Das Wohlbefinden im Zentrum

2019 als Kompetenzzentrum gegründet, widmet sich das Swiss Center for Design and Health (SCDH) ganz der Gestaltung im Gesundheitsbereich. Das Ziele dabei: vernetzen, erforschen und begleiten.

Fotos: Marco Frauchiger
In Zusammenarbeit mit Swiss Center for Design and Health

2019 als Kompetenzzentrum gegründet, widmet sich das Swiss Center for Design and Health (SCDH) ganz der Gestaltung im Gesundheitsbereich. Das Ziele dabei: vernetzen, erforschen und begleiten.

Baustellengeräusche sind am Swiss Center for Design and Health (SCDH) nichts Ungewöhnliches. Denn auch zweieinhalb Jahre nach dem Bezug der Räumlichkeiten wird hier weiter umgebaut. Die Auseinandersetzung mit Gestaltungsprozessen gehört zur DNA des Kompetenzzentrums in Nidau. In der lichtdurchfluteten Industriehalle werden Entwürfe für Neu- und Umbauten, Konzepte für visuelle Kommunikation sowie Prozesse und Systeme evaluiert. 2500 Quadratmeter stehen dafür maximal zur Verfügung. Der Fokus liegt auf dem Bereich Gesundheit. Design, das hier entsteht, soll das Wohlbefinden fördern. «Wir bieten Projektverantwortlichen einen neutralen Ort, um sich aus unterschiedlichen Perspektiven auszutauschen und Ideen breit zu testen», sagt der Managing Director Stefan Sulzer in seinem Büro, das sich auf einer Galerie im Eingangsbereich befindet. Durch die Glasfronten überblickt er einen grossen Teil der Anlage. «Hier arbeiten Professorinnen und Praktiker auf Augenhöhe zusammen», sagt er. Und spricht damit nicht nur die rund 30 Mitarbeitenden an, die Erfahrungen aus unterschiedlichen Disziplinen und Berufsfeldern mitbringen. Sulzer meint auch jene Menschen, die die Dienstleistungen und Angebote des Kompetenzzentrums nutzen.

Öffentlich-private Partnerschaft
Das SCDH vernetzt, begleitet und berät Akteurinnen der Wissenschaft, Wirtschaft, und der öffentlichen Hand. Es betreibt Werkstätten und Testanlagen, stösst Forschungsarbeiten an, kooperiert mit Hochschulen und veranstaltet Weiterbildungen. In Nidau treffen sich Designer, Planerinnen, Wissenschaftler und Nutzerinnen und profitieren von der vielfältigen Designexpertise. «Wer in einem Spital oder Schulhaus arbeitet, weiss viel über die Prozesse und Wege», sagt Sulzer. Es lohne sich, dieses praktische Wissen frühzeitig in Simulationen einzubeziehen. «So lassen sich teure Baufehler und spätere Anpassungen vermeiden.» Die Bedürfnisse der Nutzenden zu berücksichtigen, erhöhe zudem die Akzeptanz von Projekten.

Das SCDH wurde 2019 als öffentlich-private Partnerschaft gegründet. Es wird vom Bund, dem Kanton Bern sowie privaten Partnern finanziert und von einer Aktien-gesellschaft getragen. Seit 2022 ist es operativ tätig, ab 2030 soll es schliesslich selbsttragend sein. Nidau sei ein idealer Standort, sagt Sulzer, «nicht nur verkehrstechnisch». Die Lage zwischen der Deutschschweiz und der Romandie sei bereichernd. «Sie animiert dazu, über den eigenen Landesteil hinauszublicken.» Im Team wird denn auch Deutsch und Französisch gesprochen. Es ist wissenschaftlich gut dokumentiert, dass sich Gestaltung auf die Gesundheit auswirkt. Das SCDH trägt dazu bei, dass diese Befunde in die Praxis umgesetzt werden. «Wir arbeiten evidenzbasiert und leisten Wissenstransfer», sagt Minou Afzali, die die Forschungsabteilung (siehe ‹Der heilige Gral der Designmethodik›). Sie und ihr Team bringen Erkenntnisse aus Studien in Projekte ein. Sie evaluieren laufende Arbeiten und veröffentlichen die Resultate. Das Kompetenzzentrum arbeitet mit Universitäten, Verbänden, Stiftungen sowie Partnern aus der Privatwirtschaft zusammen. Es verfügt über ein Scientific Board und ein Internationales Advisory Board. «Wir tauschen uns regelmässig aus, diskutieren aktuelle Themen und greifen relevante Fragen auf», so Afzali.

1 Realitätsnahe Testräume 
Im Living Lab können Räume nachgebaut, gestaltet, eingerichtet und getestet werden. Die Simulation von Arbeits- und Behandlungsprozessen sowie das Testen von Produkten sind so im realitätsnahen räumlichen Umfeld möglich. Die Testräume dienen als Simulations- und Forschungsplattform und als Showroom für Herstellungsfirmen.

2 Küche/Catering
Fürs Mittagessen oder eine Pause zwischendurch steht im Living Lab ein Küchen- und ein Cateringbereich zur Verfügung.

