Die Zürcher Sportprovisorien von Pool Architekten sind demontierbar und reaktionsfähig, klug konstruiert und spielerisch schön. Holzbau in Höchstform.
Obwohl wir noch meilenweit von wirklich zirkulärer und klimakluger Architektur entfernt sind, etabliert sich längst ein Stil: Holzskelettbauten mit Photovoltaikbändern, so scheint es, sind die Zukunft. Wie bei jedem guten Klischee ist da was dran. Wie bei jedem schlechten Klischee lohnt sich die Suche nach Alternativen. Und gerade wer nach zukunftsfähiger Architektur und dem Schönen zugleich strebt, muss sich fragen: Wie könnte die Zukunft der Architektur denn sonst noch aussehen?
Im Falle der Sportprovisorien, die Pool Architekten erst für den Kanton Zürich entwickelt und dann für die Stadt angepasst haben, kommt sie leicht und luftig daher. Farbig gestrichene Lisenen verdecken die Stösse der Fassadenelemente und gliedern das Kleid im aufstrebenden Takt. Dazwischen liegen gewellte, glasfaserverstärkte Kunstharzplatten – richtig, aus Plastik! – und lassen die Konstruktion durchscheinen. Eine gestrichene Pavatexplatte ist der helle Grund, auf dem die Horizontalen und Vertikalen der Kreuzlattung ihre Linien ziehen.
Das Prinzip ist stets gleich, doch für jeden Kontext mischen die Architekten die Farben zusammen mit der Designerin Paola De Michiel neu. Mal wirkt das dezenter, mal knalliger. Immer aber erstaunlich direkt und einfach. Und es ist beinahe paradox: Unbekümmert zeigt die transparente Hülle ihre Konstruktion, ohne ihr hölzernes Dasein in die Stadt zu posaunen. Ein Holzbau? Natürlich. Aber einer, der längst erwachsen ist und sich nicht erklären muss.
Der temporäre Ausdruck ist kein Zufall. Tatsächlich stellte der Kanton Zürich fest, dass er im Rahmen von Sanierungen, Umbauten und Erweiterungen seiner Schulhäuser einige Bedarfslücken für den Sportunterricht hatte. Per Planerwahlverfahren suchte er darum im Jahr 2020 Vorschläge für demontierbare und wieder aufstellbare Provisorien. Denn wenn die Nutzungsdauer am Ort gar kurz ist, gibt es zwei Wahrheiten: Erstens muss dann der Ressourcenaufwand umso kleiner sein und zweitens lässt sich die Lebensdauer dann nur andernorts verlängern.
Natürlich bewegen wir uns im Segment und Normenkorsett öffentlicher Bauten im Grossraum Zürich. Doch einfach mal ein Provisorium aufstellen und die Anforderungen runterschrauben? Weit gefehlt: Was länger als zwei Jahre steht, muss sämtliche Neubaunormen erfüllen und eine volle Baueingabe absolvieren. «Wir haben das System mehrfach in sensible Orte gebaut», sagt Pool-Partner Thomas Friberg, «und darum mit dem Baukollegium, der Denkmalpflege und der Gartendenkmalpflege an der Einpassung in den jeweiligen Kontext gefeilt.»
Demontierbar konstruiert
In dieser Reaktionsfähigkeit liegt die Qualität des Systems. Ob Einfach- oder Doppelsporthalle, ob Garderoben in der Mitte und Geräteräume am Rand oder umgekehrt, ob Nebenbauten an der Längs- oder an der Schmalseite, ob Mittelgang oder nicht – die Module und Elemente lassen sich zu verschiedenen Konfigurationen fügen, angepasst an Raumbedürfnisse und Orte. Hinzu kommt das erwähnte Farbspiel. Jedes Projekt ist so gesehen eine Variation derselben Prinzipien.
Der Bauablauf ist immer gleich. Betonierte Punkt- und Streifenfundamente halten den Leichtbau gegen die Windkräfte am Boden. Die Stahlträger darüber dienen als präzis geshiftetes Gitter und als Basis für den Holzbau. Nun folgen erst die Sporthallen: Bodenelemente, dann Fassadenelemente, dann Träger. Als Nächstes Winddichtung und Lattenrost, dann Wellblechdach und Dachbegrünung, am Ende Photovoltaik. Sobald die Hallenwände stehen, startet die Aufrichte der Nebenbauten: Als Erstes kommen hier die Duschen und Toiletten als hochinstallierte Raummodule samt Technik über der Decke. Als Nächstes folgen Stützen und Träger, dann die Innenwände und die Fassadenelemente. Am Schluss wieder Kaltdach mit Stahlblech, darüber Grün. Fertig.
