Die Macht brechen

Machtstrukturen und Scham bewirkten, dass das Spekulum unverändert blieb. Victoria Juretko hat das gynäkologische Instrument neu designt und erhält dafür den Hasen in Gold.

Machtstrukturen und Scham bewirkten, dass das Spekulum unverändert blieb. Victoria Juretko hat das gynäkologische Instrument neu designt und erhält dafür den Hasen in Gold.

Scham ist in Designkreisen selten ein Thema. Dabei kann sie der Grund dafür sein, dass Produkte nicht neu gedacht werden. Zum Beispiel das Spekulum, das meistgenutzte gynäkologische Untersuchungsinstrument. In den letzten 75 Jahren haben Menschen die Atomuhr erfunden, das Internet, selbstfahrende Autos, Satellitensysteme, Mikrochips und künstliche Intelligenz. Auch die Medizin erlebte Durchbrüche: Gen-Scheren reparieren schadhaftes Erbgut, Organe wachsen im Labor, Gedanken steuern Exoskelette. Warum das Spekulum seit rund 150 Jahren praktisch unverändert ist – ist unfassbar. Nun könnte man denken, das Instrument sei bereits perfekt – wo nichts mehr verbessert werden kann, ist Forschung schlicht nicht nötig. Doch wer schon einmal eine gynäkologische Untersuchung über sich ergehen lassen musste, weiss, dass dies unmöglich stimmen kann. Victoria Juretko hat in ihrer Masterarbeit an der HGK Basel die Gründe für die ausbleibende Entwicklung analysiert und das Spekulum neu gedacht. Ein Gespräch über alte Strukturen, neue Ideen und das Ende der Scham. Victoria Juretko, als Motivation für Ihre Recherche nennen Sie ein Gefühl des Unbehagens. Wie entstand daraus ein konkretes Projekt? Victoria Juretko: Dazu muss ich etwas ausholen. Ich lasse mir seit Jahren beim Zahnarzt eine Zahnschiene machen. Die trage ich nachts, und ab und zu muss man sie erneuern. Lange fertigte der Zahnarzt mittels Knetmasse und Metallform einen Zahnabdruck an – eine unangenehme Prozedur. Plötzlich war das vorbei, und er verwendete stattdessen einen Stab mit Kamera. Diese vermisst das Gebiss und übermittelt die Daten an den Computer, der ein perfektes 3-D-Modell generiert. Das faszinierte mich.  Wie hängen gynäkologische Untersuchungen damit zusammen? Metallformen sind kosteneffizient und sehr robust. Die Zahnarztpraxis akzeptiert mit dem Kameratool also eine teurere Methode, die zudem fehle...

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