Diese sieben Projekte von angehenden Architektinnen und Architekten aus der Schweiz, Deutschland und Österreich hat die Jury in der Endrunde diskutiert und bewertet.
Türme im Sechserpack
Selina Thomas und Jan Neininger verteilen die 260 Kleinwohnungen auf sechs unterschiedlich hohe, zueinander leicht versetzt angeordnete Türme. Jeweils zwei davon sind mit einem niedrigeren Bau verbunden. Darauf liegen begrünte Terrassen. Die Erdgeschosse der drei parallelen Gebäudeeinheiten stehen auf Stützen und bieten je Platz für einen Teil des Busbahnhofs. Durch diese Anordnung werden zwischen den Gebäuden gassenartige Aussenräume aufgespannt. Im Innern der sechs Türme gibt es drei Wohnungstypen für Singles, Paare oder Zweierwohngemeinschaften. Zweigeschossige Gemeinschaftsbereiche verbinden mehrere Wohnungen miteinander. Der eigenständige Ansatz, die Busse unter den drei Gebäuden hindurchfahren zu lassen, gefällt der Jury. Hingegen hätte sie in den sechs unterschiedlich ausgeformten Gebäudetürmen auch eine grössere Vielfalt an Wohnungen erwartet.
Verfasser
Selina Thomas (27) und Jan Neininger (26), Universität Stuttgart
Mehrgeschossiger Aussenraum
Das Projekt von Jonas Hartwig und Beret Ann Cathrin Somplatzki besteht aus einem überhohen Sockelgeschoss für den Fernbusbahnhof und die dazugehörigen Serviceräume sowie zwei schmalen, lang gezogenen Baukörpern, die auf dem Sockel stehen. Eine filigrane Stahlstruktur verbindet die beiden Wohnriegel miteinander. Insgesamt sechs Treppenhäuser erschliessen pro Geschoss zwei Clusterwohnungen mit jeweils sechs Wohneinheiten. Jede Einheit verfügt über ein eigenes Bad und eine kleine Küche. Eine grössere Küche, ein Essbereich sowie eine Sitzecke im Gemeinschaftsraum des Clusters ergänzen das Angebot. Die Gitterstruktur zwischen den beiden Gebäuden dient als halbprivater Aussenraum und ist über Brücken mit den Gemeinschaftsräumen der Clusterwohnungen verbunden. Die Jury findet den Ansatz, statt eines offenen Hofs einen über alle Geschosse reichenden Aussenraum anzubieten, interessant. Gleichzeitig schränkt diese Struktur die Privatsphäre in einem Teil der Wohneinheiten ein: Von den Terrassen aus ist ein direkter Einblick in die Zimmer der Bewohnerinnen und Bewohner möglich.
Verfasser
Jonas Hartwig (25) und Beret Ann Cathrin Somplatzki (23), Technische Universität Darmstadt
Strukturierte Gitterbox
Mihrap Özdemir und Yonca Inci haben einen homogenen, mit einer Gitterstruktur verkleideten Gebäudekörper entworfen, der die ganze Parzelle besetzt. Hinter der Gitterhülle verstecken sich im überhohen Sockelgeschoss der Busbahnhof sowie Läden. Darüber sind drei je sechs Stockwerke hohe Gebäuderiegel mit Wohnungen und gemeinschaftlich genutzten Räumen angeordnet. Zwischen den drei Wohnzeilen liegen zwei unterschiedlich breite Höfe, die an beiden Enden nur durch das Gittergerüst abgeschlossen werden. Die Wohnungen in den beiden aussenliegenden Gebäuderiegeln orientieren sich zur Strasse hin, diejenigen im mittleren Baukörper zu den zwei Höfen. Das schafft trotz dichter Bebauung ein Maximum an Privatsphäre. Der Jury gefallen der strukturelle Ansatz mit der vorgehängten Gitterfassade und die hohe Dichte des Gebäudes. Sie kritisiert aber die städtebauliche Einordnung des Projekts und die eher konventionelle Ausformung der Wohnungsgrundrisse.
Verfasserinnen
Mihrap Özdemir (28) und Yonca Inci (26), Technische Universität Darmstadt
Zweimal hoch hinaus
Zwei punktförmige Wohnhochhäuser mit 106 und 117 Metern Höhe prägen den Entwurf von Ege Iscimen und Julia Plapper. Dazwischen spannen sie eine grosse, schachbrettartige Dachlandschaft auf, unter der die Fernbusse halten können. Die beiden Wohntürme bilden den Endpunkt des ehemaligen Industriequartiers und sollen eine Brücke zur Innenstadt schlagen. Im Innern der Hochhäuser sind jeweils vier bis acht kleine Wohnmodule um einen zentralen Erschliessungskern angeordnet. Verbunden werden sie mit einer umlaufenden Balkonschicht, die sich die Bewohnerinnen und Bewohner eines Geschosses teilen. Einzelne Maisonettewohnungen sowie Gemeinschaftsräume ergänzen das Angebot. Die Jury begrüsst den Verzicht auf ein klassisches Sockelgeschoss, die sehr urbane Lösung und den kleinen Fussabdruck der Gebäude. Hingegen vermisst sie eine vertiefte Auseinandersetzung mit dem Thema des Hochhauses, etwa bei der Dimensionierung der vertikalen Erschliessung.