3 Openspace-Bereich
Hier stehen Modellbaumaschinen, Haushaltsnäh- und Handmaschinen sowie Drucker, die von externen Projektpartnern gemietet und genutzt werden können.

4 Material-Kollektion
Die physische und digitale Material-Kollektion indexiert auf wissenschaftlicher Evidenz basierend gesundheitsfördernde und ressourcenschonende Materialien. Damit will das SCDH Planerinnen, Designern und Architektinnen ein Werkzeug an die Hand geben, das die Auswahl passender Materialien erleichtert und fundiertes Wissen zu den Werkstoffen und ihrer Anwendung bereitstellt.

5 Extended-Reality-Simulationsfläche
Auf der grössten Extended-Reality-Simulationsfläche der Schweiz können Grundrisse im Massstab 1:1 auf den Boden projiziert und mit Leichtbauwänden sowie Mobiliar ergänzt werden. Geplante Räume werden dreidimensional, Grundrisse begeh- und erlebbar. In Simulationsworkshops werden sie mit allen Anspruchsgruppen getestet und optimiert.

6 Testanlagen
In den Testanlagen kann die Wirkung von Faktoren wie Licht, Farbe, Akustik oder Haptik unter kontrollierten und reproduzierbaren Bedingungen untersucht oder die Barrierefreiheit überprüft werden. Die Testanlagen werden je nach Auftrag oder Forschungsfrage anders aufgebaut und ausgestattet.

7 Metallwerkstatt
Eine gut ausgerüstete Metallwerkstatt unterstützt die Dienstleistungen und Forschungsprojekte des SCDH und macht damit Co-Prototyping möglich.

8 Holzwerkstatt
Teil des Living Lab ist eine professionell eingerichtete Holzwerkstatt. In ihr können die Test- oder Simulationsumgebungen auf das entsprechende Projekt angepasst oder Ideen für Innovationen umgesetzt werden.


1 Realitätsnahe Testräume
2 Küche/Catering
3 Openspace-Bereich
4 Material-Kollektion
5 Extended-Reality-Simulationsfläche
6 Testanlagen
7 Metallwerkstatt
8 Holzwerkstatt

Minou Afzali führt durchs Living Lab und die vier Testräume, die dort momentan stehen. In ihnen werden Raumkonzepte, Innovationen von Start-ups und verschiedene Materialien getestet. Je nach Projekt müssen Materialien anderen Ansprüchen genügen. In einem Operationssaal dürfen beispielsweise keine elektrostatischen Entladungen entstehen. «Um Menschen und Maschinen zu schützen, muss der Boden kontrolliert ableiten», sagt Barbara Schwärzler, Innenarchitektin und Farbgestalterin. Sie hat an ihrem Arbeitsplatz diverse Muster liegen und verweist auf einen blaugrauen Belag, der infrage käme. Das passende Material zu finden, sei zeitintensiv, sagt sie. «Ein gutes Netzwerk und Fachwissen sind dabei hilfreich.» Zusammen mit der Designforscherin Meri Zirkelbach ist Schwärzler am SCDH für den Aufbau der Material-Kollektion verantwortlich. Ziel ist es, gemeinsam mit Lieferantinnen und Anwendern Produkte zusammenzutragen, die sich in Gesundheitsbauten bewährt haben. Besonderen Wert legen sie dabei auf Innovationen. Eine erste und sich stetig entwickelnde Kollektion soll ab Anfang 2025 physisch in Nidau sowie digital zur Verfügung stehen.

Alles unter einem Dach
Das SCDH kann auch selbst Prototypen realisieren. Die Werkstätten in Nidau sind für Arbeiten in Metall, Holz, Kunststoff, Textil und Karton ausgerüstet. «Die Wege sind kurz», sagt Co-Leiter Raphael Huber, der Möbelschreiner ist. So könne man schnell reagieren, wenn bei Tests oder Simulationen etwas angepasst werden müsse. Zudem liessen sich Ideen für Innovationen unkompliziert und effizient umsetzen. Die räumliche Nähe der einzelnen Bereiche sei einzigartig, sagt Huber beim Gang durch die Werkstätten. «Die Nähe inspiriert und lässt Interessantes entstehen.» Für eine Orientierungstafel sind beispielsweise Holzplatten mit Blech verleimt worden. Dieses ist magnetisch und sorgt dafür, dass auf dem Signaletik-Element wechselnde Schilder angebracht werden können. «Verschiedene handwerkliche Kenntnisse und Fähigkeiten spielen hier zusammen», sagt Huber.

Die Werkstätten seien für das SCDH unverzichtbar, sagt Stefan Sulzer. «Sie tragen dazu bei, dass wir Designprozesse fachkundig und effizient begleiten können». Für private Unternehmen seien sie keine Konkurrenz: Das SCDH entwickelt selbst keine marktfähigen Produkte. «Man sollte viel mehr simulieren», sagt Sulzer abschliessend. Das interdisziplinäre und partizipative Vorgehen führe stets zu besseren Resultaten. Gerade bei komplexen Vorhaben sollte sich die Methode seiner Meinung nach etablieren: als zusätzliches Tool im Planungsprozess.

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