architektur»

Die Simulationsexpertin Nora Colman erforscht den Einfluss von Architektur und Design auf die Patientensicherheit. Im Interview erklärt sie, was eine frühzeitige Simulation für die Planung bringt.

Fotos: Marco Frauchiger
In Zusammenarbeit mit Swiss Center for Design and Health

Die Simulationsexpertin Nora Colman erforscht den Einfluss von Architektur und Design auf die Patientensicherheit. Im Interview erklärt sie, was eine frühzeitige Simulation für die Planung bringt.

Nora Colman, wie überzeugen Sie Krankenhausmanagerinnen und Architekten davon, dass sich eine Simulation lohnt?
Nora Colman: Indem ich ihnen die möglichen Sicherheitsverbesserungen und Kosteneinsparungen aufzeige. Wir wissen, dass die gebaute Umgebung die Sicherheit der Patientinnen beeinflusst. Schlecht gestaltete Räume führen zu höheren Personalkosten, weil sie ineffizient betrieben werden, oder sie können kostspielige Sicherheitsprobleme verursachen.

Wer gibt normalerweise den Anstoss, in der Planung eine Simulation anzuwenden?
Im Planungsprozess werden Architektinnen auf Fragen stossen, bei denen das Spitalmanagement nur schwer entscheiden kann. Das gibt den Architekten die Gelegenheit zu sagen: Wir könnten diesen Bereich in einer Simulation testen. So erhalten wir umfassendere Informationen, die bei der Entscheidungsfindung helfen. Gleichzeitig erhält das Management die Möglichkeit zu sagen: Dieser Raum wird ganz anders aussehen, als wir es gewohnt sind. Wir möchten das Feedback unserer klinischen Teams einholen, damit wir gute Entscheidungen treffen können.

Welche Vorteile bringt die Simulation den Architekturbüros im Planungsprozess?
‹Work as imagined› ist selten ‹work as done›. Planende können einen Raum entwerfen und sich die Nutzung vorstellen, aber die Realität sieht oft anders aus. Die Klinikmitarbeitenden interagieren möglicherweise ganz anders damit. Simulation macht diese Unterschiede sichtbar.

Was ziehen die Klinikmitarbeitenden aus einer Simulation?
Sie haben oft Mühe, eine zweidimensionale Zeichnung in den Kontext ihrer Arbeit zu übertragen. Wenn ein Raum nicht ihren Bedürfnissen entspricht, entwickeln sie alternative Lösungen, um ihre Arbeit zu erleichtern. Diese Alternativen können jedoch unsicher oder ineffizient sein, deshalb ist es wichtig, sie frühzeitig in den Planungsprozess einzubeziehen.

Haben Sie ein Beispiel dafür?
Als wir unser Krankenhaus in Atlanta bauten, planten wir die Raumaufteilung und stellten sicher, dass alle Geräte ihren Platz hatten. Auf dem Papier sah alles grossartig aus. Aber als die Klinikmitarbeitenden den Raum in der Simulation nutzten, konnten sie den Kopf des Bettes nicht erreichen, sobald ein Patient an Geräte angeschlossen war. Simulation zwingt sowohl die Architektinnen als auch das Spitalmanagement, über den typischen Planungsprozess hinauszudenken. Es hilft allen, die Architektur aus der Perspektive derjenigen zu sehen, die den Raum auch tatsächlich nutzen werden.



 


Die Architektur beeinflusst also nicht nur die Qualität der Versorgung, sondern auch das Wohlbefinden der Mitarbeitenden.
Räume ohne klinischen Input zu gestalten, führt zur Überlastung der Mitarbeitenden. Klinikmitarbeitende wollen nicht in Räumen arbeiten, die nicht auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind. Wenn ein Krankenhaus die Angestellten nicht in den Planungsprozess einbezieht, signalisiert es damit, dass die Meinung der Arbeitenden nicht geschätzt wird, was die Moral weiter untergräbt und die Personalfluktuation erhöht. Und Fluktuation ist teuer.

Sind Architektinnen Ihrer Erfahrung nach bereit, sich auf den Prozess der Simulation einzulassen?
In den USA beobachten wir einen kulturellen Wandel. Architekten binden zunehmend Endnutzerinnen in ihre Prozesse ein, aber auch die Krankenhausleitungen müssen offen dafür sein. Simulationen führen oft zu Designänderungen, und beide Parteien müssen bereit sein, diese anzunehmen. Ziel der Simulation ist es nicht, die Architektur zu kritisieren, sondern sie zu verfeinern und zu verbessern, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen.

