Reduziere die Installationen, baue für heisse Sommer und rechne mit dem Fehlverhalten der Nutzer: fünf Klimatipps rund um Haustechnik, thermische Masse, Heizen und Kühlen, Nutzer und Klimaerwärmung.
25 Haustechnik: Lowtech versus Hightech
Nach der Tragstruktur ist die Haustechnik der zweitgrösste Posten in der Treibhausgasbilanz eines Gebäudes. Bei einem Neubau macht sie je nach Nutzung zwanzig bis dreissig Prozent aus. Sogar bis zu vierzig Prozent entfallen darauf bei einem Umbau, da der Rohbau schon steht und Geräte, Leitungen und Kanäle oft komplett erneuert werden, weil die Technik eine vergleichsweise geringe Lebensdauer hat. Die Entwurfsfassung des SIA-Merkblatts zur grauen Energie plädiert deshalb für einen zurückhaltenden Einsatz von Gebäudetechnik: «Architektonische Lösungen führen in der Regel über den ganzen Lebenszyklus betrachtet zu einer besseren Ökobilanz als technische Lösungen.»
Vereinfacht ausgedrückt gibt es zwei Strategien, um die Behaglichkeit zu gewährleisten: Entweder mit viel Haustechnik oder mit viel Materialaufwand. Beides verursacht Treibhausgasemissionen. Viele Lowtech-Optionen wie Nachtauskühlung oder Beschattung belasten die Bilanz allerdings nicht stark. Ein hochoptimiertes System ist anfällig für Fehler, zum Beispiel wenn die Nutzerinnen es übersteuern, es nicht richtig gewartet oder falsch eingestellt ist. Das alles bedeutet mehr Treibhausgase als geplant. Ein System mit wenig Technik hingegen hat eine höhere Toleranz für Unvorhergesehenes. Dazu gehört auch die Klimaerwärmung selbst, denn mit ihr wird der Kühlbedarf steigen. Lowtech zwingt die Planer zudem zu einer robusteren Architektur, weil sie Ineffizienzen nicht mit Technik ausgleichen können.
Des Teufels ist die Haustechnik trotz allem nicht. Sie hilft, die letzten Prozente der Energieeffizienz zu holen, nach dem Motto: Lowtech für die ersten neunzig Meter, Hightech für den Schlusssprint. Energie Schweiz empfiehlt kurze Leitungen und für Lüftungskanäle Kunststoff statt Metall. Und die Installationen sollten gut zugänglich sein, weil sie oft angepasst oder ersetzt werden.
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26 Thermische Masse: Hitzesommer ausgleichen
Massive Bauteile, die Wärme oder Kälte speichern, reduzieren die Heiz- und die Kühlenergie, weil sie Temperaturspitzen ausgleichen und das Raumklima träge machen. Mit jedem weiteren Grad Klimaerwärmung wird dieser Effekt wichtiger. Gleichzeitig bedeutet viel Masse meistens viel graue Energie. Bringe deshalb nur so viel thermische Masse wie nötig ein – entscheidend sind die ersten zehn Zentimeter unter der Oberfläche eines Materials. Dazu genügen die Decken, wie eine Studie der Hochschule Luzern zeigt, sodass Architektinnen Wände und Fassade trotzdem als Leichtbau erstellen können. Holz-Beton-Verbunddecken erreichen das Ziel mit wenig CO2. Bauteile aus Lehm sind ebenfalls eine klimafreundliche Möglichkeit. Unabhängig von der Konstruktion gilt: Damit die Bauteile thermisch aktiv sind, müssen sie mit der Luft in Berührung kommen.
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27 Heizen und kühlen: Mit der Kraft der Natur
Nutze die Kraft der Natur, um dein Gebäude zu temperieren. Die Nachtauskühlung bringt die Temperaturen runter und das – im Gegensatz zur kontrollierten Lüftung – ohne graue Emissionen. Wärmepumpen zapfen die Energie im Grund- oder Seewasser, im Erdreich oder in der Luft an. Die Photovoltaik auf dem Dach und an der Fassade liefert den Strom dazu. Erdsonden und Photovoltaik enthalten zwar einiges an grauen Treibhausgasen, können diese aber in wenigen Jahren dank der gewonnenen erneuerbaren Energie amortisieren. Heizungen mit Holzschnitzeln schneiden besser ab als jene mit Pellets, weil diese oft aus dem Ausland stammen. Wer kann, schliesst sein Haus an ein Fernwärmenetz an, auch wenn diese an vielen Orten noch nicht klimaneutral sind. Für alle anderen gilt, egal ob Neubau oder Umbau keine Öl- oder Gasheizungen mehr. Das fossile Zeitalter ist vorbei.
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28 Nutzer: Mit Fehlverhalten rechnen
Der Unterschied zwischen gerechneten und tatsächlichen Energiezahlen beträgt bis zu fünfzig Prozent – Performance-Gap nennen Fachleute dies. Eine der wichtigsten Ursachen dafür ist der Nutzer, der sich anders verhält als vorgesehen. Architektinnen und Haustechnikplaner können nicht über Menschen entscheiden, aber mit ihrem (Fehl-)Verhalten rechnen. Niemand liest Bedienungsanleitungen. Je einfacher ein Haus funktioniert, desto höher ist die Chance, dass es auch funktioniert wie geplant (Haustechnik). ‹Tubelisicher› heisst das auf Schweizerdeutsch.
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29 Klimaerwärmung: Städte und Häuser kühlen
Zwei Grad hat die Temperatur in der Schweiz im Durchschnitt zugenommen verglichen mit 1864. Und sie wird bis 2100 nochmals um ein bis vier Grad steigen. Die Städte sind davon am meisten betroffen, weil sich die Hitze dort besonders staut. Mit dem Ratgeber ‹Hitze in Städten› gibt das Bundesamt für Umwelt Planern sechs Gegenmittel in die Hand. Der Städtebau sollte kühlende Winde begünstigen. Grünräume, Bäume, Beschattung und Wasserflächen helfen, die Temperaturspitzen zu senken. Und je durchlässiger der Boden, desto mehr Feuchtigkeit kann verdunsten. Die klimakompatible Stadt muss schwitzen können.
Mit jedem zusätzlichen Grad gilt für mehr Häuser: Entscheidend für die Betriebsenergie ist nicht mehr der Winter, sondern der Sommer. Neue Wohnbauten verbrauchen künftig mehr Energie zum Kühlen als zum Heizen, im Tessin sogar bis zu drei Mal so viel. Der Fensteranteil und die Beschattung gewinnen also an Relevanz. Die thermische Masse wird wichtiger, um Temperaturschwankungen auszugleichen. Für Holzbauten mit wenig Masse, die heute noch gut abschneiden, könnte dies zum Problem werden, wie eine Studie der Hochschule Luzern zeigt. Weniger Fenster, grosse Oberflächen und eine gute Nachtauskühlung steuern dagegen. Zudem ist der Kühlbedarf in den Mittagsstunden am höchsten, wenn die Solarpaneele am meisten Strom liefern.
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Wie gross der Effekt ist, zeigen die null bis fünf Punkte.
33 Klimatipps für Architekten:
Editorial – postfossile Pflicht
Auftrag – hinterfrage den Bauherrn
Gebäude – die Effizienz der Kiste
Konstruktion – leicht und beständig
Material – wenig verbauen, wieder verwerten
Energie – die Kraft der Natur
Umsetzung – Material kostet wenig, Arbeit viel
Dieser Artikel ist Teil des Themenfokus «Klimatipps», der mit 33 Ideen aufzeigt, wie Architekten gegen die Klimakrise entwerfen können.