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Wie beurteilen Fachpersonen aus Architektur, Planung, Wirtschaft und Politik die Bestrebungen der SBB in Sachen Baukultur? Die zehn Antworten warten auf mit Lob, Kritik – und Anregungen.

In Zusammenarbeit mit SBB Immobilien

Wie beurteilen Fachpersonen aus Architektur, Planung, Wirtschaft und Politik die Bestrebungen der SBB in Sachen Baukultur? Die zehn Antworten warten auf mit Lob, Kritik – und Anregungen.

Die Hebel richtig stellen
Das SBB-Immobilienportfolio zeigt eine Verschiebung der baulichen Tätigkeit und der baukulturellen Tiefe: Die historischen Bauten und Anlagen sind als wichtige Elemente einer hohen Baukultur eingestuft, viele stehen unter Schutz. Es sind nebst Gründerzeit-Gebäuden auch identitätsstarke Bahnbauten von Max Vogt, der 1957 bis 1989 als Entwurfsarchitekt die SBB prägte. Der Strukturwandel verschob die baulichen Tätigkeiten der SBB in den letzten 30 Jahren zunehmend in einen anderen Massstab: ehemalige Eisenbahnflächen wurden zu innerstädtischen Filetstücken, die SBB wurde zur Grossinvestorin, die mehrheitsfähige und renditeperspektivierte Projekte realisiert. Dem Kampf ums Wohnen und dem Thema der Mitwirkung der Zivilgesellschaft kann sich heute auch die SBB nicht mehr entziehen. Damit mit dieser neuen Ausgangslage neue, hohe Baukultur entstehen kann, braucht es einen klugen, leitenden Kopf, der die wichtigsten Hebel richtig stellt – der sich der städtebaulichen Verantwortung und Relevanz solcher Grossprojekte in innerstädtischen Lagen voll bewusst ist. Aita Flury, dipl. Architektin ETH SIA BSA

Unternehmensziel leben
Die SBB verfügt über ein schweizweit einzigartiges Portfolio an Bauten, Arealen und Infrastrukturen. Viele davon sind bedeutendes Kulturerbe. Die SBB baut und entwickelt laufend. So stellen sich Fragen nach Erhalt, Erneuerung und Transformation des baulichen Erbes, das sich mitunter auch an städtebaulich sensibler Lage befindet. Auch entstehen Anforderungen an die hohe Qualität des Neuen. Das ist Herausforderung und Chance zugleich. Die SBB trägt eine grosse Verantwortung für die beispielhafte Umsetzung einer hohen Baukultur. Damit diese in der Dynamik des Grosskonzerns kein kurzlebiges Versprechen, sondern ein gelebtes Unternehmensziel bleibt, bedarf es neben dem Aufbau von Fachkompetenz einer wirksamen Implementierung in die internen Entscheidungsprozesse. Als Fachbehörde des Bundes für Baukultur arbeitet das Bundesamt für Kultur mit der SBB zusammen und verfolgt deren Baukultur-Bestrebungen mit grosser Aufmerksamkeit. Oliver Martin, Leiter Sektion Baukultur, Bundesamt für Kultur (BAK)

Offene Wettbewerbe lancieren
SBB Immobilien ist kein Investor wie jeder andere. Das Unternehmen besitzt Grundstücke an den besterschlossenen Lagen des Landes. Damit verbunden ist eine besondere Verantwortung: SBB Immobilien ist entscheidend an der urbanen Entwicklung von Städten und Ortschaften beteiligt. Die Projekte im Umfeld der Bahnhöfe strahlen stets auf die benachbarten Quartiere und die ganze Stadt aus. Es entstehen in der Regel mehr als nur Gebäude – Katalysatoren der Stadt. Dass in diesem Zusammenhang eine Baukultur von hoher Qualität eine herausragende, gar bestimmende Rolle spielt, leuchtet allen ein. SBB Immobilien ist in der komfortablen Lage, bereits über einen grossen Bestand baukulturell hochwertiger Bauten und Anlagen zu verfügen und darüber hinaus auf eine lange baukulturelle Tradition zurückgreifen zu können. Der BSA schätzt das Engagement von SBB Immobilien für die Baukultur und freut sich auf viele offene Wettbewerbe in der Zukunft. Caspar Schärer, Generalsekretär Bund Schweizer Architektinnen und Architekten (BSA)