Verfasserinnen
Ege Iscimen (24) und Julia Plapper (23), Technische Universität München
Schlafen auf dem Karussell
Eine hohe Wohnqualität und maximale Flexibilität sind die Leitideen des Entwurfs von Sofia Kholodkova. Kernstück ist eine Wohneinheit mit einer raumhohen Fensterfront und einer frei drehbaren, runden Plattform im Wohnbereich. Darauf finden ein Bett, ein hohes Regal, ein kleiner Tisch und ein Stuhl Platz. Die Plattform kann stufenlos in verschiedene Positionen gedreht werden. So können die Bewohner wählen, ob sie am Fenster liegen oder den Schlafbereich den Blicken von aussen entziehen wollen. Die Wohneinheiten und die gemeinschaftlichen Räume sind in vier jeweils fünfstöckigen Gebäudezeilen angeordnet. Diese stehen auf einem Sockelgeschoss, das den Fernbusbahnhof aufnimmt. An den Enden sind sie mit einer filigranen Konstruktion miteinander verbunden. Die Idee, die Privatsphäre mithilfe einer drehbaren Plattform selbst regulieren zu können, gefällt der Jury. Sie hinterfragt hingegen die Einordnung des sehr wuchtigen Baukörpers in das städtebauliche Gesamtbild.
Verfasserin
Sofia Kholodkova (26), Technische Universität München
U mit drei Wohnformen
Paula Brücke und Oliver Alunovic schlagen ein sechsgeschossiges, U-förmiges Gebäude vor. Es umschliesst einen begrünten Hof, der sich zum Fluss hin öffnet. Unter einem filigranen Dach befindet sich der Busbahnhof, an den die Räume für die Passagiere anschliessen. Im Innern des einseitig offenen Hofrands gibt es drei Wohnungstypen: Die Co-Working-Wohneinheiten docken an einen gemeinschaftlichen Bereich mit Arbeitsplätzen an. Die Co-Gardening-Wohnungen verfügen über grosse begrünte Loggien, und beim Co-Living-Angebot teilen sich jeweils zwei Einheiten eine Küche und ein Bad. Laubengänge, die zum Teil auch als halbprivate Aussenräume dienen, erschliessen die Wohnungen. Die spezielle Ausformulierung der Wohnungstypen ist für die Jury ein sympathischer, gut ausgearbeiteter Ansatz. Bedenken hat sie jedoch bei der städtebaulichen Einordnung, die mit dem U-förmigen Gebäudegrundriss nicht befriedigend gelöst ist.
Verfasser
Paula Brücke (28) und Oliver Alunovic (27), Technische Universität und Universität für angewandte Kunst, Wien
Vielfalt in der Monotonie
Johannes Oechsler geht mit seinem Entwurf über die Idee der Kleinwohnung hinaus. Die wandelbare Gebäudestruktur erlaubt es nicht nur jungen Singles oder Paaren, hier zu wohnen, sondern auch Familien oder Rentnern. Basis bildet die auf eine Person ausgelegte Kernwohneinheit. Diese kann modular erweitert werden. Umgekehrt ist auch eine spätere Reduktion der Wohnungsgrösse durch das Entfernen von Bauteilen möglich. So kann sich die Grundeinheit laufend den Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner anpassen. Städtebaulich besteht das Projekt aus sieben unterschiedlich grossen Gebäudekörpern, die durch eine gitterartige Betonstruktur miteinander verbunden sind. In dieser erfolgt die vertikale Erschliessung, und auch die Module für den nachträglichen Ausbau der Kernwohneinheit können hier eingehängt werden. Der Fernbusbahnhof ist im Erdgeschoss integriert. Der Jury gefällt die Weiterentwicklung der Aufgabe von der zeitlich befristeten Lösung hin zum Dauerwohnen. Kritisch hinterfragt wird aber die städtebauliche Wirkung der sehr voluminösen Gebäudestruktur.
Verfasser
Johannes Oechsler (28), Technische Universität Braunschweig
Dieser Artikel ist Teil des Themenfokus «Alleine wohnen, miteinander leben», den Hochparterre in Zusammenarbeit mit Hawa Sliding Solutions zum Hawa Student Award 2020 erstellt hat.