Ist Spitalarchitektur nicht standardisierbar?
Die Gesundheitsversorgung ist sehr nuanciert und je nach Krankenhaus, Land und sogar je nach Team sehr anders. Es gibt keine Einheitslösung für das Design von Krankenhäusern, weil jedes System die Pflege unterschiedlich organisiert. Architektinnen müssen eine Balance zwischen Standardisierung und Individualisierung finden. Das funktioniert nur, wenn sie mit den Klinikpersonal zusammenarbeiten, um zu verstehen, wie die Versorgung in ihrem spezifischen Umfeld abläuft.

Wie stellen Sie sicher, dass Architekten und Krankenhausmanager während des Simulationsprozesses klar miteinander kommunizieren?
Alle Beteiligten müssen ein gemeinsames Verständnis der Ziele und Grenzen der Simulation haben. Gewisse Designelemente können nicht verändert werden, und das muss von Anfang an klar sein. Wir verwenden auch Werkzeuge wie die Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA), um Probleme nach Sicherheits- und Effizienzkriterien zu priorisieren. Es ist wichtig, dass sich der Architekt und die Krankenhausbetreiberin einig sind, wie nach der Simulation Entscheidungen getroffen werden. Die Entscheidungen müssen ganz nach oben getragen werden, um sicherzustellen, dass die Erkenntnisse aus der Simulation auch umgesetzt werden.

Simulationen sind aufwendig und scheitern oft an den Kosten.
Die Kosten sind besonders für Spitäler ein Thema. Die Simulation erfordert Zeit und Personal, was auf den ersten Blick abschreckend wirkt. Aber sie muss nicht teuer sein. Wir können Simulationen skalieren, von einem einzelnen Raum bis zu einer ganzen Abteilung. Es geht darum, den Krankenhäusern die langfristigen Kosteneinsparungen zu verdeutlichen. Je früher man Planungsfehler entdeckt, desto günstiger ist es, sie zu beheben.

Haben Sie ein Beispiel?
Wir verwenden ein Konzept namens Kosten-Einfluss-Kurve. Dieses zeigt, wie kostengünstig Änderungen in der frühen Planungsphase sind, während sie nach Beginn des Baus viel teurer werden. In einem Fall musste eine Notaufnahme komplett umgebaut werden, was Millionen gekostet hat. Mit Simulationen kann man solche Probleme frühzeitig erkennen und so sowohl Bau- als auch Betriebskosten langfristig einsparen.

Welche Rolle kann das SCDH in diesem Prozess spielen?
Die Verwendung von Simulationen zur Überprüfung von Krankenhausdesigns ist eine relativ neue Anwendung. Nur wenige wissen, wie man sie richtig durchführt. Selbst wenn ein Krankenhaus Simulationen für die Ausbildung verwendet, ist das nicht dasselbe wie die Überprüfung einer physischen Umgebung. Und auch Architekturbüros, die auf Krankenhausplanung spezialisiert sind, fehlt dieses Wissen. Das SCDH bietet den nötigen Raum und die Expertise für die Durchführung der Simulationen.

Kann diese Expertise über die Planung eines einzelnen Projekts hinausgehen?
Das SCDH ist neutral und an kein bestimmtes Architekturbüro, Krankenhaus oder an einen Lieferanten gebunden. Deshalb ist es der ideale Ort für Zusammenarbeit und Innovation. Es bietet die Möglichkeit, Architektinnen, Klinikmitarbeitende und Krankenhausleitungen zusammenzubringen. Das SCDH ist eine einzigartige Plattform, die einen neuen Standard für die Architektur von Gesundheitseinrichtungen weltweit setzen könnte.

Was bedeutet das für Architekturschaffende?
Ein Architekturbüro könnte am SCDH Kompetenzen entwickeln, die es in verschiedenen Ländern nutzen kann. Man könnte Gesundheitspersonal aus zehn verschiedenen Krankenhäusern in eine universelle Architektur integrieren. Ein Entwurf mit diesen spezifischen Merkmalen würde für viele Projekte funktionieren. Und dieses Grunddesign könnte man dann weiter optimieren und an die individuellen Bedürfnisse anpassen.

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