Die Historikerin Paola De Martin hat untersucht, welche Hierarchien das Designfeld prägen – und es von der Kunst und der Architektur abgrenzen. Für ihre Forschung erhält sie den Grand Prix Design 2024.
«Gewalt kann unglaublich schön daherkommen»
Die Historikerin Paola De Martin hat untersucht, welche Hierarchien das Designfeld prägen – und es von der Kunst und der Architektur abgrenzen. Für ihre Forschung erhält sie den Grand Prix Design 2024.
Fotos: Anja Wille Schori
In der Schweiz wurden 2022 rund 90 Milliarden Franken vererbt. Diese Zahl sagt jedoch nichts darüber aus, was neben dem Geld auch noch vererbt wird: soziales, kulturelles und symbolisches Kapital, also Zugänge zu Netzwerken, bessere Bildungschancen und Status. Unsere soziale Herkunft entscheidet also mit, ob wir in Schule und Beruf erfolgreich sind, wie wir wohnen und sogar, wie lange wir leben. Arme Menschen sterben früher als reiche.
Dennoch gilt in der Schweiz das Ideal der Meritokratie: Nicht die herrschende Klasse bestimmt, sondern angeblich jene, die es sich durch ihre Leistung verdient haben – auch wenn die 90 Milliarden klar dagegen sprechen. Ohnehin scheint man sich am Wort ‹Klasse› fast den Mund zu verbrennen, es schmeckt nach einer Zeit, als es noch Arbeiteraufstände und Armenhäusler gab. Tempi passati eben. Die klassenlose Gesellschaft ist eine Illusion, die in der Schweiz sorgfältig gepflegt wird.
Paola De Martin weiss aus eigener Erfahrung, wie stark die soziale Herkunft das eigene Vorankommen prägt. Ihr Weg vom Einwanderer- und Arbeiterkind zur Textildesignerin und Historikerin war von mehreren Brüchen geprägt. Warum diese nicht bloss persönlicher Natur waren, sondern tief in der Schweizer Geschichte wurzeln, hat sie in ihrer Doktorarbeit erforscht. Und auch, wie sich soziale Herkunft in der Kreativwirtschaft unsichtbar abbildet.
Sie wurden Historikerin, um zu verstehen, was Sie ins Designfeld hineingezogen und später wieder hinausgedrängt hat. Haben Sie eine Antwort gefunden? Paola De Martin Ich wollte herausfinden, an welcher Stelle die ‹leaky pipeline› leckt. Dazu musste ich tief in meine Geschichte eintauchen und versuchen, sie zu objektivieren, das heisst, das Allgemeingültige aus dem Besonderen zu destillieren. Ich stellte fest, dass sich zwei Themen überlagern: Meine Erfahrung als Designerin und die Erfahrung meiner Famil...
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