«E c'è qualcuno che ti ascolta?», pflegt Paola De Martins Mutter zu fragen, wenn die Tochter über ihre Forschung spricht. Gestern Abend füllten ihre Zuhörerinnen und Zuhörer eine Basler Messehalle.

Grand Prix Design für Paola De Martin: die Laudatio

Die Designforscherin Paola De Martin wurde am 10. Juni vom Bundesamt für Kultur ausgezeichnet. Meret Ernst hat die Laudatio gehalten.

Der Spätkapitalismus verspricht uns Anteilhabe am grenzenlosen Konsum, der grossen Verheissung. Konsum verwedelt Klassengegensätze und beruhigt politische Unrast. In neoliberaler Sicht hat Design dieses Versprechen lediglich in die Gute Form zu bringen. Lange orientiert sich die Gute Form an den scheinbar objektiven, «funktionalen» Formen der Moderne. Dann bricht die Postmoderne ein. Doch im Spiel der Differenz mitspielen zu können, setzt einen Habitus voraus, der mit sozialer Herkunft, mit einem satten Erbe an kulturellem Kapital verknüpft ist. Wer ist kreativ, wer darf dabei sein, wer fragt nach Zugehörigkeit, wer nach Klassenunterschieden? Niemand stellt solche Fragen, keine Stimme ist zu hören. Das ist die Situation in den 1990er Jahren, als Paola De Martin an der Höheren Schule für Gestaltung Zürich Textildesign lernt. Die Selektion ist streng, nur sieben von hundert haben die Hürde geschafft. Paola ist eine von ihnen. Sie bringt die Erfahrung der Punkerin mit und die Gesellschaftskritik von Züri brännt. Doch an der Schule wird weder das gesellschaftliche Heilsversprechen der Moderne noch der Individualismus der Postmoderne hinterfragt. Ebenso wenig wie der männlich dominierte Kanon. Noch ist «Intersektionalität» ein fremdes, fernes Wort aus den USA. 1996 gründet Paola mit zwei Kolleginnen das Modelabel Beige. Mit zwei Strickmaschinen und einem Computer statten die drei ihr Atelier aus. Es liegt im Industriequartier, das eben Anlauf für den Sprung in die Kreativwirtschaft nimmt. Die gestalterische Freiheit ist so gross, wie die finanzielle Situation prekär ist. Fünf Jahre bleibt Paola, dann ist es vorbei. Es passt nicht mehr. Was die einen als ironische Referenz abfeiern, ist für sie Teil ihrer Biografie: Die Mütze ihres Vaters, der Lebensstil ihrer Familie. Gefühle von Fremdheit klopfen laut, zu laut, als dass sie sie überhören könnte. Sie steigt aus....
Grand Prix Design für Paola De Martin: die Laudatio

Die Designforscherin Paola De Martin wurde am 10. Juni vom Bundesamt für Kultur ausgezeichnet. Meret Ernst hat die Laudatio gehalten.

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