Grüne Stadtlogistik fördern
Die Kurierzentrale arbeitet intensiv an ökologischen und stadtverträglichen Logistikkonzepten. In unseren Bemühungen für die grüne erste und letzte Meile bei der Stadtversorgung unterstützt uns die SBB mit strategisch wichtiger und kostengünstig nutzbarer Infrastruktur. Unser ‹Cityhub› zwecks Bündelung und Weitertransport der Pakete in den alten Hallen des Güterbahnhofs Wolf ist Teil des Smart City Lab der SBB. Wir erhalten auch Hilfe bei unseren Projekten und bei der Vernetzung mit anderen Firmen im Bereich Smart City. Dieses Engagement der SBB schätzen wir sehr. Das Smart City Lab Basel besteht so lange, bis auf dem Areal Wolf die Arbeiten für das neue Quartier starten. Wir sind zuversichtlich, dass die SBB die Wichtigkeit einer ökologischen Stadtversorgung erkennt und uns auch nach der Zwischennutzungsphase auf einem anderen Arealteil Flächen anbietet. Jérôme Thiriet, CEO Kurierzentrale GmbH, Basel

Renditebrille ablegen
Im Norden von Basel hat die SBB relativ leichtes Spiel. Fahrplangenau scheint sie ihr bahnfremdes Renditedenken am Lysbüchel durchzubringen. Gibt es Grundsatzkritik an der SBB-Immobilienstrategie? Fehlanzeige! Gab es linke Stimmen, die vor der Aufwertung, Verdrängung und Gentrifizierung warnten? Ja. Aber sie verhallten ungehört. In Basel gab es, anders als aktuell im Zürcher Kreis 5, auch kein Gerangel um «preisgünstiges Wohnen». Grossmehrheitlich gab sich der Basler Grosse Rat mit einem Anteil von 30 Prozent für die Gemeinnützigen zufrieden. Kritik kam einzig vom Gewerbeverband, der in Basel ohne jedes politische Gespür agiert, weswegen sein Referendum 2018 unterging. Die Lysbüchel-KMU hängen seither in der Renditefalle der SBB. Etwas immerhin hat die Renditegier der Investoren in Basel, auch wenn es die SBB nicht direkt betrifft, bewirkt: Unsere Ende 2021 angenommene Wohnschutzinitiative wird künftige SBB-Marktwohnungen regulieren und vor Renditesanierungen schützen. Auch auf dem Lysbüchel, wenn sie denn gebaut sein werden. Beat Leuthardt, Co-Geschäftsleiter Basler Mieterinnen- und Mieterverband (MV Basel 1891) und Grossrat BastA! (Alternative Liste)

Transparenz herstellen
SBB goes Baukultur: Das ist eine gute Nachricht. Vorgaben zu Ausnutzung und Rendite konterkarierten in nicht allzu ferner Vergangenheit allzu oft das Ziel einer hohen Baukultur. Das kratzte am Image der SBB und setzte sie unter Handlungsdruck. Sie verfügt über viele renditeträchtige Grundstücke an zentraler Lage. Die SBB-Bahnhöfe sind Visitenkarten und Knotenpunkte für eine nachhaltige Mobilität. Hohe städtebauliche und gestalterische Qualität sollte da selbstverständlich sein, ebenso gute Prozesse nach bewährten Standards wie der Wettbewerbsordnung SIA 142. Die SBB verantwortet zudem ein vielfältiges, auch infrastrukturelles, Erbe, über das sie als Unternehmen mit öffentlichem Auftrag öffentliche Transparenz schaffen sollte. Wir freuen uns, dass die SBB beim Runden Tisch Baukultur Schweiz mitwirkt, den der SIA 2010 ins Leben gerufen hat. Und wir freuen uns auf weitere positive Beispiele wie die Sanierung des Westflügels des Bahnhofs Basel. Claudia Schwalfenberg, SIA, Leiterin Fachbereich Politik, Verantwortliche Baukultur, Mitglied des geschäftssteuernden Ausschusses