«Grundsätzlich müsste die Demontage im Rückwärtsgang ähnlich laufen», sagt Friberg, «bloss der gegossene Sportbelag und die Betonfundamente bleiben übrig, ausserdem Kleinigkeiten wie der Dämmmantel der Haustechnikleitungen.» Tatsächlich gibt es einige kluge Details: Die aussenliegenden Lisenen sind nicht bloss ein Abbild der Raumstruktur, sondern auch eine Winddichtung. Ebenso sind die Hallensegmente innen mit flächenbündigen Holzschlössern verschraubt. Die oft proklamierte Demontierbarkeit des Holzbaus scheint zu Ende gedacht. Ob sie es auch ist, wird sich frühestens 2026 zeigen, dann ist die erste Demontage geplant.
Schrittweise lernfähig
Innert vier Jahren bauten Pool Architekten vier Sportanlagen, zwei weitere sind im Bau, nochmals zwei in Planung. Das bedeutet ein konstantes Lernen und Weiterentwickeln. 2021 ermöglichte der Kanton der Stadt Zürich, auf dem System aufzubauen. Diese entschied sich bei der Überarbeitung allerdings für kleinere Flächen, zusätzlich eingebaute Turngeräte und eine natürliche Belüftung der Hallen. Da die Anlage der Schule Döltschi nach nur zwei Jahren umziehen soll, wählte sie dort ausserdem einen wiederverwendbaren, aber teureren Klick- statt Gussboden. Derzeit liegt der Ball wieder beim Kanton. Auf der Parzelle des ehemaligen Güterbahnhofs Zürich entsteht eine Anlage für die Kantonsschule Wiedikon. Das Baubüro In Situ verantwortet den Modulbau der Schule und übertrug darauf das Fassadenprinzip der Sportanlage von Pool. Diese steht erstmals auf transportierbar segmentierten Fundamenten und übernimmt umgekehrt von der Schule das Lüftungsprinzip. Als neue Antwort auf die Minergie-Anforderung wird die Luft nun zentral eingeblasen und über die Garderoben abgesaugt. «Der Korridor dient quasi als Leitung», erklärt Friberg, «das spart im Vergleich zum Vorgänger 80 Prozent Lüftungsrohre.»
Mittlerweile haben Blumer Lehmann und Pool Architekten mit dem System einen Wettbewerb in der Stadt Bern gewonnen. So wie Bauart ihr in Thun entwickeltes System ‹Züri-Modular› seit 1998 an 60 Standorten mit über 1000 Modulen aufstellten, könnte sich das System von Pool weiterverbreiten und entwickeln.
Idealerweise dauerhaft
Ob die Anlagen einst abtransportiert und weiterverwendet werden, hängt letztlich nicht nur von den konstruktiven Möglichkeiten ab. Veränderte Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen sind langfristig wohl die grössten Fragezeichen. Anders gesagt: Wiederverwendbarkeit ist ein Angebot, dessen Nachfrage in der Zukunft liegt.
So oder so wird der erste Ab- und Wiederaufbau zum Härtetest. Ob es wirklich schon 2026 so weit ist oder die Provisorien doch noch länger stehen bleiben? Ob die Anlage am Güterbahnhof dereinst, ganz im Zeitgeist, erhalten und erweitert statt ersetzt wird? Ob daraus dann mehrere Jahrzehnte werden, so wie bei manch anderen Provisorien? «Das sollte eigentlich möglich sein», so Friberg, «denn was demontierbar ist, ist auch reparierbar.»
Wiederverwendbare Sportbauten, seit 2020
Zürich
Bauherrschaft: Hochbauamt Kanton Zürich (Planerwahlverfahren 2020) und Amt für Hochbauten Stadt Zürich (Konzeptstudie 2021)
Architektur: Pool, Zürich
Farbkonzept: Studio Paola De Michiel, Besazio TI
Holzbauingenieure: Makiol Wiederkehr, Beinwil am See AG
Bauingenieure: Schnetzer Puskas, Zürich
Holzbau: Blumer Lehmann, Gossau SG, (kantonale Bauten); Schäfer Holzbautechnik, Dottikon (städtische Bauten)
Holzart: Fichte / Tanne, gestrichen (kantonale Bauten); Fichte / Tanne, naturbelassen (städtische Bauten)
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