Forschung braucht Möglichkeiten

Givaudan hat sich ein Gebäude bauen lassen, dessen Architektur Innovation fördern soll. Das Rezept: Transparenz und viele Wege zwischen Labors, Büros und der Kaffeebar.

In Zusammenarbeit mit Bauart

Givaudan hat sich ein Gebäude bauen lassen, dessen Architektur Innovation fördern soll. Das Rezept: Transparenz und viele Wege zwischen Labors, Büros und der Kaffeebar.

«Forschung braucht Möglichkeiten», sagt Agnes Bombrun. Die französische Chemikerin leitet seit fünf Jahren die Duftforschung bei Givaudan, und ihre Begeisterung über das neue Forschungszentrum in Kemptthal ist gross. «Dieses Haus bietet so viele Möglichkeiten, sich zu bewegen und sich zufällig zu treffen – auf den Treppen, im Atrium, zwischen den Labors, auf den Gängen oder vor den Sitzungszimmern. Dieser Bau inspiriert», schwärmt Bombrun. Bereits sechs Wochen nach dem Umzug vom alten Laborgebäude in Dübendorf in den Neubau an der Kempt ist sie überzeugt: Diese Räume kurbeln die Innovation an. «Ob sich das beweisen lässt? Ich weiss es nicht, aber ich spüre es aufgrund meiner Erfahrung.»

Gebaute Transparenz
Die Leiterin der Duftforschung nimmt Platz in einem kleinen Sitzungszimmer, einer Art Glaskabine, die zwischen den Büros und dem öffentlichen Atrium liegt. Von hier aus ist der Blick frei auf zwei Seiten: in das langgezogene Grossraumbüro, wo Bombrun ihren kleinen, aber persönlichen Arbeitsplatz hat, und ins hohe Atrium, wo ein paar Leute an den Tischen sitzen und Kaffee trinken. Wer ganz genau schaut, blickt sogar in die Labors auf der gegenüberliegenden Seite des Atriums. Gebaute Transparenz. Wenn sie mit Forscherkollegen in aller Ruhe etwas besprechen möchte, sei ein Sitzungszimmer kurzfristig elektronisch zu reservieren, erklärt Bombrun. Es gäbe immer freie Sitzungszimmer. Natürlich ist ab und zu auch Diskretion nötig, damit Forschungsergebnisse auf dem grossen Bildschirm nicht für alle Vorbeigehenden einsehbar sind. Bombrun zieht die hellen Vorhänge. «Voilà! Wir sehen noch hinaus, aber niemand sieht hinein.»

Alle Labors schliessen auf einer Seite an die Fassade, auf der anderen ans Atrium an. Untereinander sind sie durch einen Mittelgang verbunden.

Die Chemikerin schlägt vor, sich die Labors in der oberen Etage anzuschauen, um zu verstehen, wie diese Inspirationsmaschine für neue Düfte und Aromen funktioniert. Wir queren das prächtige Atrium mit der Kaffeebar. Dieser Treffpunkt ist mit Stühlen und Tischen aus dunklem Holz möbliert. Tischlampen aus Messing verströmen ein warmes Licht und definieren den Ort so, dass man für einen Augenblick meint, die Kaffeetrinker seien Besucher eines Lesesaals einer altehrwürdigen Bibliothek. Bombrun steuert auf eine der beiden Wendeltreppen zu. Im Vorbeigehen grüsst sie einen Forscherkollegen, der für ein Meeting hier ist. Sie haben sich lange nicht mehr gesehen und vereinbaren für später einen kurzen Schwatz.

Innovationsförderung durch Gelegenheiten: Im Atrium wurden Zonen geschaffen, die Handlungen ordnen, lenken und ermöglichen, ohne sie zu diktieren.

Arbeitsplatz ausserhalb des Labors
Auch in der oberen Etage reiht sich hinter Glaswänden Labor an Labor. Doch Bombrun öffnet keine der Glastüren. Ein Labor darf nur mit Laborkittel betreten werden. Wir wählen darum den Hintereingang. Zwischen den Labors und der Fensterfront des Hauses liegt eine weitere Büroschicht. Hier erledigen die Laborantinnen und Laboranten ihre Schreibarbeit. Das sei ideal, erklärt Bombrun. «Zum einen haben die Laboranten endlich einen Arbeitsplatz ausserhalb der Labors – also fern von Chemikalien und Düften. Zum anderen ist in dieser vorgelagerten Büroschicht ein informeller Austausch möglich.» Die beiden Laboranten, die vor ihren Bildschirmen sitzen, nicken.
Die Chemikerin ist in einen Laborkittel geschlüpft und öffnet die Schiebetür zum Labor. Ordentlich stehen Flaschen, Behälter und Apparate in Reih und Glied. Alles ist hell, sauber und praktisch. Und: Alle Labors sind durch einen Mittelgang miteinander verbunden. Auch das fördere den Austausch.

Dübendorf–Kemptthal: ein Quantensprung
Die kleinen Begegnungen im Atrium, vor den Labors und grossen Sitzungszimmern zeigen: Hier wurden Räume geschaffen, die Handlungen ordnen, lenken und ermöglichen, ohne sie zu diktieren. Um die Besucherin restlos zu überzeugen, möchte Markus Gautschi das alte Forschungslabor in Dübendorf zeigen. «So wird der Quantensprung sichtbar», sagt Gautschi, der den Neubau als Vertreter der Bauherrschaft betreut. In Dübendorf hat er 1995 als Chemiker seine Karriere bei Givaudan begonnen und später lange die Duftforschung geleitet.
Tatsächlich: Der Kontrast ist enorm. Die Atmosphäre im alten Laborgebäude in Dübendorf ist düster. Die Treppen sind nur zum Überwinden der Höhe da, sie laden nirgends zu einem Austausch ein, ebenso wenig die fensterlosen, langen Gänge. Hinter den vielen Türen verbergen sich die Labors, nur ein kleines Fenster gewährt Einblick. «Die einzelnen Teams haben in Dübendorf den ganzen Tag im Labor verbracht», beschreibt Gautschi die Arbeit. Eine Art Isolationshaft? Gautschi lacht. Auf jeden Fall hätten sich die Wege der Chemiker, Parfümeure und Analytiker kaum zufällig gekreuzt, alles hätte sich versteckt hinter Türen abgespielt.
Im neuen Forschungszentrum ist die Zeit der Abschottung vorbei. Um die Kommunikation zusätzlich zu fördern, sind in Kemptthal sogar die Kaffeemaschinen aus den Büros verbannt worden. Es ist wahrscheinlich, dass sich einige Mitarbeitende an die vielen neuen Möglichkeiten gewöhnen müssen.

Dieser Artikel ist Teil des Themenfokus «Sinnliche Forschung», den Hochparterre in Zusammenarbeit mit Bauart Architekten und Planer zum Forschungszentrum von Givaudan in Kemptthal erstellt hat.

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