Liberté et confort
L’activité de CFF Immobilier à Genève s’est intensifiée de manière spectaculaire depuis le début du 21e siècle. C’est bien évidemment dû à la construction Léman Express, et à la valorisation de terrains situés autour de plusieurs haltes de ce RER, à Lancy-Pont-Rouge, aux Eaux-Vives et à Chêne-Bourg. C’est par le concours d’architecture, un instrument utilisé de manière systématique par CFF Immobilier, que s’est développée sa contribution à la culture du bâti. L’exemple le plus spectaculaire est la tour Opale, dont le lauréat a été le bureau Lacaton & Vassal, Pritzker Prize 2021. Il réinterprète les contraintes de très haute performance énergétique exigées par le cahier des charges au moyen de jardins d’hiver disposés sur tout le pourtour de l’immeuble. De la sorte, il offre davantage d’espace et de liberté à l’habitant, qui module lui-même le confort climatique de son appartement. Francesco Della Casa, Architecte cantonal, Genève

Ein ‹Bahnbaumeister› für die SBB
Die urbane und architektonische Qualität wird in unterschiedlichen Ländern unterschiedlich gewährleistet. In den Niederlanden begutachtet ein ‹Spoorbouwmeester› (Bahnbaumeister) die städtebauliche und architektonische Qualität, organisiert Ausschreibungen und Wettbewerbe. Er tritt entweder selbst als Supervisor auf oder delegiert die Betreuung an eine externe Supervisorin. Bei grossen Vorhaben wird zusätzlich ein Quality-Team gebildet, eine Art Jury, die die Qualität überwacht. Obwohl SBB Immobilien aus einem sehr gut ausgebildeten und architektonisch versierten Team besteht, wäre es eine Überlegung wert, ein internes SBB-Quality-Team – einen ‹Spoorbouwmeester› – einzusetzen, um schweizweit eine exemplarische Baukultur zu etablieren. Kees Christiaanse, Architekt und Stadtplaner, Büro KCAP (Masterpläne Europaallee, Renens)

Verantwortung wahrnehmen
Historisch bedingt besitzt die SBB Grundstücke an besterschlossenen Lagen. Dieses Privileg bedeutet zugleich eine Verantwortung gegenüber dem historischen Erbe und der Ortsidentität. Denn Bahnareale sind identitätsprägend. Es geht um den guten ersten Eindruck und um eine rasche Orientierung. Zudem gilt es stadtplanerisch, städtische Bedürfnisse rund um den Bahnhof optimal zu arrangieren. So auch in Uster, wo die Zürcher S-Bahn in den 1990er-Jahren die Erreichbarkeit der Stadt enorm steigerte. Zeitgleich realisierte die SBB die Bahnhofpassage mit integriertem Bushof, die dem Ankunftsort auch heute noch sein Gesicht gibt. Der bevorstehende Doppelspurausbau wird die Bahnhofsumgebung verändern. Dabei sind auch Entwicklungen von SBB Immobilien zu erwarten. Dies ist eine Chance, das Stadtbild gemeinsam weiterzuentwickeln und den eigenen Anforderungen an eine hohe Baukultur gerecht zu werden. Nadine Kaspar, Leitung Stadtplanung Uster

Belle dynamique avec côté ombre
Renens, ville CFF, a grandi autour d’une gare de triage construite en 1876. La récente modernisation de sa gare voyageurs a renforcé cette image. L’ajout de la passerelle emblématique Rayon Vert, construite par les 4 communes riveraines, en a fait un hub de transports publics et une nouvelle centralité. Depuis peu, Renens est aussi devenue ville CFF Immobilier. D’anciens entrepôts proches de la gare, ainsi qu’une friche à Malley, font place à de nouveaux quartiers. Notre collaboration avec CFF Immobilier a permis de partager une ambition environnementale forte, ainsi que qualitative au travers de concours architecturaux. La modernité architecturale et l’attention aux espaces publics font de ces nouveaux quartiers centraux des lieux agréables à vivre. Cette belle dynamique a toutefois son côté ombre: la nécessité de rendement immobilier calé sur le prix du marché est un frein à la mixité souhaitée. Tinetta Maystre, Municipale Urbanisme – Infrastructures – Mobilité

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