Im ‹Drei-Häuser-Hotel Caspar› spielt der Saal eine zentrale Rolle. Entsprechend festlich hat die Architektin Tilla Theus ihn gestaltet. Der Prix Lignum 2024 für Schreinerarbeiten geht ins aargauische Muri.
Mit dem ‹Ochsen›, dem ‹Adler› und dem ‹Wolf› reihen sich drei neue Tiere in die lange Werkliste der Architektin Tilla Theus ein. Die Häuser bilden zusammen das Hotel Caspar, benannt nach dem Maler Caspar Goar Wolf, 1735 in Muri geboren und einer der wichtigsten Schweizer Maler seiner Zeit. Der ‹Adler› ist das älteste Haus, der ‹Wolf› das neueste. Ein lang gestreckter Festsaal verbindet Letzteres mit dem ebenfalls historischen ‹Ochsen›. Mit dem Umbau und der Sanierung hat die Architektin dem geschichtsträchtigen ‹Ochsen› seinen früheren stolzen Auftritt im Klosterdorf zurückgegeben und ihn zu einem Ort für zeitgemässe hochstehende Gastronomie gemacht.

Um Platz für die Küche zu schaffen, hat sie das Treppenhaus mit Lift im Rücken des bestehenden Gebäudes neu erstellt. Der ‹Adler› steht an einer anderen Ecke des Gevierts, gleich gegenüber den Mauern des Klosters Muri. Blickfang sind hier die aus Faserbeton geformten Adlerschwingen im Erdgeschoss, die als Kapitelle die Kräfte in die Stützen ableiten.
Weil sich mit den wenigen Zimmern des ‹Ochsen› und des ‹Adler› kein rentabler Hotelbetrieb führen liesse, entstand anstelle eines baufälligen zweistöckigen Vorgängerhauses der ‹Wolf›. Besonders ausgezeichnet ist seine Stirnseite: Ein leichter Knick in der Fassadenachse und ein sich leicht nach vorn beugender Giebel erzeugen als Willkommensgeste einen kleinen Vorplatz beim Eingang.
Der Saal, der alles verbindet
Herzstück und Lebenselixier des Hotels ist der neue Saal, mit dem sich das ‹Caspar› als Ort für Veranstaltungen, Tagungen und Hochzeitsfeste positioniert. Ein grosses, mehrfach gefaltetes Dach verbindet den ‹Ochsen› mit dem ‹Wolf›. Unter den mit Metallschindeln gedeckten Dachflächen verbirgt sich jedoch nicht nur der vielfältig nutzbare Saal, sondern auch das lang gestreckte Foyer sowie die neue Treppe und der Lift des ‹Ochsen›. Die Inspiration für das doppelgiebelige Dach fand Tilla Theus bei einem Nachbarhaus – dieses ist inzwischen abgebrochen worden. Wie ein grosses Faltwerk liegt das Dach über dem im Verhältnis zur Länge eher breiten Saal. Die Giebel ziehen ihn lang und schaffen so bessere Proportionen.
Die Platzverhältnisse für den Bau des Saales waren äusserst knapp. Zudem verkürzte die neue Erschliessung des ‹Ochsen› und der Nebenräume den Saal. Deshalb ist das Foyer als schmaler Streifen ausgebildet, und es übernimmt mehrere Funktionen: In der Längsrichtung verbindet es die beiden Häuser miteinander, in der Querrichtung vermittelt es aus dem Saal zum Vorplatz. Von hier aus führen ein paar Stufen auf einen intimen Platz, den Aussenraum des Drei-Häuser-Hotels.
In der für sie typischen Akribie hat Tilla Theus für die Decke eine Oberfläche gesucht, die ihre Idee von Flächigkeit unterstützt. Schliesslich entwickelte ihr Büro eine hölzerne Struktur aus CNC-geschnittenen Holzstäben. Ein eigens angefertigtes Werkzeug fertigte diese 20 000 pyramidalen Elemente und der Schreiner fügte sie so zu einem Positiv-Negativ-Muster zusammen, dass kein Abfallholz entstand. In der gleichen Art sind auch die Giebelwände ausgebildet, und vor den verglasten Seitenwänden schützen vorhangartige Paneele aus den gleichen Holzstäben den Raum vor Licht und Einblick. Sämtliche Öffnungen für Türen, Leinwand und Revisionsklappen in den Holzoberflächen sind als kaum sichtbare Tapetentüren ausgestaltet. Allein Material und Oberflächenstruktur sorgen für gute akustische Verhältnisse; Schlitze, Hohlräume und Akustikvliese verbessern die Akustik zusätzlich. Grosse Spiegel, an denen das Strahlerlicht reflektiert, erhellen den Raum.
Die Auseinandersetzung mit der bestehenden Bausubstanz und das sorgfältig austarierte Gleichgewicht zwischen Alt und Neu sind Themen, die die Architektin Tilla Theus seit den Anfängen ihrer Berufskarriere beschäftigen. Spätestens der Umbau von acht Zürcher Altstadthäusern zum Hotel Widder machte Tilla Theus 1995 als Fachfrau für gepflegte Restaurant- und Hotelbauten bekannt. So unterschiedlich Theus’ Bauten sind, eines haben alle gemeinsam, auch das Hotel Caspar: die Akribie, mit der die Architektin zu Werk geht, sei es beim Umbau, sei es beim Neubau. «Aller jusqu’au bout» nennt man das auf Französisch: Bis ans Ende gehen!
‹Drei-Häuser-Hotel Caspar›, 2022
Muri AG
Bauherrschaft: Hotel Muri, Muri
Architektur: Tilla Theus und Partner, Zürich
Holzbauingenieur: WaltGalmarini, Zürich
Schreinerei: BBF Weber, Fehraltorf ZH
Holz: Eiche, geölt
Das Themenheft Prix Lignum 2024 kann man hier bestellen.